28.07.2008
Kurzkritiken der Kulturproduktion
"Der Kick" dagegen, den wir auch mal gespielt haben, erzählt eine im Grunde kleine Geschichte eines Mordes in der brandenburgischen Provinz. Aber was der ausnehmend begabte Regisseur Andres Veiel und seine Schauspieler Susanne-Marie Wrage und Markus Lerch, die auch in der hier verlinkten abgefilmten Fassung des Stücks zu sehen sind, mit nichts als schwarzen Alltagsklamotten, einem Bauwagen und einer Holzbank daraus auffächern, ist erschütternd und großartig. Unbedingt ansehen!
"The Last Hero" ist eine wunderschöne Geschichte, in der alles stimmt, von den liebenswerten (Carrot) oder wenigstens beeindruckenden (Vetinari) Figuren über den fantasievollen Plot bis zu den herrlichen Illustrationen, an denen man sich kaum sattsehen kann. Aber warum wirkt dann "Making Money" vom selben Terry Pratchett so müde und die Geschichte so lustlos, und warum scheinen die Charaktere nur noch so zu heißen wie ihre geliebten Inkarnationen in früheren "Discworld"-Büchern, aber nun von nicht besonders begabten oder sympathischen Hochstaplern gespielt zu werden, selbst mein ewig bewunderter Havelock Vetinari? Ich traue mich kaum, es zu fragen, aber kann es sein, dass Pratchetts beginnender Alzheimer sich schon auf sein Schreiben auszuwirken beginnt? Hoffentlich bald gute Besserung!
"Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" von Walter Benjamin schließlich ist trotz seines Klassikerstatus ein in vieler Hinsicht typisch ärgerliches geisteswissenschaftliches Paper: Weder Abstract noch Zusammenfassung, weder klare Punkte noch präzise Begriffe erleichtern die Lektüre. Fast dreißig Seiten blubbert Benjamin, doch seine eigentliche Aussage lässt sich in einer tautologischen Zeile zusammenfassen: Die Einzigartigkeit von Kunstwerken geht verloren, wenn sie nicht mehr einzigartig sind. Das hätte ich auch schreiben können!
Soviel für diesmal.
27.07.2008
Banned
Anna Kühnes Blog kennen die Leser dieser Holzkiste hier vielleicht noch aus einer Empfehlung im März letzten Jahres, obwohl ich mittlerweile gemerkt habe, dass jener schöne Artikel gar nicht von der Blogmistress selbst ist.
Was ich seither auch gemerkt habe, ist, dass Anna Kühne ein, zartfühlend formuliert, ambivalentes Verhältnis zur objektiven Realität hat. So glaubt sie zum Beispiel an 9/11-Verschwörungstheorien.
Und boy, ist das Kryptonit für mich. Boy. Ich bin Atheist, aber wenn ich eine Religion habe, dann die Wissenschaft. Weil die Wissenschaft das Leben besser macht. Weil Wissenschaft heißt, dass weniger Menschen in kalten Höhlen an unbehandelten Säbelzahntigerwunden sterben müssen, und mehr Menschen ihr erstes Lebensjahr überleben. Wissenschaft ist angewandtes Mitgefühl.
Man muss das nicht aktiv honorieren, nicht selbst Wissenschaftler werden oder sowas, man kann auch ruhig die Gefahren der Wissenschaft beschwören, stimmt ja sogar manchmal, denn passive Nutzung der unglaublichen Früchte der wissenschaftlichen Methode scheint mir Ehrbezeugung genug, qui tacet consentire videtur, und wer unser modernes Utopia auf Erden ablehnt, kann ja immer noch zurück in die Höhle ziehen und mit 35 sterben.
Aber bei Gott, man kann nicht die Prinzipien ablehnen, auf denen die Wissenschaft fußt, und das auch noch als Gipfel aller Gipfel der Heuchelei mit Mitteln, die nur existieren, weil es diese Prinzipien gibt, wie Videokameras und Computer. Ich möchte jeden mit voller Wucht ohrfeigen, der nur lebt, weil es diese Prinzipien gibt, und nicht mal den gottverdammten grundlegenden Anstand hat, sie wenigstens f'ing zu kennen, sie, die ihm jeden Tag, Sekunde für Sekunde reinsten weißen Zucker ins Rektum blasen. Ich möchte jeden mit härtesten Gammastrahlen beschießen, der glaubt, 250 Kilo schwer im Aragorn-Shirt in Mamas Keller sitzend, mit seinem Abschluß in Mythologie und englischer Literatur definitiv anhand körniger YouTube-Videos in 320x240 entscheiden zu können, dass WTC 7 gesprengt wurde, weil es, arrgh, arrrrrrrrrrgh, bekanntlich keine einfachere Methode gibt, die zahllosen minutiösen Dokumente und Protokolle der ultrageheimen jüdisch-freimaurerischen Terrorverschwörung verschwinden zu lassen, als das Gebäude, in dem sie gelagert wurden, am Nachmittag in die Luft zu jagen, Stunden, nachdem die beiden Türme nebenan eingestürzt sind, arrrgh. Das gibt noch nicht einmal menschlich Sinn, geschweige denn nach den wissenschaftlichen Prinzipien der Objektivität und Logik.
Diese Prinzipen sagen nichts Anderes, als dass A gleich A ist oder 2 + 2 = 4, "1984" ist eins der besten Bücher, das es gibt, und Orwell ein Genie. Wenn man sich einig ist, dass A = A ist, wenn es also Vergleichbarkeit gibt und Überprüfbarkeit und ein gemeinsames Fundament, auch wenn es immer löchrig sein wird, danke Gödel, Du Arsch, Du Genie, dann entsteht Wissenschaft, dann entsteht Freiheit.
Und umgekehrt heißt, sie abzulehnen, zu sagen, dass A gleich B ist oder gleich Zwetschgendatschi, Dank an meine Grundschulmathelehrerin für dieses Mem, oder dass 2 + 2 = 5 ist und Krieg Frieden, jede gemeinsame Grundlage aufzukündigen, jede Möglichkeit der Verständigung abzulehnen, also Aberglaube, Tyrannei, die Höhle. Wenn es keine objektive Realität gibt, auf die man sich einigen kann, Argumente also keine Macht haben, wer sagt, dass der große Skarabäus nicht die Sonnenkugel über den Himmel rollt, gibt es nichts mehr als das Recht des Stärkeren, nichts mehr als seinen Terror. Orwell war wirklich ein f'ing Genie.
Allein aus ihrer Selbsterhaltung heraus sollte man also meinen, dass Anna Kühnes Aufforderung, eine Gegenmeinung zur Darstellung des "Muslim-Marktes" über Samir Kuntar und seine Taten einzustellen (wir erinnern uns, Samir Kuntar, der verurteilte Kindermörder), ernst gemeint und ihr Wissensdurst echt ist, zumal der "Muslim-Markt", erneut zartfühlend formuliert, keine sehr neutrale Quelle ist.
No dice. Dieser mein Kommentar wurde schnellstmöglich gelöscht und ich verbannt. Ich akzeptiere die Idee des digitalen Hausrechts, auch wenn in meinem Internetheim von mir aus jeder so wüten darf, wie er will, unter anderem deshalb, weil ich in über zehn Jahren online noch keinen größeren Gorilla getroffen habe als mich und von den fast gleich starken Affen mit am meisten gelernt habe, doch falls ich wie in meinen ebenfalls gelöschten Kommentaren zu Anna Kühnes 9/11-Aberglauben zu schnippisch oder bösartig war, soll sie mich ruhig löschen und bannen, es tut mir im Interesse größerer Überzeugungskraft manchmal auch ganz gut, die Gammastrahlenkanone gestopft zu kriegen.
Aber trotzdem ist Samir Kuntar ein verurteilter Mörder.
Hell, man sieht im Yediot-Aharonot-Report ja buchstäblich noch die Gehirnmasse der kleinen Einat Haran am Gewehr kleben. Und gleich wer sie in welchem Ton vorträgt, diese Wahrheit bleibt eine Wahrheit, und es ist wie schon bei den 9/11-Fantasien unglaubliches Kryptonit für mich, dass es Menschen gibt, denen diese Wahrheit nicht zugänglich zu sein scheint, die lieber an komplett gekaufte Richter und Pathologen, Hologrammflugzeuge und zur Aktenvernichtung gesprengte Hochhäuser glauben als daran, dass A = A ist.
Denn wenn das auch nur für eine spürbare Minderheit in diesen oder anderen Fällen der Fall ist, welche Hoffnung gibt es dann, sie jemals mit der Macht der Worte und dem zwanglosen Zwang des besseren Arguments zu überzeugen? Welchen demokratischen Instrumenten sind sie zugänglich? Welche andere Wahl gibt es dann, als sie mit dem Schwert zu zwingen? Wie soll man einem Geist, der sich nur dem Recht des Stärkeren beugt, anders begegnen als mit Gewalt? Muss man Krieg führen, um Frieden zu gewinnen?
Und sei es nur insoweit, einen kleinen Kommentar zu einem anklagenden Eintrag aufzublasen?
Vielleicht ist das das grundlegende Problem jeder Politik, jeder Gesellschaft. Und vielleicht muss die Antwort Ja lauten, mit Vorsicht und nie leicht, aber eindeutig Ja. Barack Obama:
I'm left then with Lincoln, who like no man before or since understood both the deliberative function of our democracy and the limits of such deliberation. We remember him for the firmness and depth of his convictions — his unyielding opposition to slavery and his determination that a house divided could not stand. But his presidency was guided by a practicality that would distress us today, a practicality that led him to test various bargains with the South in order to maintain the Union without war; to appoint and discard general after general, strategy after strategy, once war broke out; to stretch the Constitution to the breaking point in order to see the war through to a successful conclusion. I like to believe that for Lincoln, it was never a matter of abandoning conviction for the sake of expediency. Rather, it was a matter of maintaining within himself the balance between two contradictory ideas — that we must talk and reach for common understandings, precisely because all of us are imperfect and can never act with the certainty that God is on our side; and yet at times we must act nonetheless, as if we are certain, protected from error only by providence. That self-awareness, that humility, led Lincoln to advance his principles through the framework of our democracy, through speeches and debate, through the reasoned arguments that might appeal to the better angels of our nature. It was this same humility that allowed him, once the conversation between North and South broke down and war became inevitable, to resist the temptation to demonize the fathers and sons who did battle on the other side, or to diminish the horror of war, no matter how just it might be. The blood of slaves reminds us that our pragmatism can sometimes be moral cowardice. Lincoln, and those buried at Gettysburg, remind us that we should pursue our own absolute truths only if we acknowledge that there may be a terrible price to pay.
Wohlan denn.26.07.2008
Ausgewählte Ärgernisse
Aber fuck, ist die "Welt" reaktionär. Fuck.
Nacktfotos von Models, Pamela und Mapplethorpe sind pornographisch. Die glücklich verheiratete Entenmutter Schiffer leidet nicht unter "Emanzipationspanik". Doch Frauen entwickeln nach Gesprächen mit ihren Freundinnen gerne lächerliche Moralpaniken.
Ach so, das war übrigens alles in einer Ausgabe. Aber aus welchem Jahr?
Apropos 1958, der "Comedian" Mario Barth hat vor kurzem 70.000 Zuschauer ins Berliner Olympiastadion gezogen.
Fuuuuuuck. Ich meine, fuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuck.
Als der Führer dort aufgetreten ist, hatte er wenigstens Niveau. Und Pointen. Und hat was Neues gesagt. Sicher, die Neuigkeiten hatten viel mit tyrannischer Weltherrschaft zu tun, und die Pointen handelten meistens von Juden und Bolschewiken oder auch mal von jüdischen Bolschewiken oder bolschewistischen Juden, und das Niveau war das aktuelle der Reichswehrtechnik, aber ist das nicht trotzdem besser, auf böse Weise sinnvoller, erfüllender, anregender, als einem Berliner Hanswurst beim Recital der ältesten Klosprüche und dümmsten Vorurteile zuzujubeln? Huhuhahaha, Schwarze und Weiße sind so verschieden! Brahahaha, wir werden uns nie verstehen! Hehehe, die fressen immer Wassermelonen!!
Disclaimer für meine Kanzlerkandidatur: Der vorhergehende Absatz stellt keine Befürwortung des "Dritten Reiches" dar. Aber eine bestimmt justiziable Verunglimpfung Mario Barths. Was ist schon ein richtiger Kanzlerkandidat ohne ein cooles Outlaw-Image?
Der hier, das ist ein Komödiant, der den Namen verdient. Nur ein Mann und ein Mikro, aber unendlich witzig, unendlich erfüllend, unendlich anregend, Weißclown und August in einem, den ganzen Widersinn und alle Unmenschlichkeit der conditio humana in nur zwei, drei Sätzen sezierend. Warum ist George Carlin gestorben, und Barth lebt??
Schließlich: Dieser Werbespot macht die Runde, und ich habe damit die Gelegenheit, wieder aktuell zu sagen, was mich am Phänomen Paul Potts stört.
Er kann nicht besonders gut singen.
Sicher, für die Amateuroper von Bath reicht es, und das soll keine Herabwürdigung sein, dieser Autor trifft beim Singstar noch nicht mal auf "Einfach" die Töne, aber Potts ist eben kein besonders guter Opernsänger, so wie die Stuttgarter Kickers auch keine erstklassige Fußballmannschaft sind, seufz. Dass das Publikum im Studio und vor der Glotze in gänsehäutige Verzückung gerät, ist daher nur zu einem Teil ihm anzurechnen, zum größeren Teil aber Puccini und Adami/Simoni, deren Töne und Worte den modernen, klassikentwöhnten Zuhörern, die etwas erstaunlicherweise selbst eine der ausgeleiertesten, unter anderem ausgiebig von einem gewissen Luciano Pavarotti bearbeiteten Arien wie "Nessun dorma" nicht zu kennen scheinen, offenbar wie Himmelsbrote schmecken.
Aber so klingt Puccini halt. Und er ist jetzt auch schon fast 84 Jahre tot, Zigarren Kette zu rauchen macht zwar eine dicke Hose, aber ein kurzes Leben. Und seine Opern und Arien wurden und werden nicht gerade selten gespielt, um es vorsichtig zu formulieren, hell, selbst das deformierte Bastardkind von Gilbert und Sullivan, also das Musical, spielt in "Miss Saigon" nur "Madama Butterfly" und in "Rent" "La bohème" nach (und das schlecht), Andrew Lloyd Webbers großzügige "Inspiration" des "Phantom of the Opera" durch "La fanciulla del West", überhaupt seines gesamten Gesamtwerks durch den Maestro nicht zu vergessen. Es ist auch nicht so, als ob das alles Geheimwissen wäre und als ob man Opern nur auf Grammophonwalzen kaufen könnte.
Was also beklatschen die Pottsfans anderes als ihre eigene Ignoranz?
Was verkauft die Telekom anderes als eine leidliche Kopie eines Monet an ein Publikum, das noch nie ein Gemälde gesehen hat, während woanders zehn Picassos verhungern?
Und muss man solche Travestien der Kulturgeschichte in der vagen Hoffnung gutheißen, dass sich ein oder zwei Kabelfernsehzuschauer einmal in ein echtes Opernhaus verirren? Sind die Mittel, solange der hehre Zweck der Kulturförderung verfolgt wird, also egal?
Na, vielleicht.
25.07.2008
Putin
Seriously, "es ist auch eine Rückkehr nach Hause" sagen, bei seinem ersten Besuch als russischer Präsident in f'ing Dresden, der Stadt, in der er fünf Jahre als Agent des f'ing KGB für die f'ing Sowjetunion gearbeitet hat, das Reich des Bösen? Der Mann hat Eier.
Den erstaunlich günstigerweise fast genau gleichzeitig mit Beginn seiner Amtszeit als Premierminister durch
Beslan als Vorwand, um das Führerprinzip für Regionalgouverneure einzuführen, mit 363% mehr Korruption? Oligarchen nach Sibirien verbannen, kritischen Journalisten durch Satrapen in den Kopf schießen und Dissidenten wie Blofeld mit Polonium vergiften lassen, und wenn ein westlicher Politiker all seinen wenigen Mut zusammennimmt und ihn dafür schüchtern kritisiert, ihn in einer halben Sekunde mit messerscharfem Witz und intimstem Detailwissen über demokratische Verfehlungen im Heimatland des Politikers rhetorisch wie diplomatisch mit kaltem Lächeln für immer schachmatt setzen, pardon the pun, Garri? Den Buchstaben des Gesetzes befolgen, mit der linken eine Handpuppe zum Präsidenten machen und mit der rechten tatsächlich behaupten, nichts als ein paar Aktien und zwei alte Autos zu besitzen, zwei f'ing Wolgas? Und mit all dem durchkommen? Gar ein f'ing "lupenreiner Demokrat" genannt werden? Der Mann ist ein Genie. Der mit Abstand unterschätzteste Staatsmann des beginnenden 21. Jahrhunderts. Und der gefährlichste.
Mehr hier.
Ein guter Pokerabend
Uh-oh, und schon wieder ein neuer Skandal für meine Kanzlerkandidatur.
Also sagte ich freudig zu, als es letztes Wochenende mit M. zu einer neuen Runde gehen sollte, Zwei-Euro-Buy-In-Cashgame zu sechst ganz in der Nähe von zuhause.
Ich bin mit 9,52 Euro Gewinn heimgetorkelt, die Unmengen an Bier, Wein und (Kartoffel-)Chips in meinem Magen nicht mitgezählt.
Tell-Broadcasting wie auf einem Fernsehturm. Calling meiner Nuts, zwanghaft wie kleine Rain Men. Alle Draws getroffen und keiner geglaubt. Und wenn ich doch mal weniger hatte als der Gewinner, dank mausiger Wetten vor größeren Verlusten bewahrt. Am Ende durch pure Gravitationskraft noch die letzten Chips auf meinen riesigen Berg gezogen und zwar vielleicht nicht die Sympathie der sehr netten Mitspieler gewonnen, aber ihr Geld. Und wenn es ein Ziel beim Pokern gibt, dann dieses.
Möge es immer so sein!
19.07.2008
Faust
Nun hat die Hisbollah die Soldaten im Austausch für den Terroristen Samir Kuntar und vier Hisbollah-Milizionäre freigelassen.
Aber eigentlich trifft es "freigelassen" nicht so ganz, weil Goldwasser und Regev wohl schon seit zwei Jahren tot sind, was der Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, um Verhandlungsmacht zu gewinnen, bis zur Übergabe geheimgehalten hat, und die israelischen Behörden etwas schockierenderweise die ganze Zeit nicht gewusst zu haben scheinen. Ich sagte doch, die Hisbollah ist f'ing hocheffektiv.
Samir Kuntar hat übrigens einen 32-jährigen Mann, Danny Haran, vor den Augen seiner vierjährigen Tochter Einat hinterrücks erschossen und dann den Kopf des Kindes auf Strandfelsen mit dem Kolben seines Gewehrs zerschmettert. Hassan Nasrallah hat zu seiner Begrüßung Banner und Flaggen aufgehängt, ihn geknutscht und umarmt und gesagt, dass die Zeit der Niederlagen vorbei und die der Siege gekommen sei. Das ist, was der Nahostkonflikt ist. Das ist es.
Dem nächsten, der mir darum sagt, dass er "auch mal" Israel kritisieren möchte, werde ich einen Faustschlag versetzen.
Zur Feier des 500.
17.07.2008
Maximal viel Minikritik
"I now pronounce you Chuck & Larry": Weil niemand außer Adam Sandler Adam Sandler abnehmen würde, dass er ein unersättlicher Don Juan sein könnte, produziert Adam Sandler eben einen Film, in dem Adam Sandler ein unersättlicher Don Juan ist. Aber auch ein recht sympathischer Träger einer schön menschlichen Botschaft, und mit einem witzigen Kevin James und einer ihren Job hervorragend erfüllenden Jessica Biel sind die fast zwei Stunden trotz gelegentlicher Scherzniederlande nicht verschwendet.
Ich wünschte nur für meine geliebte Winona Ryder, ich könnte dasselbe über "Mr. Deeds" sagen. Seltsamerweise kenne ich damit fast alle Adam-Sandler-Filme, weil mich ihre originellen Prämissen immer wieder anlocken und ich dabei immer wieder aus unerklärlichem Grunde vergesse, dass hinter ihnen meistens nur schale Kalauer, krude Genitalscherze, verlogene Sentimentalitäten und ein opportunistisch an hübschen Schauspielerinnen rumfummelnder Sandler stecken, so leider auch hier. Was nur hilft gegen diese Art der Amnesie?
Doch apropos Noni, "Edward Scissorhands" ist absolut klasse! 'Nuff said.
"Free Rainer"? Not so much. Man lacht zwar über die völlig überzeichnete (?) Darstellung der dauerkoksenden Fernsehmacher, gipfelnd in uns Moritz' rasender und sehr lustiger Amokfahrt durch die Stadt, aber im Rest des Films hätte es dann doch etwas mehr als den dünnsten Aufguss aller der Menschheit bekannten Revolutionsklischees in dozierendem Ton und mit dem Holzhammer hinterm Rücken geben dürfen, dankeschön.
"Tri orísky pro Popelku" ("Drei Haselnüsse für Aschenbrödel"), natürlich zu Weihnachten im Kreise der Familie gesehen, ist dagegen wieder vollständig beglückend: Die sympathisch und sorgfältig handgemachte Produktion, der so gutaussehende wie hohle Prinz, die wahnsinnigen Kopfbedeckungen der bösen Schwiegermutter und allem und allen voran die liebenswerte und lebendige Libuše Šafránková als Titelheldin erschaffen ein rundum tolles Märchen zum Vergnügen ihrer Zuschauer jeden Alters.
Auch "I am Legend" lässt sich hoffnungsfroh an, und die erste Hälfte, in der sich Will Smith mit seiner Schäferhündin durch ein menschenleeres New York schlägt, ist tricktechnisch wie schauspielerisch und erzählerisch sehr beeindruckend. Leider bleibt er nicht allein, und damit fängt das 08/15 an und das Pathos und die Plotlöcher und die Explosionen für die Kernzielgruppe der pickligen 13- bis 15-Jährigen. Schade für alle Älteren.
"The Princess Bride": Warum hat mir niemand früher von diesem perfekten Märchen erzählt? Dieser großartigen Komödie? Dieser schmelzenden Romanze und diesem wunderbaren Abenteuerfilm? Diesem atemberaubenden Debüt von Robin Wright und diesem endlosen Zitatenschatz? Diesem ...
"There's something about Mary". Ich kannte den echt noch nicht! Aber eigentlich habe ich damit bis auf eine schöne Cameron Diaz und die eher überflüssige Erfindung der Fäkalkomödie inklusive eines Hundes, der einen Mann in die Genitalien beißt, Penisamputation hahaha!, auch nichts verpasst.
"The Big Lebowski" war dagegen eine echte, klaffende Bildungslücke. Seither trinke ich immer White Russians.
In "Glengarry Glen Ross" passiert eigentlich nicht so viel. Die meiste Zeit sitzen nur unglaublich großartige Schauspieler wie Jack Lemmon und Kevin Spacey an Tischen und reden miteinander über Immobilienverkäufe. Einer der besten Filme, die ich je gesehen habe.
Auch nicht schlecht, weil eine angenehm schräge Exploration des Andersseins: "Napoleon Dynamite".
"Cloverfield": Die Idee, einen aufwendigen Monsterfilm komplett mit Abrams-Panzern, B-2-Bombern und einem sehr glaubwürdig halb vernichteten New York ganz aus der Perspektive einer Handkamera panischer Städter zu zeigen, ist großes Kino. Das Problem ist, dass der die Handkamera haltende Hipster und seine Freunde komplett unerträgliche, gefühlstote und bis ins Endstadium wohlstandsverkrüppelte Menschenhüllen sind, denen man nach der ersten Minute einen grausamen, grausamen Tod wünscht. Zum Glück enttäuscht der Film wenigstens in dieser Hinsicht nicht. Ansonsten: What he said.
"Kuch Kuch Hota Hai": Ich habe halt in meinem Herzen einen besonderen Platz für Bollywood, so what? Wer könnte denn auch drei Stunden schwerem emotionalen Artilleriefeuer widerstehen, und Kajol? Wer wollte es?
"Rounders": "That's a position raise, I call." Wer Poker verstehen will, muss diesen Film sehen. Erklärt von Matt Damon, John Malkovich, Edward Norton, Gretchen Mol, John Turturro, Famke Janssen ...
"Funny Games U.S.": Ach, Haneke. Ach Haneke, fuck you. Ja, wäre ich ein berühmter Regisseur, würde ich auch alle meine alten deutschen Filme mit Naomi Watts und Tim Roth nachdrehen, obwohl das Original mit Susanne Lothar und dem armen toten Ulrich Mühe auch nicht schlecht gespielt sein soll, aber heh, Naomi Watts. Und auch Michael Pitt, den ich ja seit Bertoluccis wunderschöner Altmännerfantasie "The Dreamers" liebe, Michael Pitt mit seiner unglaublichen Kinofresse, seinem Cherubgesicht, seinen Augen, die schon alles gesehen haben, macht seine Sache mehr als gut, genauso wie einer meiner Lieblingskameramänner, Darius Khondji.
Aber der Film ist ganz große Kaka.
Haneke will zeigen, dass Gewalt böse ist, Böööööse mit einem großen B und ganz vielen ö. Dass sie furchtbare Folgen hat und tiefste Narben an Körper und Seele hinterlässt. Dass sie sich darum nicht fürs Entertainment eignet, und dass jeder, der sie dennoch konsumiert, ein mindestens genauso verkommenes Subjekt ist wie die psychotischen Verbrecher in seinem Film, und dem darum eine Katharsis genauso fast buchstäblich mit dem deus ex machina verweigert werden muss wie eine konventionelle Dramaturgie und ein Soundtrack. Kurz, Haneke dreht einen Porno ohne Cumshot und regt sich dann darüber auf, wenn man trotzdem einen hochkriegt.
Aber Haneke, Du Arschloch, wo ich einen hochkriege und warum, ist meine Sache, und wenn es mit Banana Split beschmierte transnistrische Shemales sind. Das heißt weder, dass ich in echt mit einem Eisbecher nach chicks with dicks jage, noch dass ich in irgendeiner Form verroht oder degeneriert bin, warum f'ing auch, und ich werde wütend, ziemlich wütend, wenn man mir das a priori unterstellt und dazu auch noch, Gipfel der Heuchelei, die Mittel nutzt, die man doch verdammen will. Weil das in zehn Meter großen Buchstaben besagt, dass nur ich, der Großregisseur Michael Haneke, fähig bin, Fakt und Fiktion zu trennen und mit dem Gefahrgut zu hantieren, der gemeine, ungewaschene Pöbel dies aber keinesfalls kann und daher vor sich selbst geschützt werden muss, durch Lehrfilme wie "Funny Games". Es ist also aristokratisches Denken, das den Film beseelt, und abgesehen davon, dass die Franzosen schon vor bald zweihundertzwanzig Jahren gezeigt haben, was man am Besten mit Aristokraten macht, führt die vermessene Aneignung des Bööööösen, um dessen Bosheit zu zeigen, auch nicht zur erhofften Erkenntnis, sondern gerät nur zu einer leidlich interessanten und uneleganten Subversion von Thrillerkonventionen. Weil Gewalt im Kino vor allem Gewalt im Kino ist, und wenn Haneke mehr Zeit unter Menschen statt vor seinem Spiegel verbringen würde, würde er das auch wissen. Schade um die schönen Schauspieler.
"Terminator: The Sarah Connor Chronicles" schließlich hat für mich alten Cyborgfan bis auf Ahnuld alles, was ein Terminator haben muss, und das in Serie: krachende Action, atemlose Spannung, moderne Tötungstechnik, eine fantastisch toughe Sarah, gespielt von einer ebenso fantastischen Lena Headey, und hübsch anphilosophisierte Voiceovers zum nochmal drüber Nachdenken. Und selbst die Abwesenheit des Gouverneurs von Kalifornien macht Summer Glau mehr als wett: Wenig ist sexier, als einem zierlichen 1,70-Mädchen dabei zuzusehen, wie es zwei Meter großen Kampfrobotern aus der Zukunft das Genick bricht, und wenig furchterregender, als in ihr schönes leeres Puppengesicht zu blicken. Mehr davon!
10.07.2008
Pauline mit den Zündhölzlein
Die Eltern sehen nicht sehr glücklich aus. Mehr noch, sie entscheiden sich, ihre Probleme mit der ganzen Straßenbahn zu teilen, indem sie sie in jammerndem Ton unüberhörbar diskutieren, und auf eine Art, die andeutet, dass sie schon einmal gehört haben, was für Instrumente der Konfliktbewältigung es gibt, Verbalisierung, Vernunft, Vermeidung von Anklagen und so weiter.
Sie können nur überhaupt nicht damit umgehen.
Sie sind wie die vierjährige Tochter, die an Papis Skalpell gekommen ist und es zum Haareschneiden ihrer Barbies nutzt. Sie sind wie der neunjährige Sohn, der aus Trotz die verbotene Stihl 441 aus dem Schuppen geklaut hat und sie neben der alten Eiche anwirft, obwohl er die Säge kaum tragen kann. Man möchte zu ihnen stürzen, das tödliche Werkzeug wegreißen und sie aus purem Entsetzen ohrfeigen, wofür man sich noch Jahre später schämen wird. Man möchte sie umarmen und weinen und sie eindringlichst bitten, das bloß nie nie nie mehr zu tun. Und ihnen dann ein Eis kaufen.
Wäre es nur so einfach.
02.07.2008
Videoabend 8: Telekolleg
I'm gonna fuck your mom.
Ein Karikaturist erzählt faszinierend von seiner Arbeit.
Marions Köder. Kein Kommentar, oder ich komme in den Knast.
Randy Pauschs letzte Vorlesung in Kurzform. Was aus dem Wahlkampf, dem amerikanischen: Hillarys 3 a.m.-Mädchen wählt Obama, Obama selbst spielt und spricht sympathisch über Basketball und ziemlich beeindruckend über Rassismus und Reverend Wright. Batman kommentiert die Wahl, Reverend Moon wirkt verrückt hinter den Kulissen, "Big Joooooohn" wird besungen, der Weg in den Krieg im Detail gezeigt, und die CBS-Reporterin Lara Logan berichtet unglaublich bewegend, unglaublich tough und unglaublich sexy, was denn?, aus Afghanistan und dem Irak.
Gegen Ende ein wenig Musik. Kermit der Frosch singt "Hurt": Schließlich, ähm, sind diese beiden Artikel über weibliche Ejakulation f'ing faszinierend, und dieses Lehrvideo über, hemm, Tacoessen ist nicht nur fantastisch instruktiv, sondern auch extrem, heh, sättigend. Frohes Pauken!
MEPHISTOPHELES
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
01.07.2008
Zehnjähriges Klassentreffen
Das dachte ich und daran, dass meine ehemaligen Mitschüler und andere frühere Wegbegleiter nach und nach alle ins meinVZ und nach Xing wechseln und mir Fotos von ihrer Hochzeit "nach mehr als acht gemeinsamen Jahren" schicken, soll ich sagen, wieviel bei mir vor acht Jahren in der Liebe gelaufen ist, oder erzeugen zu große negative Zahlen doch kleine schwarze Löcher wie vielleicht der LHC, und dass ich nicht nur weiß, wofür diese Buchstaben stehen, sondern auch aus dem Handgelenk massig Witze über das Higgs-Boson schütteln kann, haha, ist vielleicht ein Grund für dieses Defizit.
Das dachte ich, Defizit, und ging mit klopfendem Herzen, aber im Hennes & Mauritz-Poloshirt zum Waldheim, und als ich um die Ecke des Schuppens bog, vor dem wir grillen wollten, war es überwältigend:
normal.
Keine Hubschrauber. Keine Maßhemden. Keine goldgelockten Töchter mit Engelsgesichtern und Schleifchen im Haar. Die meisten hatten es noch nicht einmal aus Baden-Württemberg herausgeschafft. Andererseits auch keine entstellenden Narben, keine Frontgeschichten tödlicher Rosenkriege, keine kleinen Monster mit Läusen im Haar und einem Kartoffelsack am Leib. Die meisten sahen bis auf ein paar Pölsterchen hier und da, von denen dieser Autor dank seiner kruppstählernen Fitness natürlich und auf jeden Fall verschont geblieben ist, noch nicht einmal viel anders als zu Abizeiten aus und haben sich entsprechend schnell zu den alten Cliquen formiert.
Vielleicht lag das daran, dass die Rosenkriegler kein Geld hatten, um, und die Wichtigen Leute Besseres zu tun, als in die alte Heimat zurückzukehren, aber auch die anwesenden Promovierten, Afrikadienstreisenden und Großstadtapartmentbewohner, und eine hatte sogar schon zwei Kinder und einen Hund, haben nicht nur nicht mit dem Finger auf mich oder einander gezeigt, zeigen eh drei auf den Zeiger zurück, sondern sogar über meine Witze gelacht, wurde das Higgs-Boson nicht neulich von der Putzfrau Maria de Santa Rosa hinter einer Kommode in Notting Hill entdeckt? Ganz so, als wären wir alle nur Menschen, die versuchen, dieses Leben zu verstehen.
Und glücklich zu werden.