Starke Scheite
schichtet mir dort
am Rande des Rheins zu Hauf!
Hoch und hell
lodre die Glut,
die den edlen Leib
des hehresten Helden verzehrt.
Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.
Doch über den Absturz der Roten ist ein anderer Niedergang aus dem Blick geraten, der vielleicht noch um einiges dramatischer und für unsere Demokratien folgenreicher ist: jener der konservativen Mitte-Rechts-Parteien christdemokratischen Typs. Nach Höhenflügen in vergangenen Jahren, in denen sie unter anderem die fünf größten EU-Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen regiert haben, stellen Mitglieder der Europäischen Volkspartei nach Angela Merkels Abgang gerade mal noch neun von 27 Regierungschefs der EU und keinen mehr aus West- oder Mitteleuropa (außer Österreich). Die US-Republikaner sind schon lange vor Trump immer vulgärerem und rechtsextremerem Populismus verfallen. Vertreter "illiberaler Demokratien" wie Viktor Orbán oder die polnische PiS-Partei haben die Reihen der Europäischen Volkspartei verlassen oder waren nie drin, auch wenn sie sich in Teilen auf traditionelle christdemokratische Werte berufen (haben). Die britischen Konservativen unter Boris Johnson entwickeln sich immer mehr zu einer populistisch soziale Wohltaten an Einheimische ausschüttenden und alles Ausländische verteufelnden Partei, gerade angesichts eines immer katastrophaler verlaufenden Brexits. Und nun die große Niederlage der Union unter dem Kandidaten ohne einen Funken Gravitas, Gespür oder graue Zellen, Armin Laschet, nach der Parteimitglieder schon nach "einem deutschen Sebastian Kurz" rufen (ups), Junge Republikaner (aka Trumpjugend) zu ihrer "Deutschlandtag" genannten Ansammlung von verklemmten BWL- und Jurastudenten mit Samenstau sowie hochnäsigen Pferdemädchen einladen oder gleich offen in Richtung der sogenannten Alternative für Deutschland torkeln.Was ist nur mit den Konservativen passiert? Jenen steifen Langweilern, die gegen vorehelichen Sex und Staatsschulden waren und Länder alles in allem kompetent, erhaltend und nach Westen gewendet regiert haben? Wann und warum wurden sie von einem Clownauto überholt, in dem so verschiedene und doch so ähnliche Leute wie Berlusconi, Trump, Johnson, Laschet, Kurz, der korrupte Benjamin Button Amthor und der Lügenbaron Guttenberg sitzen und das ungebremst auf einen Abgrund zurast?
Vielleicht sind sie einfach verschwunden.
Warum?
Die Konservativen haben die "Culture Wars" vernichtend verloren. Nicht einmal mehr JU-Kreisvorsitzende sparen sich noch für die Ehe auf (zumindest nicht freiwillig). Die Union denkt laut über eine Frauenquote nach. Gegen Schwule, trans Menschen und selbst viele Ausländer:innen haben auch CDU-Landräte nichts, solange sie nur brav Steuern zahlen und nicht zu "schrill" auftreten, wobei heutzutage eh manche vorgeblich extrem heterosexuelle Karnevalsveranstaltung um einiges schriller und dekadenter ist als viele queere Parties und die Steuermoral angeblicher Konservativer auch nicht mehr die beste. Kinder zu schlagen ist verpönt und sie bis zur Einschulung zuhause zu betreuen auch, was angesichts der ökonomischen Umstände der meisten Familien sowieso unmöglich oder nicht ratsam ist. Gegen "woke" angebliche Sprech- und Denkverbote regt sich einiger Widerstand, aber dieser speist sich eher aus populistischen und hitzköpfigen Alt-Right-Quellen denn aus einer wirklich konservativen Moral der Selbstentsagung, Disziplin, Sparsamkeit, geordneten Kernfamilie und untadeliger Höflichkeit. Sowas gibt es heute fast nur noch als Cosplay-Fassade z.B. eines Philipp Amthor, hinter der er wohlweislich zum einen korrupte Geschäfte macht und zum anderen versucht, in den sozialen Medien möglichst fresh zu wirken, weil er weiß, dass die Fassade allein wirklich niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Kurz, hier ist kein elektoraler Blumentopf zu gewinnen.
Die Konservativen haben sich zu sehr dem Neoliberalismus hingegeben, der ungenügend reguliert zu rohem Mammonismus degeneriert. Schielen auf Quartalsergebnisse statt langfristig vorausschauenden Wirtschaftens; Outsourcing, Asset-Light-Strategien und andere Methoden, um die kurzfristigen Unternehmensprofite zu erhöhen; die Finanzialisierung der Wirtschaft; das Forcieren einer ungezügelten Globalisierung und extremer Steuervermeidungs- und -hinterziehungsmodelle; und dergleichen letztlich politische Entscheidungen zum Handeln oder Nichthandeln mehr sind am Ende Gift für den betulichen Familienbetrieb mit einem traditionell konservativen Patriarchen an der Spitze, dessen Fabrik zwei Mittelstädte ernährt. Selbst im Grunde linke Sorgen wie sinkende Tarif- und Gewerkschaftsbindung erodieren im Wortsinne konservative, also bewahrende ökonomische, soziale und kulturelle Strukturen. Im sich so immer schneller drehenden Hamsterrad entwickeln sich Fliehkräfte, die die traditionelle Familie mit einem Alleinernährer auseinanderreißen, vorhersehbare Beschäftigungsverhältnisse mit einer goldenen Uhr und einer üppigen Betriebspension am Ende, stabile politische Verhältnisse durch limitierten globalen Wettbewerb und so weiter, alles Säulen konservativen Sentiments und entsprechender Wahlentscheidungen. Der Unwillen der Mitte-Rechts-Parteien, die Wirtschaft zu sehr zu "gängeln" bzw. sie durch Steuern und Vorschriften zu sehr zu "belasten", und ihr Dogma, dass der Markt regele, hat sie bei diesen Entwicklungen weitgehend tatenlos zusehen lassen, die nun ihre ideologische Basis so weit unterspült haben, dass sie jeden Moment zusammenzustürzen droht, was sie in vielen Ländern auch schon ist.
Und dann kommen noch weitere gesellschaftliche, historische und technische Entwicklungen hinzu, die gegen einen als moralisch aufrechte, fortschrittsskeptische, hierarchische, Bescheidenheit und Demut predigende usw. Ideologie verstandenen traditionellen Konservatismus wirken, teils vielleicht fatal: das Versterben der letzten Zeitzeugen des Faschismus; die Erosion christlicher Sündenmoral in einer immer pluralistischeren und säkulareren Gesellschaft; zunehmend ungehemmterer Konsum und Narzissmus und deren Präsentation auf immer mehr Plattformen fast ohne Schrankenwärter:innen; wachsende Individualisierung, Autoritätsskepsis und Unwilligkeit, sich und seine Bedürfnisse gleich welchen Ideen, Gruppen oder Zielen unterzuordnen; verbreiteter Wohlstand und Komfort und daraus folgend die einfache Erkenntnis, dass es viel angenehmer ist, im Diesseits dekadent zu leben, als sich für ein Jenseits aufzusparen, in dem man als höchstes Glück gerade mal als asexuelles Wesen beständig um Gott schwirren und sein Lobpreis singen kann.
Kurz gesagt, anders als die menschlichen Konstanten der Wünsche nach Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, die der Idee des Sozialismus bzw. der Sozialdemokratie zugrunde liegen, kann es gut sein, dass die Grundlagen des traditionellen Mitte-Rechts-Konservatismus christdemokratischer Art von der Geschichte überholt worden sind, weswegen er nun in Auflösung begriffen ist. Angela Merkel konnte dies für 16 lange Jahre geschickt verschleiern, weil sie durch ihre persönlich bescheidene Art, ihr implizites Versprechen, das Chaos der bitterlichen Aushandlung widerstreitender Interessen, das demokratische Politik inhärent ist, von den Unordnung und Unsicherheit über alles fürchtenden und hassenden Deutschen fernzuhalten, indem sie den Eindruck erweckte, sie kümmere sich schon darum, und ihre extrem flexible Übernahme populärer Positionen aus der Bevölkerung oder vom politischen Gegner (die aber wie z.B. beim Atomausstiegsausstiegsausstieg nach Fukushima oder der schandhaften Libyen-Enthaltung im UN-Sicherheitsrat das Gegenteil von konservativ war) für die Union Wahl nach Wahl gewinnen konnte. Doch nun, da sie in den Sonnenuntergang reitet, geschieht auch in Deutschland, was in Amerika, Großbritannien oder Österreich bereits passiert ist: die Präpotenten kommen. Die Nasskämmer:innen. Die Selbstbereicherer:innen. Die Regressiven, die Soziopath:innen, die Mammonist:innen, die Evangelikalen und vor allem die Proto-, Krypto- und manifesten Faschist:innen. Denn das ist, was in der Hülle des vormaligen Konservatismus wie Giftpilze gedeiht, nachdem er sich über die Zeit entkernt hat oder wie von Merkel absichtlich entkernt wurde, um Wahlen zu gewinnen:
- Macht um der Macht willen, also Soziopathie, weil zu regieren und die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen immer schon eine wichtige raison d'être der Konservativen war
- Faschismus von Alt-Right über Botho Strauß bis zur "AfD", weil dieser attraktiv und energetisch scheinbar traditionelle Werte verkörpert
- Historisch fiktionale MAGA-Regressivität, weil sie eine Rückkehr zu alten, geordneteren Verhältnissen verspricht, in denen Männer noch Männer waren usw.
- Mammonismus, weil er scheinbar gutes Wirtschaften darstellt und/oder
- Bloßer ästhetischer Gestus aka ich bin konservativ, weil ich mein Weinglas richtig halte, weil bloßer Schein immer noch besser ist als leeres Sein.
Lockt dich zu ihm
die lachende Lohe?
Fühl meine Brust auch,
wie sie entbrennt,
helles Feuer
das Herz mir erfaßt, -
ihn zu umschlingen,
umschlossen von ihm
in mächtigster Minne,
vermählt ihm zu sein!