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07.01.2007

Blogger und Bond

Wir hatten es ja schon mal angeschnitten, und jetzt, bei der Suche nach einem Wandkalender für das neue Jahr, diesmal muss es James Bond sein, dieses Jahr muss es er sein, überkam es uns mit flutgleicher Wucht, nur halb passendes Zitat aus "American Psycho", einem absolut, absolut großartigen Buch:

I'm on the verge of tears by the time we arrive at Pastels since I'm positive we won't get seated but the table is good, and relief that is almost tidal in scope washes over me in an awesome wave.

Und die Frage war: Würde James Bond bloggen? Würde er stundenlang in Frontpage und Photoshop frickeln und klickeln, bis sein Layout und sein Design zu seiner Zufriedenheit wären? Würde er zu lustigen YouTube-Videos linken, begeistert an jedem Ameisenfurz (Link nicht mehr aktuell) herumschnüffeln, ein "Wort" wie "Web 2.0" überhaupt in den Mund nehmen, außer, um es sofort auszuspucken, sein süßes Köpfchen weinerlich über böse, böse Schmutzfinken wie Don Alphonso schütteln, die doch tatsächlich wagen, in ihren Blogs Schimpfworte zu benutzen, soll sich den Mund mit Kernseife auswaschen, der Störenfried, der; kurz, würde James Bond am Ende der Party, um fünf Uhr morgens, mit vor Angst bibbernder Stimme fragen, ob er "vielleicht" die "Handynummer" des schönen Mädchens haben könnte?

Und die Antwort ist, natürlich, nein.

James Bond hat keinen Account im studiVZ und keinen in XING und keinen in YouTube und erst recht keinen in MySpace. Es ist ihm scheißegal, welches HTML-Tag für welchen Bloggertyp am Besten zur Farbe seines iBooks passt. Er denkt ganz bestimmt nicht über das "Web 2.0" nach. Er heult selbst dann nicht, wenn er brutalst gefoltert wird, sondern hat im Gegenteil gerade dann den besten Spruch auf den Lippen, und umgekehrt auch, wenn man ihm das schönste Liebesgeständnis macht; kurz, er verlässt die Party um halb zwei, auf ihrem Höhepunkt, küsst das schönste Mädchen umwerfend auf den Mund und sagt ihm, dass es ihn anrufen soll, wenn es ihn je wiedersehen will, und er gibt ihm nicht seine Nummer und nicht seinen Namen, was soll er es ihm denn zu einfach machen?

Würde James Bond schreiben? Vielleicht, hat Hemingway ja auch gemacht, wenn er nicht gerade Löwen oder sich mit Mojitos abgeschossen hat, und vielleicht würde Hemingway heute auch auf einem Laptop schreiben, wenn auch wahrscheinlich nicht auf einem iBook, ist letztlich aber gleich, wo die Worte rein- und rauskommen, solange sie nur Kraft haben, Kraft und Leidenschaft und Wahrheit. Vielleicht hätte er auch ein Blog, wenn man darunter eine Website versteht, auf der man, vielleicht auch zeitlich geordnet, Texte veröffentlicht. Vielleicht. Aber ganz bestimmt würde auch er dann nicht in der "Blogosphäre" herumkommentieren, das Wort liest sich wie "herumstrichern", ganz bestimmt nicht. Weil das alles keinen Schwanz interessiert. Keinen Schwanz. Nur Mikropenes.

James Bond muss die Welt retten, vor wahnsinnigen und schwerreichen und genialen Bösewichten mit Privatarmeen, und ihre göttlich schönen Frauen flachlegen. Ernest Hemingway muss schießen, weil der Löwe brüllend auf ihn zurennt, und gleichzeitig einen Whisky kippen und seine Frau betrügen, da ist keine Zeit für irrelevanten Müll. Weil der nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, mit der Wahrheit, mit dem Leben, draußen, im Regen.

Why did the chicken cross the road?
Hemingway: To die. In the rain.

Das, in seiner einen oder anderen Facette, ist, was uns immer wieder zum Knurren und zum Beißen bringt, das ist es. Man muss Hemingway nicht mögen, wahrscheinlich war er kein angenehmer Mensch. Man kann die James-Bond-Phantasien lächerlich und pubertär finden, wahrscheinlich sogar zurecht. Man sollte jeder larger-than-life-Figur mit larger-than-life-Skepsis begegnen, jeder absoluten Aussage mit absolutem Zweifel, und vor allem dieser Eintrag sollte davon nicht ausgenommen werden.

Aber trotzdem liest man Hemingway und nicht Florian Illies, das zerkochte Würstchen im versalzenen Eintopf der deutschen Gegenwartsnichtliteratur. Trotzdem sieht man sich die Abenteuer von James Bond an und nicht das ereignislose Unleben von Ehssan Dariani, des größenwahnsinnigsten Videospanners der deutschen Gründerunterwelt. Trotzdem will man nicht roboten, nicht dumpfen, nicht glimmen, sondern leuchten, strahlen, brennen.

Trotzdem lebt man lieber, als zu bloggen.

Also tut es endlich!

8 Kommentare:

  1. James Bond hat auch keine Freunde, keine Familie und keine Frau. James Bond wäre vielleicht gern ein Blogger, aber hat er eine Wahl ? (Bitch is dead, job is done)Also hüpft er von Bett zu Bett, erledigt kaltschnäuzig seine Aufträge... und was sehen wir nicht ? Wie er sich, wenn er nachts alleine ist, tränenerstickt im Bett wälzt und seine Bindungslosigkeit(-unfähigkeit) bejammert. Für eine Nacht James Bond, wär sagt da nein ? Aber 365 Tage im Jahr ?

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  2. Müssen die anonymen Kommentatoren immer Realismus in meine Einträge impfen? Wie soll ich so je zu einem anständigen Fanatiker werden?

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  3. *grins* Nicht gegen deine Phantasien, früher war ich auch ein schlimmer Playmobildiktator. Solang du die Schwerkraft noch akzeptieren kannst, mach ich mir keine Sorgen.

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  4. wer von uns blogt hier???

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  5. Wer ist eigentlich "wir"?

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  6. "Wir" = pluralis majestatis. Siehe hier.

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  7. StudiVZ:
    Leute die heißen 'James Bond' - 5 Treffer

    Xing/OpenBC: Suchergebnisse für "James Bond" -> 2 Treffer

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  8. Danke, L., fürs "Zitat des Tages" ..!

    http://myblog.de/danielnaftaly/art/74659364/Zitat_des_Tages_

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