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31.01.2007

Opa

Eine meiner größten Maximen lautet: Was werden meine Enkel sagen?

Was werden meine Enkel sagen, wenn sie mit offenen Mündern um meinen Ohrensessel in meiner Bibliothek in meinem Landhaus sitzen, die Kleinste fröhlich gluckernd auf meinem Schoß, und, während ich meine Pfeife in einer Kunstpause stopfe, der Frechste fragt, was dann passiert ist, und ich antworte?

Was werden meine Enkel sagen, wenn ich antworte, dann bin ich vor dem Janjaweed mit seinem Hengst und seinem Krummsäbel davongerannt, und er und seine Männer haben mein Dorf ausgelöscht, Glied für Glied?

Was werden meine Enkel sagen, wenn ich antworte, dann habe ich genickt und gesagt "Ja, Chef" und bin in meine Bürobox zurückgekrochen und habe bis zum Feierabend leise geweint?

Was werden meine Enkel sagen, wenn ich antworte, dann sah ich sie, schön wie eine Göttin, und habe mir vor Furcht in die Hose gepisst und bin watschelnd zur Wäscherei gegangen und habe sie nie mehr wiedergesehen?

Nein.

Dann habe ich den Janjaweed mit meinem Hirtenstab von seinem Pferd geholt und ihn mit meinem Seil erdrosselt und seine Machete genommen und mich auf seinen Hengst geschwungen und seine Männer von hinten geschlachtet, wie die Söhne von Hunden es nicht anders verdienten, bis ihr Blut die schwarze Erde unseres Dorfes rot färbte.

Dann bin ich aufgestanden und habe gesagt "Nein, Chef. Ich kündige" und bin auf dem direkten Weg hinausgegangen, und meine Kollegen haben mir auf die Schulter geklopft, und drei Monate später waren mein lächerlicher Chef und seine lächerliche Firma pleite.

Dann sah ich sie, schön wie eine Göttin, und bin auf sie zu und habe gesagt "Ich bin hier. Was sind Deine anderen zwei Wünsche?", und das Lachen Eurer Oma ist heute noch so herzlich und laut wie vor fünfzig Jahren.

Und dann kommt sie mit Keksen und Milch für alle und schimpft mich ein bisschen, was ich den Kindern wieder für grausame Geschichten erzähle, aber sie meint es nicht ernst, und als ihre Eltern sie abholen kommen, platzen die Kleinen mit glühenden Wangen hervor, was ich ihnen wieder erzählt habe, und ihre Eltern sehen sie etwas verwundert und mich vorwurfsvoll an und wissen, dass sie die ganze Rückfahrt wieder von nichts Anderem hören werden.

Von nichts Anderem als vom Opa und seinem Mut.

Und dass sie auch einmal so sein wollen wie der Opa.

Der Opa, der keine Angst hat.

Und die Eltern rollen die Augen und seufzen und denken daran, wie der Naivste die ganze Wohnung mit dem Kautabak vollgespuckt hat und den echten Stetson besudelt und wie die Wildeste ihrem Sandkastenfreund in die Genitalien getreten hat und gerufen "Nimm das, Kommie-Bastard" und wie das wieder Ärger auf dem Elternabend gab und wie sie Pierrot-Niklas' Eltern zur Entschädigung einen verdammt teuren Scotch kaufen mussten.

Aber dann, dann werden sie lächeln und heimfahren, leuchtend in der Nacht ohne Angst.

8 Kommentare:

  1. Du reflektierst ja in letzter Zeit öfter's über dein angenommenes oder tatsächliches Früchtchendasein, warum setzt du deine guten Ansätze nicht mal endlich um ? Vor ein paar Wochen war dieser Wille ja scheint's eindeutig da, nur hohle Selbstversprechungen ? Du solltest anfangen !!!

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  2. Wer sagt, daß ich es nicht schon tue?

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  3. Opa- wirst du sicher ein toller... ok?
    yo! sis A

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  4. Zum Glück hast du dir jetzt einen dunklen und grausamen Meister auserkoren, der dich von oben herab und ohne Gnade knechtet.

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  5. Andy, für mich bist du der Bond unter den Bloggern !!

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  6. Oh, baby, ich liebe dich!

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  7. Diesmal hast du es wirklich geschafft, diesmal hab ich geheult.

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