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09.08.2008

Das und Dies

Bei Betrachtung von Schillers Schädel meiner letzten Einträge komme ich mir zwar langsam vor wie einer, der den Schreibtisch seines Geistes aufräumt, um wenigstens für ein kleines Pergament und den Gänsekiel wieder Platz zu finden, und die dabei gefundenen Trouvaillen, ist das jetzt ein Pleonasmus?, etwas unredlich als neue Meister- oder wenigstens Gesellenwerke verkauft, um Geld bzw. Zeit bis zur nächsten wirklichen Inspiration zu schinden, aber weil vielleicht des einen bunter Stein des anderen Rubin ist, sei's drum, und seien darum hier erneut einige kleine, linkgespickte Anmerkungen zu diesem und jenem.

Ich möchte wirklich, dass Barack Obama die US-Präsidentschaftswahl gewinnt. Wirklich sehr. Weil diese Welt eine verantwortliche, demokratische Führung mit westlichen Werten bis auf Weiteres nötig hat, und weil die USA das einzige Land sind, das sie leisten kann. China? Yeah right. Russland? Don't make me laugh, zumal ich, als ich vor einigen Tagen den Kiel für diesen Eintrag gelegt habe, noch nicht wusste, daß die Neosowjets einen Krieg in Georgien provozieren würden, aber es passt, es passt, und der Zeitpunkt ist original putinsche Perfektion. Afrika? Ach ja, da ist ja noch ein Kontinent. Südamerika oder Indien? Na, vielleicht in 50 Jahren. Schließlich Europa? Erneut, der Scheich fickt den Harem, nicht der Eunuch.

Aber Mann, ich kriege langsam wirklich sehr Angst vor der republikanischen Angriffsmaschine. Sie hat aus dem vor Redlichkeit brettsteifen Kriegshelden John Kerry fast mühelos einen sich für Orden selbst Verletzungen zufügenden, französischen Wendehals gemacht und einen folternden Lebensversager zu Gottes zweitem Sohn emporgeschrie(b)en, und jetzt ist sie dabei, den wahrscheinlich inspirierendsten Politiker seiner Generation zu Britney Spears zu machen, und nicht zur sexy Britney der Jahrtausendwende, mit der alle schlafen wollten, sondern zum Glatzkopf mit dem tödlichen Regenschirm.

Und da kann ich mir noch so sehr wünschen, die Wähler mögen diese geschmacklosen Attacken aufgeklärt durchschauen und angemessen bestrafen, sie wirken, und in einem Medienklima, das Artikel, die buchstäblich schon als Satiren im "Onion" erschienen sind, ernst meint, werden sie durch tausendfaches und tausendfaches Wiederkäuen legitimiert und validiert, bis sie schließlich zur zerstörerischen Truthiness gerinnen. Mir bleibt daher nur, auf das Können und die Kreativität Obamas und seines Teams zu hoffen, aber ich weiß auch nicht, wie sie der Wahrheit entrinnen wollen, dass man nie mit einem Schwein ringen soll, weil man dann schmutzig wird und das Schwein es genießt. Hoffen wir!

Übrigens, in McCains Werbespot kommt auch eine gewisse Paris Whitney Hilton vor, und jetzt kommt etwas, was einige Leser vielleicht schockierender finden werden als einen Mann, der sich einen Tausendfüßler in den Penis steckt, es lohnt sich auch, das ganze Blog durchzulesen, für bestimmte Werte von "lohnen":

Paris Hilton ist gar nicht so schlimm.

Ich weiß, das Video da, Ihr wisst schon, macht nicht den Eindruck, als wüsste Hilton so genau, was Sex eigentlich ist, und ihre Ubiquität, ihr Prosecco, ihre Film"rollen", ihre Musik, selbst ihre vielgehassten Füße, jaja, jaja.

Doch wenn man sich das Video da, Ihr wisst schon, nochmal anschaut, und dabei erkennt, wen darin man eigentlich hassen sollte, "I love you and can I please take off your pants" indeed, oder wenn man sich, und ich weiß, perverse Perpetuierung öffentlicher Aberrationen, aber trotzdem mal, Hiltons Liebesbriefe an Nick Carter durchliest, oder auch, wenn man sich ihre Antwort auf McCains Werbespot ansieht und dabei erkennt, dass Paris eine Erziehung genossen hat, dass sie sich im Gegensatz zu Lindsay oder Britney in ganzen Sätzen artikulieren kann, und dass sie sogar, perish the thought, ein eher schüchternes Mädchen zu sein scheint, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man es mit einer durchaus liebenswerten Person zu tun hat. Sicher, bisweilen naiv, einschüchternd geschäftstüchtig, und singen kann sie auch nicht besonders gut, aber ist das Grund, sich lachend an ihren Tränen zu weiden? Gar ihren Tod herbeizufantasieren? Hoffen wir nicht!

Aber apropos Singen, einer der Gründe, warum ich am Ende jenes Eintrages "Na, vielleicht" geschrieben habe, ist, dass ich mich erinnerte, dass ich selbst vor vielen Jahren auf eher verschlungenem Wege zur Schönheit der Oper gekommen bin, auch wenn Inva Mula-Tchakos Technik im Gegensatz zu der Paul Potts' frei von Fehlern ist. Trotzdem ist ihr "Il dolce suono" in "The Fifth Element" zu hören nicht jedermanns Einstieg in die Welt der Klassik.

Sei's drum.

3 Kommentare:

  1. Danke für die interessanten Links.
    Freue mich schon auf das bald an dieser Stelle erscheinende _wirkliche_ Meisterwerk. :-)



    "If you denounce the excess coverage, you are yourself adding to the excess. If you show even a slight knowledge of the topic, you betray an interest in something that you wish to denounce as unimportant or irrelevant. Some writers try to have this both ways, by making their columns both "relevant" and "contemporary" while still manifesting their self-evident superiority."

    Damit ist die Falle sehr gut beschrieben - Du trappst trotzdem rein.
    Zum einen beschäftigst Du Dich mit einer Person (PH) die nur als popkulturelles (Behelfsbegriff) Symptom für uns (zwischen unsere Interessen passt doch kein Blatt Papier! ;-) ) von Belang sein sollte. Nun gut, wen es interessiert... aber tut es das? Ich habe den Fehler gemacht, den (guten!) Beitrag über PH wieder besseren Wissens zu lesen - jetzt weiß ich interessante Informationen über einen für mich uninteressanten Menschen.

    Die Frage ist doch nicht - und da kommen wir zum Punkt "zum anderen" - ob PH dumm/unsympathisch/etc. ist. Die Frage ist, was wir überhaupt über einen Menschen wissen können (und wollen), den wir nur in der Oberflächlichkeit von Klatschzeitschriften (oder sogar nur in der Metaberichterstattung seriöserer Medien) kennen.

    Darüber kann man sich ärgern, ich habe es erwogen und gelassen. Du interessierst Dich halt für Popkultur.

    Dass allerdings Lindsay oder Britney sich nicht in ganzen Sätzen artikulieren könnten ist ähnlich arrogant wie die Aussage einer meiner Kommilitoninnen, B. könnte gar nicht singen... wie kommt man den zu solch anmaßenden Urteilen??



    Ansonsten: Wohltuende Abwesenheit von aufdringlicher Polemik!

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  2. Eigentlich geht es mir nicht so sehr um Paris selbst, sondern um die Häme der Berichterstattung. Daß es solche Berichterstattung gibt, wundert mich nicht, und ich konsumiere sie manchmal auch gerne und ohne Scham, aber warum diese unmenschliche Gehässigkeit? Ist Paris so böse?

    Lindsay und Britney können sich aber wirklich nicht richtig artikulieren, hast Du mal ihre Briefe und Blogeinträge gelesen? :-)

    Schließlich: Kommt meine Polemik wirklich aufdringlich rüber? Ich drücke meine Meinungen halt manchmal deftig aus ...

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  3. Ich finde es einfach schwer, die Relevanz des "Themas" PH zu erkennen - wie es zur Gehässigkeit kommt, finde ich ganz nachvollziehbar. Typischer ich-bin-gewöhnlich-die-stehen-im-Rampenlicht-Neid.

    Möglicherweise können sich B&L sogar wirklich nicht artikulieren, nein, ich habe deren Blogs nicht gelesen und es auch nicht vor. Aber wen juckt's?

    Nichts gegen Polemik (die Dir auch besonders gut gelingt, Du hast da zugegebenermaßen eine Fähigkeit zur Überspitzung), nur dann, wenn hinter ihr die Sachen ganz verschwinden oder zur Un(!)kenntlichkeit verzerrt werden. Ist dieses Mal, wie gesagt, nicht der Fall. :-)

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