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17.07.2008

Maximal viel Minikritik

Da diese andere Website da noch bis auf Weiteres im Trockendock verbleiben muss, hier meine Kurzkritiken von ein paar neuen Filmen und Serien und ein paar alten und einigen, die ich schon immer sehen wollte, aber auch einigen, die ich am Besten nie gesehen hätte.

"I now pronounce you Chuck & Larry": Weil niemand außer Adam Sandler Adam Sandler abnehmen würde, dass er ein unersättlicher Don Juan sein könnte, produziert Adam Sandler eben einen Film, in dem Adam Sandler ein unersättlicher Don Juan ist. Aber auch ein recht sympathischer Träger einer schön menschlichen Botschaft, und mit einem witzigen Kevin James und einer ihren Job hervorragend erfüllenden Jessica Biel sind die fast zwei Stunden trotz gelegentlicher Scherzniederlande nicht verschwendet.

Ich wünschte nur für meine geliebte Winona Ryder, ich könnte dasselbe über "Mr. Deeds" sagen. Seltsamerweise kenne ich damit fast alle Adam-Sandler-Filme, weil mich ihre originellen Prämissen immer wieder anlocken und ich dabei immer wieder aus unerklärlichem Grunde vergesse, dass hinter ihnen meistens nur schale Kalauer, krude Genitalscherze, verlogene Sentimentalitäten und ein opportunistisch an hübschen Schauspielerinnen rumfummelnder Sandler stecken, so leider auch hier. Was nur hilft gegen diese Art der Amnesie?

Doch apropos Noni, "Edward Scissorhands" ist absolut klasse! 'Nuff said.

"Free Rainer"? Not so much. Man lacht zwar über die völlig überzeichnete (?) Darstellung der dauerkoksenden Fernsehmacher, gipfelnd in uns Moritz' rasender und sehr lustiger Amokfahrt durch die Stadt, aber im Rest des Films hätte es dann doch etwas mehr als den dünnsten Aufguss aller der Menschheit bekannten Revolutionsklischees in dozierendem Ton und mit dem Holzhammer hinterm Rücken geben dürfen, dankeschön.

"Tri orísky pro Popelku" ("Drei Haselnüsse für Aschenbrödel"), natürlich zu Weihnachten im Kreise der Familie gesehen, ist dagegen wieder vollständig beglückend: Die sympathisch und sorgfältig handgemachte Produktion, der so gutaussehende wie hohle Prinz, die wahnsinnigen Kopfbedeckungen der bösen Schwiegermutter und allem und allen voran die liebenswerte und lebendige Libuše Šafránková als Titelheldin erschaffen ein rundum tolles Märchen zum Vergnügen ihrer Zuschauer jeden Alters.

Auch "I am Legend" lässt sich hoffnungsfroh an, und die erste Hälfte, in der sich Will Smith mit seiner Schäferhündin durch ein menschenleeres New York schlägt, ist tricktechnisch wie schauspielerisch und erzählerisch sehr beeindruckend. Leider bleibt er nicht allein, und damit fängt das 08/15 an und das Pathos und die Plotlöcher und die Explosionen für die Kernzielgruppe der pickligen 13- bis 15-Jährigen. Schade für alle Älteren.

"The Princess Bride": Warum hat mir niemand früher von diesem perfekten Märchen erzählt? Dieser großartigen Komödie? Dieser schmelzenden Romanze und diesem wunderbaren Abenteuerfilm? Diesem atemberaubenden Debüt von Robin Wright und diesem endlosen Zitatenschatz? Diesem ...

"There's something about Mary". Ich kannte den echt noch nicht! Aber eigentlich habe ich damit bis auf eine schöne Cameron Diaz und die eher überflüssige Erfindung der Fäkalkomödie inklusive eines Hundes, der einen Mann in die Genitalien beißt, Penisamputation hahaha!, auch nichts verpasst.

"The Big Lebowski" war dagegen eine echte, klaffende Bildungslücke. Seither trinke ich immer White Russians.

In "Glengarry Glen Ross" passiert eigentlich nicht so viel. Die meiste Zeit sitzen nur unglaublich großartige Schauspieler wie Jack Lemmon und Kevin Spacey an Tischen und reden miteinander über Immobilienverkäufe. Einer der besten Filme, die ich je gesehen habe.

Auch nicht schlecht, weil eine angenehm schräge Exploration des Andersseins: "Napoleon Dynamite".

"Cloverfield": Die Idee, einen aufwendigen Monsterfilm komplett mit Abrams-Panzern, B-2-Bombern und einem sehr glaubwürdig halb vernichteten New York ganz aus der Perspektive einer Handkamera panischer Städter zu zeigen, ist großes Kino. Das Problem ist, dass der die Handkamera haltende Hipster und seine Freunde komplett unerträgliche, gefühlstote und bis ins Endstadium wohlstandsverkrüppelte Menschenhüllen sind, denen man nach der ersten Minute einen grausamen, grausamen Tod wünscht. Zum Glück enttäuscht der Film wenigstens in dieser Hinsicht nicht. Ansonsten: What he said.

"Kuch Kuch Hota Hai": Ich habe halt in meinem Herzen einen besonderen Platz für Bollywood, so what? Wer könnte denn auch drei Stunden schwerem emotionalen Artilleriefeuer widerstehen, und Kajol? Wer wollte es?

"Rounders": "That's a position raise, I call." Wer Poker verstehen will, muss diesen Film sehen. Erklärt von Matt Damon, John Malkovich, Edward Norton, Gretchen Mol, John Turturro, Famke Janssen ...

"Funny Games U.S.": Ach, Haneke. Ach Haneke, fuck you. Ja, wäre ich ein berühmter Regisseur, würde ich auch alle meine alten deutschen Filme mit Naomi Watts und Tim Roth nachdrehen, obwohl das Original mit Susanne Lothar und dem armen toten Ulrich Mühe auch nicht schlecht gespielt sein soll, aber heh, Naomi Watts. Und auch Michael Pitt, den ich ja seit Bertoluccis wunderschöner Altmännerfantasie "The Dreamers" liebe, Michael Pitt mit seiner unglaublichen Kinofresse, seinem Cherubgesicht, seinen Augen, die schon alles gesehen haben, macht seine Sache mehr als gut, genauso wie einer meiner Lieblingskameramänner, Darius Khondji.

Aber der Film ist ganz große Kaka.

Haneke will zeigen, dass Gewalt böse ist, Böööööse mit einem großen B und ganz vielen ö. Dass sie furchtbare Folgen hat und tiefste Narben an Körper und Seele hinterlässt. Dass sie sich darum nicht fürs Entertainment eignet, und dass jeder, der sie dennoch konsumiert, ein mindestens genauso verkommenes Subjekt ist wie die psychotischen Verbrecher in seinem Film, und dem darum eine Katharsis genauso fast buchstäblich mit dem deus ex machina verweigert werden muss wie eine konventionelle Dramaturgie und ein Soundtrack. Kurz, Haneke dreht einen Porno ohne Cumshot und regt sich dann darüber auf, wenn man trotzdem einen hochkriegt.

Aber Haneke, Du Arschloch, wo ich einen hochkriege und warum, ist meine Sache, und wenn es mit Banana Split beschmierte transnistrische Shemales sind. Das heißt weder, dass ich in echt mit einem Eisbecher nach chicks with dicks jage, noch dass ich in irgendeiner Form verroht oder degeneriert bin, warum f'ing auch, und ich werde wütend, ziemlich wütend, wenn man mir das a priori unterstellt und dazu auch noch, Gipfel der Heuchelei, die Mittel nutzt, die man doch verdammen will. Weil das in zehn Meter großen Buchstaben besagt, dass nur ich, der Großregisseur Michael Haneke, fähig bin, Fakt und Fiktion zu trennen und mit dem Gefahrgut zu hantieren, der gemeine, ungewaschene Pöbel dies aber keinesfalls kann und daher vor sich selbst geschützt werden muss, durch Lehrfilme wie "Funny Games". Es ist also aristokratisches Denken, das den Film beseelt, und abgesehen davon, dass die Franzosen schon vor bald zweihundertzwanzig Jahren gezeigt haben, was man am Besten mit Aristokraten macht, führt die vermessene Aneignung des Bööööösen, um dessen Bosheit zu zeigen, auch nicht zur erhofften Erkenntnis, sondern gerät nur zu einer leidlich interessanten und uneleganten Subversion von Thrillerkonventionen. Weil Gewalt im Kino vor allem Gewalt im Kino ist, und wenn Haneke mehr Zeit unter Menschen statt vor seinem Spiegel verbringen würde, würde er das auch wissen. Schade um die schönen Schauspieler.

"Terminator: The Sarah Connor Chronicles" schließlich hat für mich alten Cyborgfan bis auf Ahnuld alles, was ein Terminator haben muss, und das in Serie: krachende Action, atemlose Spannung, moderne Tötungstechnik, eine fantastisch toughe Sarah, gespielt von einer ebenso fantastischen Lena Headey, und hübsch anphilosophisierte Voiceovers zum nochmal drüber Nachdenken. Und selbst die Abwesenheit des Gouverneurs von Kalifornien macht Summer Glau mehr als wett: Wenig ist sexier, als einem zierlichen 1,70-Mädchen dabei zuzusehen, wie es zwei Meter großen Kampfrobotern aus der Zukunft das Genick bricht, und wenig furchterregender, als in ihr schönes leeres Puppengesicht zu blicken. Mehr davon!

8 Kommentare:

  1. Da (Funny Games) läuft die Lazar-Maschine wieder:
    Film gesehen, Urteil gebildet, Theorie dazu gebastelt, Polemik-Produktion angeleiert, gebloggt.

    Aber warum SO? Der Film muss einem ja nicht gefallen (im konkreten Fall: kann fast gar nicht), aber seine Darstellung und seine Aussagen sind schon bedenkenswert. (Leider kenne ich nur das Original, aber soweit ich gehört habe, handelt es sich bei U. S. um ein einstellungsgetreues Remake.)

    Dass Du eine Arroganz des Regisseurs unterstellst - meinetwegen. Aber warum dieser totale Selbstverteidigungsmodus? Warum rechtfertigst Du sogar Deinen Shemale-Porn-Konsum in diesem Zusammenhang? Und warum ist Dir die Botschaft, dass Gewalt nicht konsumierbar sei, so ein Problem? Warum nicht einfach gepflegt anderer Meinung sein und auf die schöne Horror-Film-Sammlung im Regal verweisen, die das eindrucksvoll belegt? Die Anschuldigung, dass Du als Betrachter solcher Filme ein "mindestens genauso verkommenes Subjekt ist wie die psychotischen Verbrecher" in Funny Games wärst, die hast Du Dir selbst ausgedacht.

    Meine Erfahrung sagt mir, dass solche Überreaktionen meistens aus einer gewissen Betroffenheit entstehen, aber wodurch die bei Dir entstanden sein könnte, kann ich mir nicht erklären... vielleicht weißt Du ja was.

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  2. He, ich gucke keine Shemale-Pornos :)

    Und Horrorfilme fast auch nicht. Und daß man Gewalt nicht grenzenlos zum Entertainment nutzen sollte, ist vielleicht gar nicht so falsch, diese Folterpornos wie "Hostel" o.ä. finde ich schon ziemlich komisch.

    Aber zur Vermittlung dieser Botschaft zum einen dieselbe Gewalt zu nutzen, die man doch verdammen will, sie zum anderen aber, selbst wenn sie wie in der Szene mit der Fernbedienung sehr gerechtfertigt ist, komplett zu vergällen, ist, wie einen mit Kuchen vollzustopfen, den man mit Rizinusöl versetzt hat. Ist das eine effektive Diätmethode? Und was muß der Stopfer von mir halten?

    Ich weiß, daß Gewalt schlimm ist. Trotzdem schaue ich sie mir gern als Entertainment an. Das heißt aber nicht, daß ich ein böööööser Mensch bin.

    Warum auch?

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  3. Man kann Hanekes Vorgehen unterschiedlich bewerten; man kann es widersprüchlich finden, Gewaltkonsum durch Gewaltdarstellung zu kritisieren oder es im Gegenteil als besonders raffinierte Bloßstellung von Zeig- und Sehgewohnheiten betrachten.

    Aber wo genau kommt ins Spiel, dass Du ein böser Mensch wärest?
    Vielleicht gibt's ja in der U.S.-Version die "Herr Lazar, SIE aber sind ein böser-Mensch!"-Szene, aber das würde mich schon sehr überraschen...

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  4. Ja, man kann Haneke ziemlich clever finden, und ein Teil von mir tut das auch. Ein anderer aber fühlt sich durch sowas wie die Fernbedienungsszene mächtig vor den Kopf gestoßen: "Was, Du willst Gewalt genießen? Pfui, sowas macht man doch nicht, Du Unhold! Sowas mache ich nicht, hähähä!"

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  5. Und schon bin ich zufrieden. :-)

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  6. Es gibt keinen besseren Weihnachts-/Familienfilm als "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel"! I love it every time new :o)

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  7. Mußtest du bei "Kuch Kuch Hota Hai" (In guten wie in schlechten Tagen) weinen Andi? ;'< *seufz*

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