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01.04.2007

Westdeutschlandreise, Teil 1

Wieder mit dem Zug unterwegs. Ich bin kaum in den Intercity gestiegen, da lacht sie mich schon an. Ihre langen blonden Haare flattern im Gebläse der Klimaanlage. Ihre Augen leuchten tausendfach schöner als der Rhein, und weit verführerischer als die Ströme schmiegen sich ihre Kurven. Als wir langsam die Loreley passieren, muss sie kichern, und es klingt wie Glocken aus Kristall. Ich lege zärtlich meinen Arm um sie und küsse leidenschaftlich ihren Erdbeermund.

Bis ich in Köln umsteigen muss, bleiben unsere Lippen und unsere Herzen unzertrennlich, und nur die Bilder unserer kurzen, aber umso heftigeren Liebe können mich heute über ihren Verlust hinwegtrösten. Lasst mich eins mit Euch teilen.

Sie und ich

Wann immer ich in Bahnhöfen auf meine Anschlüsse warten muss, gehe ich in die örtlichen Zeitschriftenläden, um womöglich ein neues Magazin kennenzulernen, ein gutes Buch zu finden oder mich wenigstens über all die absurden Titel und Nischen zu amüsieren, die es gibt. In Aachen aber wandelt sich mein Amüsement zum vielleicht ersten Mal bewusst in Irritation, Befremdung, ja Abscheu. Nicht genug, dass der deutsche Journalismus sich, wie erst kürzlich an dieser Stelle referiert, heute schon auf seinen eigenen Titelblättern und -bildern intellektuell wie emotional komplett bankrott meldet, wenn er nicht gerade seinen Lesern einen Fuß ins Gesicht und eine Hand in die Tasche schiebt; nein, der deutsche Buchmarkt steht ihm darin in nichts nach.

Ich fange erst gar nicht von den Heidenreich-Bestsellern an, Titel wie "Rauchen ist gar nicht schädlich! Dr. Marlboro", "In Deutschland habt Ihr es doch gut, liebe Juden. Hadolf Itler" und ähnliche Schnullerliteratur für scheinbar Erwachsene machen sich schon von selbst lächerlich genug, aber dass es heutzutage hunderte Seiten starke Ratgeber für alles und jeden und auch das genaue Gegenteil gibt, erschreckt mich doch einigermaßen. Ist es wirklich schon so weit, dass der Rudi zehn Diagramme braucht, um zu lernen, wie man sich seinen Arsch auswischt, dass die Uschi sich von einer "Sexpertin" schreiben lassen muss, dass man Penisse nicht wie Grapefruits ausquetscht, und dass der Ulf-Jürgen nachlesen muss, dass Selbstbewusstsein im Job, in der Liebe und auch auf dem Wochenmarkt weiterhilft, wo der moderne Köln-Kalker natürlich am liebsten in riesigen Mengen Bärlauch und Pinienkerne kauft, was denn sonst? Müssen wir uns wirklich schon den Schwanz beim Pissen halten lassen? Und wenn es so ist, was hindert den bösen Terrormann dann eigentlich noch daran, uns endlich zu erobern, und zurecht, oh so zurecht? Unendliche Müdigkeit umfängt mich.

Fast erfrischend ist es inmitten all solcher nackten Heuchelei, perversen Geldgier und obszönen Menschenverachtung, vor dem Tittenregal zu stehen und sich zu informieren, warum Anja (23) aus Schwäbisch Gmünd vom "Po-Sex" auch dreimal am Tag nicht genug kriegen kann, warum jeder auf Waltrauds (55) unheimlich und wirklich gewaltig großen Hängebusen ejakulieren sollte und wie die "schwarze Perle" Keisha (19) aus Halle-Dautzsch es mir besser als jede andere besorgen wird, "bis der Kolben bricht". Bei den Titten maßt man sich wenigstens noch nicht an, besser als der Leser wissen zu wollen, wie die Welt funktioniert, und muss die "Hiroshima-Bombenärsche" auch nicht hinter 2.000 Zeilen Geseier vor ihm pseudoverstecken wie im "Spiegel", sondern holt ihn dort ab, wo er buchstäblich steht, und sorgt so für Befriedigung beim Käufer und Verkäufer gleichermaßen. Trotz sinkender Auflage der einschlägigen Zeitschriften scheint das Internet wie in so vielem auch hier dafür zu sorgen, dass ehrlicher, seine Kunden ernstnehmender Handel vorerst noch die Angriffe von allen Seiten überleben wird, und so steige ich in den Zug in die Niederlande, beruhigt, dass solange die allermeisten, die von Suchmaschinen auf mein Blog kommen, weiter Muschis und keine Katzen sehen wollen, es auch genug andere geben wird, die ihnen genau jene verkaufen werden und nicht diese:

Eine scharfe Muschi

Irgendwann passiert die Regionalbahn die Grenze, und ich weiß gar nicht wo, und ich bin immer noch nicht fertig, mich zu wundern, wie wenig sich die Europäer über diese weltgeschichtlich fast einmalige Anomalie wundern, ausgerechnet die Europäer, die noch jede Grenze, ob auf ihrem oder allen anderen Kontinenten, in tausendfachem Menschenblut gezeichnet haben, da bin ich schon mit einem der etwas abgeratzten niederländischen Züge durch den Sonnenuntergang nach Maastricht gefahren und werde von Freundin A. abgeholt, deren Lobpreis selbst den länglichen Rahmen dieses Eintrages bis in die Exosphäre sprengen würde. Darum folgt hier nur noch der Punkt.

8 Kommentare:

  1. Ich schätze das kleine Vieh haucht gerade seinen letzten Atem aus nachdem der Besitzer Tinte in die Augen geträufelt hat und es jetzt für ein schönes Grinsefoto erwürgt.

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  2. Lieber Andi,

    ich beginne mir Sorgen zu machen.

    --- Hach was, Sorgen mache ich mir schon lang, aber wenn das so weiter geht, ist bald ausgesorgt...
    Pass gut auf Dich auf!

    Dein Ali

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  3. Sorgen worüber?

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  4. Na bitte, ich hatte befürchtet, dass Du das fragen würdest. Also, wie soll ich das sagen jetzt... Ich beobachte eine gewisse Verrohung ob Deiner Sprachwahl, gleichzeitig einhergehend mit nochmals erhöhter Sensibilität Deiner Umwelt gegenüber - irgendwann zerreißt's Dich.
    Drum immer hübsch dehnen, gell!

    Anders kann's auch sein: bin halt ein alter Münsterländer Spökenkieker.
    Gutgehn!

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  5. Ah, das alte Dilemma:

    1. Man beobachtet etwas, was jeder fühlende und denkende Mensch nur einen Mißstand nennen kann. Je mehr man an sich beobachtet, desto mehr Mißstände entdeckt man natürlich auch.

    Beispiel: Kameras beim Koten eines Berliner Eisbärenjungen: 500. Kameras bei Robert Mugabes Vernichtung seines Landes seit fast 30 Jahren und bald noch mehr: 0.

    2. Man regt sich auf und wird laut. Und weil die Leute lieber auf Knut als nach Simbabwe schauen, wird man noch lauter, mit dem Ergebnis, daß die Menschen umso mehr wegschauen und einen für verrückt halten, worauf man noch lauter wird etc.

    Der Ausweg? Glückspille schlucken und Knut-TV gucken ist nicht. Umgekehrt macht krakeelen heiser. Wie meistens sollte ein Mittelweg gesund sein, wo immer man je nach Disposition diese Mitte verortet. Ich finde den Knut ja auch unwiderstehlich, aber es kann doch wirklich nicht wahr sein, daß alle Medien und ihre Zuschauer jegliche Kritikfähigkeit und Reflexion angesichts seiner Knopfaugen auf Nimmerwiedersehen über Bord werfen! Sollen die britischen Geiseln im Iran vielleicht Bärenfelle anziehen, damit man sie beachtet? Warum kapitulieren wir nicht längst und begeben uns in die babylonische Gefangenschaft, wenn unsere größte Sorge in der Welt offenbar ein f'ing Eisbär ist?!

    Aber gut. Ich will nur, wenn wir denn das hölzerne Pferd reinrollen, nicht nicht alles dagegen getan haben.

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  6. Krasser Kassandra-Komplex, Alter. Mach Dich mal locker, Mainstream-Medien befriedigen nunmal Unterhaltungsbedürfnisse und nicht die Anforderungen eines idealen rationalen Diskurses. War schon immer so, muss man wissen und sich bedingt auch damit abfinden; sich als einsamer Rufer im Wald zu stilisieren bringt ausser narzisstischem Distinktionsgewinn gar nichts.

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  7. Verdammter Dofo lass die Katze in Ruhe!!! Sie ist supersüß! Ali lass Andi in Ruhe!!! Er ist auch supersüß!

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  8. Toller Post. Denke auch ähnlich. Ach ja, google mal nach "gratis kinderpornos". Du glaubst gar nicht, wie viele alten wixköpfe so täglich auf meinen Blog finden...

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