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28.07.2008

Kurzkritiken der Kulturproduktion

"Moby-Dick", als Livehörspiel im Stuttgarter Staatstheater gesehen, ist eine große Abenteuergeschichte mit rauhen Seebären, Stürmen und Harpunen, und Thomas Eisen und Bernd Gnann geben sich mit weißen Melonen, rasselnden Ketten und hämmernden Holzbeinen kreativ und gekonnt Mühe, sie vor Augen und Ohren erstehen zu lassen. Doch "Moby-Dick" ist auch so viel mehr, von dem an diesem Abend aber fast nichts zu hören ist.

"Der Kick" dagegen, den wir auch mal gespielt haben, erzählt eine im Grunde kleine Geschichte eines Mordes in der brandenburgischen Provinz. Aber was der ausnehmend begabte Regisseur Andres Veiel und seine Schauspieler Susanne-Marie Wrage und Markus Lerch, die auch in der hier verlinkten abgefilmten Fassung des Stücks zu sehen sind, mit nichts als schwarzen Alltagsklamotten, einem Bauwagen und einer Holzbank daraus auffächern, ist erschütternd und großartig. Unbedingt ansehen!

"The Last Hero" ist eine wunderschöne Geschichte, in der alles stimmt, von den liebenswerten (Carrot) oder wenigstens beeindruckenden (Vetinari) Figuren über den fantasievollen Plot bis zu den herrlichen Illustrationen, an denen man sich kaum sattsehen kann. Aber warum wirkt dann "Making Money" vom selben Terry Pratchett so müde und die Geschichte so lustlos, und warum scheinen die Charaktere nur noch so zu heißen wie ihre geliebten Inkarnationen in früheren "Discworld"-Büchern, aber nun von nicht besonders begabten oder sympathischen Hochstaplern gespielt zu werden, selbst mein ewig bewunderter Havelock Vetinari? Ich traue mich kaum, es zu fragen, aber kann es sein, dass Pratchetts beginnender Alzheimer sich schon auf sein Schreiben auszuwirken beginnt? Hoffentlich bald gute Besserung!

"Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" von Walter Benjamin schließlich ist trotz seines Klassikerstatus ein in vieler Hinsicht typisch ärgerliches geisteswissenschaftliches Paper: Weder Abstract noch Zusammenfassung, weder klare Punkte noch präzise Begriffe erleichtern die Lektüre. Fast dreißig Seiten blubbert Benjamin, doch seine eigentliche Aussage lässt sich in einer tautologischen Zeile zusammenfassen: Die Einzigartigkeit von Kunstwerken geht verloren, wenn sie nicht mehr einzigartig sind. Das hätte ich auch schreiben können!

Soviel für diesmal.

4 Kommentare:

  1. Terry Pratchett kopiert sich nur noch selber, das letzte Buch, das ich von ihm genossen habe, war "Interesting Times".

    Was beginnenden Alzheimer angeht, bist Du aber besser im Rennen, wenn Du so grandios an Benjamins Paradeaufsatz mit phänomenaler Analyse vorbeiliest.

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  2. Hätte er seine "phänomenale Analyse" aber nicht in lesbarer Form darbieten können?

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  3. Um es mit Eco sagen (sinngemäßes Zitat):
    "Es gibt auf jede schwierige und komplexe Frage eine einfache Antwort. Und die ist falsch."

    Vielleicht musst Du mit der narzisstischen Kränkung leben, dass ein Text (den vor Dir viele gut fanden - und jetzt komm mir nicht mit den Millionen Fliegen) dir erst beim zweiten (dritten?) Mal lesen aufgeht. Vielleicht hilft auch historischer Hintergrund und ein Verständnis für den Sprachgebrauch zu Zeiten Benjamins (die ja nun wirklich nicht aus der Welt sind).
    Nicht jedes Thema lässt sich soweit reduzieren, dass es der Lazarschen abstract-Sucht (nichts gegen abstracts!) entgegenkommt und nicht jeder Autor will eine so verkürzende Version seines Essays vor diesem stehen haben, dass der Leser erst mal was Falsches liest, damit er Lust auf den eigentlichen Text hat...

    Andererseits: Was wäre dieser Blog ohne die permanente Leugnung der Möglichkeit einer narzisstischen Kränkung? ;-P
    Jetzt in der BILD: "Millionen Fliegen können irren, Andreas C. Lazar klärt auf."

    Dein kritischer Fan.

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