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29.01.2009

Unberührt

Hemm ... hehh ... ähh ... uhh ...

Ach was soll's, here goes: Ich habe Jesus verpfiffen. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass es wirklich Zeitmaschinen- zur falschen Zeit am falschen Ort- unglücklicher Gleichklang deutscher und althebräischer Wörter- es tut mir so, so-

Wie? Es ging gar nicht-? Ach so, eigentlich wollte ich hier sagen, dass ich erst mit über 21 zum ersten Mal Sex hatte. Weit drüber. Weeeit.

So. Und es gibt mindestens ein gutes Buch, einen kurzen und einen längeren informativen Fernsehbericht und sogar eine nette Filmkomödie zum Thema, die ich als Einstiege jedem Interessierten empfehle, weil sie schon sehr vieles ansprechen, das aber durchaus auch meiner Wiederholung wert ist.

Eines der ersten und wichtigsten Probleme eines sex- oder beziehungslosen Menschen ist die vergebliche, zunehmend obsessive Suche nach einem goldenen Schlüssel zum bevorzugten Geschlecht, den man aufgrund seiner Nichtexistenz aber nie finden kann. Ob Aussehen, Geld, Bildung, Witz, Eltern oder zwanghaftes Kätzchenertränken, stets wird man zahllose Gegenbeispiele finden, die trotz ihrer inneren wie äußeren Quasimodohaftigkeit von einem Bett ins nächste zu stolpern scheinen, von erfolgreich charmanten Normalverbrauchern nicht zu reden. Wenn aber jeder Serienmörder Körbe voller Liebesbriefe in den Todestrakt erhält, was sagt es dann über die nichthomizidale Jungfrau, wenn sie nicht einmal die kränksten Helfersyndrom-Krankenschwestern für sich gewinnen kann, oder anders, was stimmt mit mir nicht, wenn mich keine(r) will? Stark ist der Held, der bei diesem Sein sein Selbstbewusstsein bewahrt.

Dabei ist gerade Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit, Selbstliebe jener goldene Schlüssel, allerdings nicht zu anderen, sondern zum eigenen Leben. Wer möchte nicht lieber Kirsche auf einer leckeren, glänzenden Torte sein, als erst einen traurigen Haufen Mehl und zwei schlaffe Eier mühsam aufbacken zu müssen? Allein, wie zur Torte werden ohne, und wenn wir schon mit dieser Metapher in alle Richtungen zerlaufen, haha, Treibmittel?

Denn zu den beharrlich nagenden Selbstzweifeln kommt im sozialen Leben, in den Unterhaltungen über Liebe, Sex und Zärtlichkeit, in denen man nicht mitreden kann, und in den Fickificki-Medien der normative Aspekt, die stumme, drückende Erwartung, dass man bis zu jenem und diesem Alter dieses und jenes erlebt haben sollte, anderenfalls stimmt mit einem etwas nicht. Dennoch reagieren die meisten Menschen nach meiner Erfahrung offen und verstehend, wenn man mit ihnen über seine Unberührtheit spricht. Wie aber zu dieser sehr erleichternden Erkenntnis gelangen, wenn man durch langes Schweigen überzeugter und überzeugter geworden ist, dass man ausgelacht und mit faulem Gemüse beworfen wird, weil man es für eine tiefe Schande hält, noch nie mit jemand anderem geschlafen zu haben? Erneut, stark ist der Held, der den Mut hat, sein Sein für die Augen der Welt zu öffnen.

Dabei stehen hinter diesen Augen öfter warme Herzen, als man meinen mag. Und wer trotzdem lacht, darf getrost auf den Müllhaufen falscher Freunde verbannt werden. Allein, wie sich, um erstmal dahin zu kommen, am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Angst ziehen?

Denn vielleicht auch nur gefühlte externe Normativität und internes Minderwertigkeitsdenken machen nicht stärker, nicht heldenhafter, nicht treibender, nicht offener, sondern alle Gegenteile. Man nähert sich nicht anderen, sondern entfernt sich, und erfüllt so oft erst die selbstvergiftende Vermutung, ein unverstandener Kauz zu sein. Man entfernt sich bis in die immer artifizieller werdende Sprache hinein von sich selbst, bis man zu einem scheinbar unbeteiligten, verkrampften Beobachter seines eigenen Lebens wird. Man spricht in der Erwartung, erfolglos zu sein, niemanden mehr an, und erfüllt die Erwartung so, zunehmend und zunehmend obsessiv. Und endlich, wie Springerstiefel, die nach Liebe, wie 9/11-Verschwörer, die nach Hirn schreien, projiziert man seine empfundene Unzulänglichkeit in gedrehter Münze auf das Andere, das Unbekannte, das Begehrte. Ich bin dumm, faul und hasse mich selbst, also muss Döner-Alis Familie dran glauben. Ich habe einen wirklich, wirklich winzigen Mikropenis, also hat der Jud' die Türme gesprengt. Und ich fühle mich einsam und wertlos, also sollen diese Schlampen, diese Göttinnen vor mir gefälligst auf die Knie fallen. Aus diesem selbstverstärkenden Teufelskreis auszusteigen geht nur, wenn man aus ihm aussteigt.

Dabei ist das nicht so schwer, wie es klingen mag. Medien wie die oben verlinkten und vielleicht auch dieser Eintrag zeigen, dass man in seinem Sein nicht allein ist, es Hoffnung und Hilfe gibt. Es gibt geflügelte Engel, wie ich selbst weiß, und verdammt sexy Engel dazu. Und auch der kleinste Schritt, die kleinste Öffnung im Kreise der Vertrauten ist ein guter Anfang, um schnell laufen zu lernen.

Und mit jedem Schritt Freiheit zu gewinnen.

Und Leben.

Nur Mut!

Andreas' Baader

Vor fünfeinhalb Jahren habe ich den "Großen Deutschen RAF-Film™" gefordert. Ich träumte von einem gewaltigen Epos, das von Strömen von Blut umflossen wird wie die Île de la Cité von der Seine, von hellem Blut aus Benno Ohnesorgs Hinterkopf zu den Klängen der "Zauberflöte", die der Schah von Persien in jenem Moment hörte, bis zu dunklem Blut aus Hanns Martin Schleyers Kopf im stillen Wald. Ich träumte von Ulrike Meinhofs Fenstersprung in Zeitlupe und flitzenden Kugeln in der "Landshut", D-ABCE. Ich träumte, dass bis in die kleinste Rolle die besten Schauspieler aufgeboten würden, die Deutschland zu bieten hat. Ich träumte, also, von einem großen, großen Film.

There are two tragedies in life. One is not to get your heart's desire. The other is to get it.

Die Details in "Der Baader Meinhof Komplex" sind von einer sehr erschreckenden, sehr zufriedenstellenden Pedanterie. Vom weiterrollenden Wagen Siegfried Bubacks über den Einschuss unter Petra Schelms linkem Auge und den Originaldreh im siebten Stock von Stammheim bis zum vollen 70er-Jahre-Schamhaar sitzt alles, und man möchte vor den autistischen Geschichtsnerds in der Ausstattungsabteilung ehrfürchtig in die Knie sinken. Weich werden selbige, wabbelnd sind die Überleitungen wie John McCains Beine, durch Johanna Wokaleks intensive, aufregende Darstellung von Gudrun Ensslin, hinter der sich aber auch Martina Gedeck als Ulrike Marie Meinhof und Nadja Uhl als Brigitte Mohnhaupt nicht verstecken müssen, und auch Vinzenz Kiefer als hübschere Version von Peter-Jürgen Boock und Bruno Ganz als Horst Herold machen ihre Arbeit gut, auch wenn ich bei Letzterem nun für immer den Führer höre, wenn er spricht. Moritz Bleibtreu dagegen scheint hauptsächlich das zu spielen, was er immer spielt, einen sympathischen Kleinkriminellen also, weswegen ihm Baaders Lieblingswort von den "Fotzen" nicht allzu überzeugend über die Zunge rollt, aber man zieht in den Krieg mit der Armee, die man hat usw. In den Nebenrollen schließlich kann man von Tom Schilling über Hannah Herzsprung bis Sandra Borgmann ununterbrochen Schauspielerraten spielen, und in zweieinhalb kurzweiligen Stunden wird der Bogen tatsächlich von schießenden Polizisten in Berlin zu schießenden Terroristen im stillen Wald gezogen, und kein Ereignis bleibt außen vor.

Ist dieser unglaublich aufwendige "Baader Meinhof Komplex" nun aber ein guter Film?

Nein.

Und der Grund dafür ist, dass dieser Film naive Malerei ist, ein röhrender Hirsch des Kinos. Mag er einen auch so realistisch von seiner Lichtung anschauen, dass man sein Röhren fast zu hören scheint, so hat er doch keine Aussage außer der tatsächlichen, keine Tiefe außer der der Leinwand, keine Reflexion und keinen Horizont. Es ist eins, die Geschichte getreu wiederzugeben, ein anderes aber, ihr Bedeutung zu verleihen; dazu muss man die gesicherten Pfade verlassen, um zu interpretieren, zu kontrastieren, zu imaginieren und endlich zu fantasieren, Qualitäten, die den produzierenden Geschichtsbuchhaltern schmerzlich abzugehen scheinen. Wieso gibt es, zum Beispiel, keine Gegenüberstellung der tatsächlichen, lächerlichen Kleinkriminalität Baaders mit der völlig überzogenen, Wolfgang Schäuble bis heute nächtlich feuchte Träume bescherenden Reaktion des deutschen Sicherheitsapparates, die RAF knackt einen Zigarettenautomaten, und vier Stunden später knattern Hubschauber und rollen Panzer durch einen Kreis mit 50 Kilometern Radius, in dessen Mitte drei Schachteln Marlboro von 2000 Polizisten mit entsicherten Maschinenpistolen bewacht werden? Warum keinen Vergleich der drogenbenebelten Mordträume der zweiten Generation mit den drogenbenebelten Exekutionsträumen Franz Josef Strauß'? Kein Verweilen der Kamera mit Ulrike Meinhof in der Einzelhaft, bis selbst die Zuschauer Klaustrophobie empfinden? Keine stilisierte Zeitlupe einer Schießerei im Vordergrund, während im Hintergrund eine schwäbische Hausfrau die Kehrwoche macht, oder irgendetwas, das gezeigt hätte, wie lächerlich die Idee einer Guerilla in Deutschland ist, f'ing Deutschland, wo Revolutionen hingehen, um zu sterben? Selbst die Gespräche zwischen Schleyer und seinen Entführern hätten wie im viel schöneren "Die fetten Jahre sind vorbei" schon einiges zur Bereicherung dieses flachen Baader-Meinhof-Tableaus getan, mussten aber, weil für einen eigentlich notwendigen Mehrteiler offenbar die Eier gefehlt haben, wohl weggelassen werden, von der noch viel notwendigeren echten Auseinandersetzung mit diesem Teil unserer Geschichte ganz zu schweigen.

Verpasst ist diese Gelegenheit.

Verpatzt ist dieser Film.

Zerstoben mein Traum.

Sehr schade.

11.01.2009

Das literarische Quartett

"Ein grräßliches, ein ganz und gar fürrchterliches Buch, diese 'Feuchtgebiete'", sagt der Mann auf dem überbordenden Rokoko-Canapé mit dramatischer Geste und einer unglaublich feuchten Aussprache. "Was hat sich diese Charlotte Rrotz oder Rröche oder wie sie heißt nur dabei gedacht? Ich verrstehe ja den Impuls, gegen den Hygiene- und Enthaarungswahn anschreiben zu wollen, dass ein neunjähriges Mädchen mit Alopezie und ohne Schweißdrüsen das erotische Ideal sein soll, kann nicht gesund sein, aberr so kann man das Thema doch nicht behandeln! 'Feuchtgebiete' ist nicht clever, nicht gut geschrieben, hat keine Charaktere, keine Handlung und noch nicht mal einen richtigen Ort. Dem Buch geht jede Dimension geteilter Menschlichkeit ab, und im Ergebnis führen die zahllosen Beschreibungen unappetitlicher Körperfunktionen und Sekrete, weil sie eben jedem humanen Zusammenhang enthoben sind, nicht zum Wunsch, sich alle Haare mal wieder so richtig lang wachsen zu lassen, sondern im Gegenteil dazu, sich täglich zehnmal mit Stahlwolle und Salzsäure abschrubben und mit einem Flammenwerfer epilieren zu wollen, um den unbeschreiblichen, geradezu höllenhaften Ekel loszuwerden, der einen bei der Lektüre befällt, selbst mich, derr ich weiß Gott genug Schlimmes auf dieser Erde gesehen habe! Das ohne Untertreibung schlechteste Buch, das ich je gelesen habe, und ich kann jetzt auch Charlotte Roche nie mehr ansehen, ohne mir zu denken, was um Gottes guten Willen in ihrem Kopf kaputt sein muss, dass sie so ein Werk verfaßt hat, und mehr noch, was mit diesem Deutschland kaputt sein muss, das einen solch kläglichen, widerlichen Erguss auf alle Titelseiten und Bestsellerlisten gehoben hat. Ach, ach, ach!"

"Da haben Sie ganz recht, Herr Lazar", antwortet Marcel Reich-Ranicki im Sessel zur Rechten, während er sich diskret ein wenig Spucke von der Backe wischt. "Aber haben Sie in letzter Zeit nicht auch bessere Werke gelesen?"

"Selbstverständlich, mein lieber Freund, auch wenn jede Speisekarte, ja jede Toilettenordnung mehr literarischen Wert besitzt als das eben erwähnte Buch", antworte ich. "Da war zum Beispiel das an dieser Stelle bereits erwähnte 'Ich brauche Liebe', die Autobiographie von Klaus Kinski. Und auch wenn mutmaßlich viel bis alles darin erfunden ist und die unzähligen sexuellen Eroberungen des Großschauspielers den Leser irgendwann ein wenig zu ermüden beginnen, ist es doch ein für die deutsche Sprache sehr leidenschaftliches, kraftvolles, vor Leben sprudelndes Werk, und man bekommt wirklich Lust, es Kinski nachzutun, weniger auf die Meinung der anderen zu geben, Filmbänder in Gold in die Tonne zu kloppen und Frauen zu lieben, egal wie alt sie sind, egal wie sie aussehen, wieviele Haare sie haben, schlicht dafür, dass sie Frauen sind, Menschen. Wahrhaftig, ich brauche Liebe, Sie brauchen sie, meine Freunde, jeder braucht sie!"

Eva Green im Sessel zur Linken errötet ein bisschen. Es steht ihr sehr gut. "Erzählen Sie mehr von der Liebe", flüstert sie fast in einem hinreißenden französischen Ton.

"Aber ja! Ich habe endlich auch 'The God of Small Things' gelesen", fahre ich fort, "und ich weiß nicht, wie ich dieses absolute Meisterwerk so lange verpassen konnte. Perfekte, golden glänzende Metaphern, vollkommene Sätze, wie hypersensorisch, unendlich horizonterweiternd, zum emotionalen Milliardär bereichernd, zutiefst berührend, Wort für Wort reine Wahrheit. Lesen, lieben, leben!"

"Das sind ja nun aber alles recht bekannte Bücher, Herr Lazar", sagt Barack Obama, der sich extra für die Sendung freigenommen hat und im dritten Sessel sitzt. Er spricht akzentfrei Deutsch. Wie alle anderen Sprachen. "Haben Sie nicht auch neuere Empfehlungen für uns?"

"Durchaus, mein Lieber, und die erste ist 'Nachtfische' von Rebecca Anna Fritzsche, ein kleiner Debütband mit fünf Erzählungen. Ich kenne die Autorin persönlich, und im Gegensatz zu vielen ihrer schreibenden Generationsgenossen, die mit oberflächlicher Wortpolitur langweilen, ohne je nach den Perlen des Lebens zu tauchen, vielleicht haben sie keine Eier oder Ovarien, erzählt sie lakonisch und präzise und genau beobachtend vom Unglück des Daseins, am Besten in der titelgebenden Geschichte über eine langsam und böse herankriechende Postpartumdepression. Ein bisschen vielleicht, wie Hemingway geschrieben hätte, wenn er eine junge Frau gewesen wäre. Ich freue mich schon auf ihren ersten Roman!"

Jetzt ist es an mir, ein wenig zu erröten.

"Äh, das letzte Buch für heute ist ein Sachbuch, und ich habe es von einer sehr, sehr lieben Freundin zum Geburtstag geschenkt bekommen. Es heißt 'Dr. Tatiana's Sex Advice to All Creation' und ist im Frage-und-Antwort-Stil wie bei Doktor Sommer geschrieben, aber für die gesamte Schöpfung. Und Gott, die Tiere und Pflanzen und Pilze treiben es vielleicht toll! Unendlich kreativ, grenzenlos varianten- und lehrreich und auch sehr witzig. Nach der Lektüre ist man ganz erfüllt von Ehrfurcht und Erstaunen vor der Natur und möchte selbst seinen Teil tun, ihr so oft und so lange wie möglich zu huldigen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen viel Kraft und viel Liebe. Bis bald!"

07.01.2009

Cork, cont'd

7.1., 19 Uhr: TGV Paris-Stuttgart. Nicht nur, weil es draußen dunkel ist, reflektiere ich, was ich auf dieser Reise gefunden habe, und es ist nichts als eine einfache Wahl: Mehr schöne Länder, schöne Mädchen und schöne Kunst, am Ende das "Economist"-Titelblatt "Architect of world peace, Andreas C. Lazar PhD 1979 - 2100", oder die "Bild"-Schlagzeile "Penner erfriert mitten auf Schlossplatz, Juni 2010". Der Unterschied: Mein (nicht schlechter) Arsch bzw. ob ich mich auf ihn setze oder halt nicht. Ich denke kurz nach, stehe auf und schüttle ihn, einmal noch. 

7.1., 13 Uhr: Im Louvre. Ich glotze mir die Augen trocken und sehe doch nicht genug. 

6.1., 19 Uhr: Crêpes mit A. Süß. 

6.1., 15 Uhr: 108 Rue de Garches, Saint-Cloud. It began here. It ends here. 'Nuff said. 

6.1., 14 Uhr: Die Grande Arche verlängert, beendet und übertrifft die historische Achse vom Louvre über den Triumphbogen bis nach La Défense in beeindruckend monumentalpathetischer und ein wenig einschüchternder Weise. So sind die Franzosen halt. 

6.1., 12 Uhr: Es war bitterkalt, aber ich bin gestern trotzdem drei Stunden durch Paris gelaufen, weil es so viel zu sehen gab, vom Quartier Latin, in dem mein Hostel liegt, über das Panthéon zu Notre Dame, den sehr beeindruckenden Louvre, it's good to be the king, durch die halben Tuilerien, über die Champs-Élysées, vom Triumphbogen zum Alma-Tunnel, wo ein gar nicht unwitziger Schelm ans inoffizielle Prinzessin-Di-Denkmal "Inoubliable Ottmar Hitzfeld" geschrieben hat, und schließlich zur ultimativen wahr gewordenen Steampunkfantasie, dem Eiffelturm. Heute La Défense, meine alte Heimat Saint-Cloud, und wenn die Zeit reicht, auch Versailles. 

5.1., 18 Uhr: Paris. Es schneit. Erstmal nur 30 Minuten Internet, bevor ich in die Stadt aufbreche. Ich versuche trotzdem, wenigstens stichwortartig so viel von den letzten drei Tagen nachzutragen wie möglich, auch wenn meine Tastaturhand wie abgestorben und ganz schwarz geworden ist, seit ich meinen Koffer in die Mansarde meines Hostels tragen musste, über eine Treppe, auf der nur allein von Zigaretten und Kokain lebende französische Models elegant navigieren können. Vielleicht werde ich hier ja eins treffen? Wenn nicht, kann ich in den nächsten Tagen wenigstens mein Blog ergänzen ... 

4.1., 12 Uhr: Die WM ist aus. Es kommt uns viel billiger, noch eine Nacht in Irland zu bleiben und den Montagsflug zu nehmen statt den von heute, also downgraden wir in ein sehr preiswertes, aber trotzdem komfortables Hostel und besuchen immer noch erkältet, aber bei herrlich mildem und sonnigem Wetter das Küstendorf Kinsale mit seinen alten Forts und einer neuen Marina. Am Abend Fish and Chips und Bier. Es hat unsere ganze Zeit hier nicht einmal geregnet. 

3.1., 23 Uhr: Ich kannte das Pausenprogramm Anúna gar nicht, aber die sind ja klasse! Desgleichen die nachfolgenden irischen Steptänzer. Nach den Danksagungen und der Preisverleihung (and the winner is ... Oxford A) geht's zum Ball mit leidlichem Essen, schönen Gesprächen und wunderbarem Tanz. Lasst die WM ewig dauern! 

3.1., 16 Uhr: Das Thema des großen Finales ist Abtreibung? Really? Die Teams aus Monash, Harvard und zweimal Oxford machen einen unterschiedlich guten, aber insgesamt beeindruckenden Job. 

3.1., 9 Uhr: Der irische Supervirus, der bereits die Hälfte des Feldes dahingerafft hat, hat auch uns so fest im Griff, dass wir nicht aus dem Bett kommen und sowohl das Halbfinale darüber, ob Regierungen Häuslebauer subventionieren sollten, als auch das Englisch-als-Zweitsprache-Finale mit den Berlinern zum Thema, ob es eine Quote für einheimische Fußballspieler geben sollte, leider verpassen. Ich glaube, meine Haare kriegen einen rötlichen Stich. 

2.1., 23 Uhr: Irische Party. Paracetamol + Alkohol = nicht gut. 

2.1., 17 Uhr: Noch keine Todesdrohungen von deutschen Debattierern. 

2.1., 15:05 Uhr: Bei der diesjährigen Deutschen Debattiermeisterschaft in Berlin hatte auch ein Team aus dem englischsprachigen Club in Köln teilgenommen, der sonst nur auf internationale Turniere fährt. Und während das tatsächlich aus einem Bruder und einer Schwester bestehende Team rhetorisch zwar talentiert, aber nicht brillant war und normal, aber nicht fantastisch gebildet, hat es mit Leichtigkeit das Halbfinale erreicht und hätte in meinen Augen auch im Finale sprechen sollen. Allein der Geschwister solide Analyse, klare Logik und effektive Widerlegung auf gutem Niveau war genug, fast ganz Debattierdeutschland aus dem Feld zu schlagen, in dessen Finalrunden sich sonst sehr oft die gleichen Gesichter tummeln. Ein Zeichen, dass unser Ausbildungsniveau nicht hoch genug ist, um Talentunterschiede zu nivellieren, auch eins, dass wir mehr Kontakt zur internationalen Elite brauchen, und vielleicht auch eins, dass eine zu kleine Szene die wenige mögliche Objektivität vergiftet. Es ist viel zu unserer Verbesserung zu tun, also packen wir's an! 

2.1., 15 Uhr: Hauptviertelfinale und Englisch-als-Zweitsprache-Halbfinale zum Thema, ob der Internationale Strafgerichtshof Verbrechen gegen den demokratischen Prozess verfolgen sollte, wir unterstützen das letzte verbleibende deutsche Team aus Berlin, und ich mache mir nach fünf Minuten ein paar Gedanken über das deutsche im Vergleich zum internationalen Debattieren.

2.1., 12 Uhr: Wir ziehen endlich wieder Ausschlafen dem Achtelfinale darüber, ob zur Bekämpfung der Taliban in Afghanistan lokale Milizen eingesetzt werden sollen, vor, wachen aber trotzdem mit unseren seit Tagen schwelenden Erkältungen in voller Blüte auf, was sehr nervt. Mein Leid wird etwas gelindert, als mir ein Verkäufer in Cork ein weißes Einstecktuch schenkt. Vielleicht werde ich auch schon so wie Kinski und erschüttere die Menschen schon, wenn sie mich nur ansehen?

2.1., 1 Uhr: N. und ich machen uns einen nicht sehr originellen, aber lustigen Spaß daraus, wie es wäre, wenn unser Leben von rauhen Filmtrailersprechern begleitet würde: "One man, on a mission in a foreign land" - "Get on the boos!" usw. Leider führt das aufgrund einer seltenen meteorologischen Konstellation, bei der unsere Gedanken von der ionisierten Luft aufgenommen werden und so die Gehirnströme Dritter beeinflussen, dazu, dass mein Leben tatsächlich kurzzeitig zu einem Film wird und N. genau dann ins Hotelzimmer platzt, als ich, ähh, aktive Völkerverständigung betreibe, und nachdem ich das Mädchen verabschiedet habe und mich mit den Worten "One man, trying to have sex with his date" neben N. setze, der in der Lobby wartet, merke, dass ich viel zu laut gesprochen habe, und dass fünf Meter von uns entfernt die hübsche Australierin sitzt, die ich am ersten Debattentag kennengelernt hatte. Abspann! Abspann!! 

1.1., 21 Uhr: Zur Party. Nochmal Labello nachziehen.

1.1., 15 Uhr: Partner N. macht sich nicht darüber lustig, dass mein Koffer zwar 27 Kilo wiegt, ich aber sowohl mein Kameradatenkabel als auch meine Einstecktücher für den Abschlussball vergessen habe, weswegen wir durch Kleidergeschäfte hetzen, leider vergeblich. Morgen wieder, denke ich zurück im Bus und danke ihm stumm für seine Fairness, während die Russin V. an meiner Schulter einschläft. Was kann ein Magnet dafür, wie sich seine Elektronen drehen?

1.1., 9 Uhr: Wir haben die Finalrunden leider nicht erreicht. Wie knapp, werden wir erst in ein paar Tagen wissen, wenn auch die Ergebnisse aus den Runden ohne Feedback veröffentlicht werden, die letzten zwei Debatten zu den Themen, ob Frauen weniger Einkommensteuer zahlen (dafür) und ob politische Meinungsumfragen verboten werden sollen (dagegen), waren in meinen Augen aber unsere am Besten und Schönsten argumentierten. So oder so bin ich hauptsächlich zum Dazulernen hergekommen, und um viel Spaß zu haben und die irische Insel zu sehen. All das erfüllt sich an diesem Morgen erneut, als ich im Bus auf dem Weg zum Killarney National Park eine pausenlos redende, unglaublich sympathisch quirlige Russin kennenlerne und dann vor der Schönheit des Parks fast erstarre. Ein Rotkehlchen hüpft um meine Beine, und ich kann es kaum erwarten, die atemberaubenden Fotos des moosbedeckten Eibenwaldes hochzuladen. 

1.1., 2 Uhr: Immer noch Knutschen.

1.1., 0 Uhr: Das neue Jahr fängt mit Knutschen an. Sehr gut.