Das Buch: Hey! Ich bin "Gott - Eine kleine Geschichte des Größten". Mein Autor Manfred Lütz ist Mediziner, Theologe, Philosoph und Psychologe und verspricht, alle wichtigen Argumente für und gegen die Existenz Gottes in einem historischen Überblick, mit klarer Sprache und sogar etwas Witz darzustellen. Interessiert?
Ich: Naja, eigentlich habe ich ja nicht so viel mit Gott am Hut, aber ich gebe zu, dass die theoretischen Fundamente meines Atheismus etwas Betonunterspritzung brauchen könnten. Ich schaue mal rein.
Das Buch: Musik und Kunst lassen uns das Erhabene spüren, ist es nicht so?
Ich: Das stimmt.
Das Buch: Psychologie ist wissenschaftlich bisher nicht besonders wasserdicht, und darum wäre es fahrlässig zu sagen, der Glaube an Gott sei nur eine psychische Störung, selbst wenn der Herr nicht existiert. Und umgekehrt wird eh ein Schuh daraus.
Ich: Da hast Du wohl recht, liebes Buch.
Das Buch: Ludwig Feuerbach meinte, Gott wäre die Projektion all unserer Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen, die uns angesichts des Nichts und des Leids beruhigt.
Ich: Hey witzig, das wusste ich bisher schändlicherweise noch nicht. Aber Feuerbachs Gedanken hatte ich zum ersten Mal mit dreizehn. Ich hätte halt doch zweihundert Jahre früher geboren werden sollen, wann sonst soll ich je "Heda, Stallbursch!!" rufen dürfen?
Das Buch: Äh ... ja. Aber unbenommen der möglichen Richtigkeit des Feuerbachschen Arguments könnte Gott doch trotzdem existieren.
Ich: Sicher.
Das Buch: Nun weiter. Pascal hat ja mal seine berühmte Wette aufgestellt. Sie "überzeugt auch heute noch zweifelnde Menschen".
Ich: Äh ... hat die Pascalsche Wette nicht klaffende logische Löcher, durch die man bequem die "Queen Mary 2" quer schieben könnte? Sie ist 345 Meter lang ...
Das Buch: Wie? Ich höre so schlecht, ich habe nämlich keine Ohren! Jedenfalls überzeugt Pascals Wette auch heute noch zweifelnde Menschen, das darfste so zitieren.
Ich: ...
Das Buch: Atheismus ist oft aus Affekt gegen die vermeintlichen Exzesse der Kirche entstanden. Diese Atheisten sind ohnehin komische Kauze und haben oft keine Moral, wie der Marquis de Sade.
Ich: Könnte man de Sade nicht auch als etwas radikalen Freiheitskämpfer sehen? Und was hat es eigentlich mit der Frage der Existenz Gottes zu tun, was für Menschen die alten Atheisten waren? Gilt nicht mehr das Argument, das Du gegen Feuerbach verwendet hast?
Das Buch: Wie? Was? Hat da wer was gesagt? Wie dem auch sei, Nietzsche sagt, dass ohne Gott der Übermensch regieren und alle Schwächlinge zerquetschen wird, willst Du das? Im Übrigen sind durch die Quantenmechanik biblische Wunder durchaus möglich, ecco!
Ich: Ist das nicht sowohl ein geradezu groteskes Fehlverständnis der Quantentheorie als auch eine perfide Schwarzweißmalerei der Folgen von Nietzsches Argumenten? Tertium wirklich non datur?
Das Buch: Latein kann ich auch nicht. Jedenfalls haben Kinder eine eigene Sicht auf die Welt, die nicht schlechter sein muss als die der Erwachsenen, sie ist nur anders. Und "Kinder sind keine Atheisten", da! Sie riechen nämlich noch nach der Schöpferhand Gottes.
Ich: Mag ja sein, aber wofür war das jetzt nochmal genau ein Beweis? Ich glaube langsam eine ziemlich unerquickliche Tendenz in Dir wahrzunehmen, Buch.
Das Buch: Tendenzen? Ich? Nie!! Übrigens, die Azteken haben noch bis kurz vor dem Eintreffen der Spanier grausam Menschen abgeschlachtet, die Hindus haben eine "abstoßende" Unmenge von Göttern, und der Buddhismus befasst sich eigentlich nur mit der Existenz des Menschen und bietet ansonsten nur das Nirvana, das heißt soviel wie "Nichts", sind die nicht spinnert? Und ach so, Galilei war ein eitler Fatzke, und dieser Allah ist ein ziemlich ungemütlicher Kerl, findest Du nicht?
Ich: Ähh ... mutig?
Das Buch: Doch kommen wir nun zu den versprochenen Gottesbeweisen.
Ich: Na endlich, ich bin schon ganz kribbelig, und meine Faust fängt an zu zucken.
Das Buch: Thomas von Aquin hat im 13. Jahrhundert gesagt, dass jede Bewegung Folge einer anderen Bewegung ist. Am Anfang muss aber etwas Unbewegtes stehen, das bewegt. Dito für Wirkungen. Außerdem muss es etwas geben, das Etwas war, als alles Nichts war, da aus Nichts nichts entstehen kann, und etwas, das der höchste Superlativ ist, da es sonst keinen Vergleichsmaßstab gäbe, und etwas, das unbeseelte Körper auf ein Ziel hin wirken lässt, und dies alles nennen wir Gott. Ein heutiger französischer Philosoph meint, diese Beweise hielten bis heute "jeglicher" Kritik stand.
Ich: WTF? Jeder Fünftklässler frisch aus der Deutschstunde kann diese logischen und linguistischen Taschenspielertricks auf einem halben Blatt holzfreien Karopapiers widerlegen! Was ist das für ein Schrott?
Das Buch: Die Theodizee spielt übrigens keine Rolle, wg. Freiheit des Menschen usw.
Ich: WTF?!? Was hat es mit meiner Freiheit zu tun, wenn ich in einem Erdbeben zerquetscht werde?
Das Buch: Dein Leid ist eine Bewährung für das Paradies, mein Sohn.
Ich: Das ist doch keine Beantwortung der Frage, sondern das Unterschieben der unbewiesenen Behauptung der Existenz des Paradieses! Und selbst wenn es den Garten Eden gäbe, scheint hier ein ziemlich zynischer Gott durch, nur die Harten kommen in den Garten?
Das Buch: Schsch, noch hundert Seiten ganz neutrale katholische Bekehrungsliteratur. Kant meinte, dass innere menschliche Moral nur Sinn ergibt, wenn die Menschen frei sind, die Seele unsterblich ist und es schließlich auch Gott gibt, wozu sonst die ganze gutmenschliche Plackerei, statt einfach die Sau rauszulassen, wie Stalin, hähä?
Ich: Den alten Königsberger Junggesellen sehr in Ehren, aber auch er macht es sich zu einfach, den Sinn von Moral ohne die Existenz Gottes rundheraus zu verneinen, das könnte aber auch nur daran liegen, dass es bis zu seinem Tod weder Evolutionsbiologie noch Spieltheorie gab, die vielleicht zwei für das Thema wichtige und der Betrachtung eventuell würdige Felder wären, wenn es womöglich beliebt ...?
Das Buch: Spiel- was? Nie gehört! Ohne Gott keine Moral, Simplicio!!
Ich: ...
Das Buch: Jetzt geht's um Echnaton, Moses, Abraham und dass Gott sich seinem erwählten Volk als Person präsentiert hat, um ihm so seine gleichsam körperliche Liebe zu zeigen. "Deus Caritas Est" ist doch eine ziemlich "sexy" Enzyklika, oder nicht? Hehehe!
Ich: Können wir vielleicht kurz über die seltsame Art reden, wie Gott seinem "auserwählten Volk" Israel seine Liebe über die Jahrtausende hinweg gezeigt hat? Oder schlägt er die Juden nur, weil er sie liebt?
Das Buch: Juden? Mein Autor ist doch Katholik und in mindestens drei den Papst beratenden Gremien und Akademien, muss ich irgendwie vergessen haben, im hinteren Klappentext zu erwähnen, vielleicht ist das schlampige Lektorat schuld? Aber lies mal, Gott ist in Jesus Mensch geworden und für uns ganz echt und wirklich am Kreuz gestorben, yay!
Ich: Naja, zur heiligen Trinität hätte ich schon ein paar Fragen. Wenn Jesus und Gott einen Boxkampf ausfechten würden, und der Heilige Geist wäre der Schiri, wer würde gewinnen? Als ich das mal das einzige christliche Date meines Lebens gefragt habe, muss ich sie wohl beleidigt haben, nach dem zweiten Date in einem der besten Restaurants Stuttgarts war sie auf und davon, dabei war das Essen wirklich lecker! Schade ... Aber wie ist das jetzt mit der Menschlichkeit Jesu, wieviel Prozent sind-
Das Buch: Das Konzil von Chalcedon hat 451 festgestellt, dass in Jesus Christus menschliche und göttliche Natur "unvermischt und ungetrennt geeint" sind. Genial, oder?
Ich: Nennt nicht sogar Papst Ratze diese Erklärungsversuche "armseliges Gestammel", wie Du selbst schreibst?
Das Buch: Wo? Ich muss in der Zeile verrutscht sein ... So oder so, Gott ist Liebe, verstehste? Hier haste das große Glaubensbekenntnis von Nicäa, Amen, und alles andere "können Sie vergessen", das ist ein direktes Zitat! Konvertiere oder stirb!!
Ich: Was??
Das Buch: Hä? Max Horkheimer hat gesagt: "Warum soll ich gut sein, wenn es keinen Gott gibt?"
Ich: Mir würden auf Anhieb zwei Hände und ein Herz voll Gründe einfallen, wenn ich länger nachdenke, sicher auch noch m-
Das Buch: Das war eine rhetorische Frage, Ungläubiger, ohne Gott gibt es nur Mord, Orgien und einsame Singles, hast Du's immer noch nicht kapiert? Zum letzten Mal, öffne Dich gefälligst Gottes Liebe!! Vielleicht solltest Du mit dem "eindrucksvollen Film" "The Passion of the Christ" anfangen und Dich dann langsam hocharbeiten ...
Ich: Eigentlich stehe ich ja nicht so auf widerwärtige Folterpornos, und die komplett verlogene Mogelpackung dieses Buches, das unter einem fadenscheinigen Mantel des Vorwandes, Argumente für und gegen die Existenz Gottes zu prüfen, unverhohlen und unappetitlich erzkatholische Propaganda betreibt, macht mir auch so gar keine Lust, mal-
Das Buch: Papperlapapp! In Kunst und Musik zeigt sich doch das Erhabene, und dieses Buch ist ja nur "sehr subjektiv", außerdem habe ich ohnehin "zu viel Respekt vor Atheisten gezeigt", also alles cool, zwinker zwinker! Unterschreib zum Abschluss doch bitte noch hier, hier und... hier.
Ich:
28.12.2007
24.12.2007
21.12.2007
Wild Wild Weekend
Tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben Flaschendrehen gespielt, letzten Freitag. Dabei aber entdeckt, dass das richtige Alter dafür entweder die Hälfte oder das Eineinhalbfache von meinem ist. 14, weil einem dann alles peinlich ist und jede Frage tabu und somit alles lustig, und 42, weil dann die Risse hinter den Bürgerfassaden interessant hervorkommen, schlägst Du Deine Frau noch, ist Dein Daimler schon abbezahlt und so weiter. So aber sind Körperteile, Sexbeichten und Seelenstrips nur marginal spannend, denn irgendwie und irgendwo hat man das alles schon mal gewusst und gekannt und gesehen, und so wird es so anstößig und normal wie trocken Brot.
Trotzdem ein erinnerungswürdiger Abend, und am nächsten Morgen tierisch früh und bestialisch müde aufgestanden, um zum diesjährigen Streitkultur-Cup nach Tübingen zu fahren. Daher, Debattieren ist auch Sport, nicht fit genug gewesen, um unser Team ins Finale zu bringen, aber immerhin gut genug geredet, um Teampartner T. dahin zu katapultieren geholfen oder wenigstens nicht heruntergerissen zu haben, yay for us!
Nach der sehr hübschen Turnierparty irgendwann morgens mit dem Zug nach Herrenberg gefahren und in die S-Bahn eingestiegen. Irgendwo vor Vaihingen ausgestiegen, um, äh, frische Luft zu schnappen, in die nächste Bahn rein, prompt eingeschlafen und von der Sonne an der Endstation Schorndorf geweckt worden. Leicht geärgert und ziemlich amüsiert in den Zug zurück eingestiegen, aber weil dieser so großzügig geheizt und ich immer noch so müde war, bin ich wieder eingenickt und diesmal am anderen Ende der Linie in Filderstadt aufgewacht. Dann bin ich nach Hause gefahren.
Verwundert es, dass ich bis Dienstag wie gerädert war?
Und dass ich nochmal hinwill?
Trotzdem ein erinnerungswürdiger Abend, und am nächsten Morgen tierisch früh und bestialisch müde aufgestanden, um zum diesjährigen Streitkultur-Cup nach Tübingen zu fahren. Daher, Debattieren ist auch Sport, nicht fit genug gewesen, um unser Team ins Finale zu bringen, aber immerhin gut genug geredet, um Teampartner T. dahin zu katapultieren geholfen oder wenigstens nicht heruntergerissen zu haben, yay for us!
Nach der sehr hübschen Turnierparty irgendwann morgens mit dem Zug nach Herrenberg gefahren und in die S-Bahn eingestiegen. Irgendwo vor Vaihingen ausgestiegen, um, äh, frische Luft zu schnappen, in die nächste Bahn rein, prompt eingeschlafen und von der Sonne an der Endstation Schorndorf geweckt worden. Leicht geärgert und ziemlich amüsiert in den Zug zurück eingestiegen, aber weil dieser so großzügig geheizt und ich immer noch so müde war, bin ich wieder eingenickt und diesmal am anderen Ende der Linie in Filderstadt aufgewacht. Dann bin ich nach Hause gefahren.
Verwundert es, dass ich bis Dienstag wie gerädert war?
Und dass ich nochmal hinwill?
14.12.2007
Marlon Brando
"Spieltrieb" fertiggelesen.
Und obwohl mir trotz meiner ausführlichen Auflistung der Schwächen des Buches entgangen zu sein scheint, dass Juli Zeh auch komplett humorlos ist, dass von ihrer schwerfälligen Explikation von allem (die sehr unnötig ist) seltsamerweise die Figuren ausgenommen sind (bei denen es sehr nötig wäre), dass der Plot buchstäblich ins Leere läuft und darin ständig Dinge passieren, die ohne jegliche erzählerische Konsequenz bleiben, und dass die Autorin schließlich, was vielleicht ein Hauptgrund für manche negative Reaktion sein mag, immer von weit oben herab zu sprechen scheint, als müsste sie einem Kind, das sie für ein bisschen schwachsinnig hält, zum wiederholten Male etwas erklären, obwohl das Kind in Wahrheit alles andere als dumm ist und genau weiß, dass Tante Zehs Ratschläge falsch sind, ätzend wie ihre sauren Küsse; obwohl ich also all dies nun zusätzlich zum bereits beschriebenen Schlechten bemerkt habe, habe ich die letzten Seiten doch in weit friedlicherer und versöhnlicherer Stimmung gelesen als die ersten, ein bisschen vielleicht wie ein gewalttätiger Ehemann, der nach einer Nacht auf der Parkbank wieder ins warme Zuhause gelassen wird, damit es von neuem beginnen kann. David Niven soll einmal gesehen haben, wie sich Laurence Olivier und Marlon Brando in Vivien Leighs Pool küssten. Wäre ein Tropfen Speichels aus ihren hart und heiß aufeinandergepressten Mündern gefallen und zu einer Anadyomene herangewachsen, hätte er mehr Talent und Relevanz bewiesen als die deutschen Autoren von heute?
Auch Juli Zeh scheint dank ihrer wenigstens in geistiger Hinsicht unzweifelhaft vorhandenen Intelligenz das fast obszön klaffende Nichts zwischen den Buchdeckeln ihrer Kollegen zu spüren und bemüht sich darum einerseits, auf die geschildert gescheiterte Weise eine weltweise und wegweisende Geschichte zu konstruieren, die sich andererseits um genau diese Leere dreht, oder in anderen Worten, wie erstaunlicherweise ihre Figur Smutek einmal bemerkt:
Insofern ist der Versuch der Autorin, breite Leserschichten zu diesem Beginn zu führen, den man Nichts nennen kann oder auch Freiheit oder Tod, trotz seiner Fehler lobenswert, auch wenn der von ihr vorgebrachte Letztgültigkeitsanspruch des Pragmatismus, der sich am reinsten im Spiel zeige, darum "Spieltrieb", verstehste, freilich ebenso im schwarzen Loch verschwindet wie alles andere, denn wenn alles nichts ist, warum nicht gleich jetzt aus Allem Nichts machen, von der Brücke springen oder eine Atombombe zünden oder wenigstens ein bisschen mit der Kettensäge über den Weihnachtsmarkt rennen und alle mit blinkenden roten Mützen blutig enthaupten? Nach dieser angenehmen Phantasie kehrt man aber umso ernüchterter zur kalten Leere der jungen Autoren zurück und wundert sich erneut wie im letzten Eintrag gefragt, warum sie nur nichts und Nichts schreiben können. Aber vielleicht habe ich letztes Mal doch auch schon die Antwort gefunden, ohne sie bereits in ihrer ganzen Tragweite erkannt zu haben:
Sie wissen nichts vom Leben.
Das Foto des schlafenden Babys zur Illustration dieses Befundes ist dabei trotz seiner unwiderstehlichen Niedlichkeit im Nachhinein doch nicht so treffend, wie ich zuerst dachte. Denn ein Säugling mag nicht wissen, wie ein Dieselmotor funktioniert und wie man formvollendet eine Latte macchiato bestellt, aber dass es im menschlichen Leben um etwas geht, nämlich Titten, Milch und Brüllen, das hat er sozusagen ab Werk begriffen, und Juli Zeh, Stuckrad-Barre, Illies und wie sie alle heißen, haben es wieder vergessen. Vielleicht, weil sie als Kinder zuviel Holzspielzeug hatten, vielleicht, weil sie als Teenager die Nachrichten immer bei "logo!" gesehen haben, und vielleicht, weil sie als Erwachsene zu oft "was mit Medien" gemacht haben, über die Gründe ließe sich noch lange spekulieren, und ich werde es auch in Zukunft wohl noch einige Male tun.
Für heute ist mir erstmal eine, meine Generation unheimlich, deren Repräsentanten noch nie geblutet zu haben scheinen, noch nie geweint und noch nie Stella geschrieen und noch nie Laurence Olivier geküsst, im Pool seiner Ehefrau.
Denn was passiert, wenn sie einmal blutet?
Und obwohl mir trotz meiner ausführlichen Auflistung der Schwächen des Buches entgangen zu sein scheint, dass Juli Zeh auch komplett humorlos ist, dass von ihrer schwerfälligen Explikation von allem (die sehr unnötig ist) seltsamerweise die Figuren ausgenommen sind (bei denen es sehr nötig wäre), dass der Plot buchstäblich ins Leere läuft und darin ständig Dinge passieren, die ohne jegliche erzählerische Konsequenz bleiben, und dass die Autorin schließlich, was vielleicht ein Hauptgrund für manche negative Reaktion sein mag, immer von weit oben herab zu sprechen scheint, als müsste sie einem Kind, das sie für ein bisschen schwachsinnig hält, zum wiederholten Male etwas erklären, obwohl das Kind in Wahrheit alles andere als dumm ist und genau weiß, dass Tante Zehs Ratschläge falsch sind, ätzend wie ihre sauren Küsse; obwohl ich also all dies nun zusätzlich zum bereits beschriebenen Schlechten bemerkt habe, habe ich die letzten Seiten doch in weit friedlicherer und versöhnlicherer Stimmung gelesen als die ersten, ein bisschen vielleicht wie ein gewalttätiger Ehemann, der nach einer Nacht auf der Parkbank wieder ins warme Zuhause gelassen wird, damit es von neuem beginnen kann. David Niven soll einmal gesehen haben, wie sich Laurence Olivier und Marlon Brando in Vivien Leighs Pool küssten. Wäre ein Tropfen Speichels aus ihren hart und heiß aufeinandergepressten Mündern gefallen und zu einer Anadyomene herangewachsen, hätte er mehr Talent und Relevanz bewiesen als die deutschen Autoren von heute?
Auch Juli Zeh scheint dank ihrer wenigstens in geistiger Hinsicht unzweifelhaft vorhandenen Intelligenz das fast obszön klaffende Nichts zwischen den Buchdeckeln ihrer Kollegen zu spüren und bemüht sich darum einerseits, auf die geschildert gescheiterte Weise eine weltweise und wegweisende Geschichte zu konstruieren, die sich andererseits um genau diese Leere dreht, oder in anderen Worten, wie erstaunlicherweise ihre Figur Smutek einmal bemerkt:
"Dein Problem", brüllte er, die Hände immer noch auf das Porzellan gestützt, das warm zu werden begann und rings um seine Finger beschlug, "ist, dass du das allgemeine NICHTS mit deiner persönlichen LEERE verwechselst."
Wie er, der einzige halbwegs sympathische Charakter in "Spieltrieb", der später auf für den gequälten Leser sehr befriedigende Weise einen der Bösewichte halbtot prügeln darf, kurz vorher ebenfalls völlig richtig sagt, ist die Erkenntnis der Nichtigkeit allen Seins und daraus folgend die kosmische Unwichtigkeit aller Werte, Gesetze und Gebote erstens nichts Neues und zweitens nicht das Ende des Denkens, sondern sein Anfang.Insofern ist der Versuch der Autorin, breite Leserschichten zu diesem Beginn zu führen, den man Nichts nennen kann oder auch Freiheit oder Tod, trotz seiner Fehler lobenswert, auch wenn der von ihr vorgebrachte Letztgültigkeitsanspruch des Pragmatismus, der sich am reinsten im Spiel zeige, darum "Spieltrieb", verstehste, freilich ebenso im schwarzen Loch verschwindet wie alles andere, denn wenn alles nichts ist, warum nicht gleich jetzt aus Allem Nichts machen, von der Brücke springen oder eine Atombombe zünden oder wenigstens ein bisschen mit der Kettensäge über den Weihnachtsmarkt rennen und alle mit blinkenden roten Mützen blutig enthaupten? Nach dieser angenehmen Phantasie kehrt man aber umso ernüchterter zur kalten Leere der jungen Autoren zurück und wundert sich erneut wie im letzten Eintrag gefragt, warum sie nur nichts und Nichts schreiben können. Aber vielleicht habe ich letztes Mal doch auch schon die Antwort gefunden, ohne sie bereits in ihrer ganzen Tragweite erkannt zu haben:
Sie wissen nichts vom Leben.
Das Foto des schlafenden Babys zur Illustration dieses Befundes ist dabei trotz seiner unwiderstehlichen Niedlichkeit im Nachhinein doch nicht so treffend, wie ich zuerst dachte. Denn ein Säugling mag nicht wissen, wie ein Dieselmotor funktioniert und wie man formvollendet eine Latte macchiato bestellt, aber dass es im menschlichen Leben um etwas geht, nämlich Titten, Milch und Brüllen, das hat er sozusagen ab Werk begriffen, und Juli Zeh, Stuckrad-Barre, Illies und wie sie alle heißen, haben es wieder vergessen. Vielleicht, weil sie als Kinder zuviel Holzspielzeug hatten, vielleicht, weil sie als Teenager die Nachrichten immer bei "logo!" gesehen haben, und vielleicht, weil sie als Erwachsene zu oft "was mit Medien" gemacht haben, über die Gründe ließe sich noch lange spekulieren, und ich werde es auch in Zukunft wohl noch einige Male tun.
Für heute ist mir erstmal eine, meine Generation unheimlich, deren Repräsentanten noch nie geblutet zu haben scheinen, noch nie geweint und noch nie Stella geschrieen und noch nie Laurence Olivier geküsst, im Pool seiner Ehefrau.
Denn was passiert, wenn sie einmal blutet?
10.12.2007
Juli Zeh
Ich dachte einmal, das Problem der jüngeren deutschen Literatur, das unüberlesbar aus jeder einzelnen von ihren Protagonisten geschriebenen Seiten schwärende Problem, nämlich, dass die jüngere deutsche Literatur nichts hat, über das sie schreiben könnte, rein gar nichts, läge daran, dass es in diesem Land keine Not mehr gibt, keinen Krieg, keinen Hunger, keine Ideale, erst recht nicht für westdeutsche Kinder aus gutem Hause, und darum auch keinen Marmor mehr, aus dem sich Geschichten hauen ließen.
Aber abgesehen davon, dass dieses Denken mich in die Nähe Günther Oettingers bringen würde, schon blöd, dass kein Krieg mehr kommt, was, und dass Frieden, Freiheit und Wohlstand das sind, was bei mir einer Religion am nächsten kommt, ist es auch nachweislich falsch. Kafka war kein Krösus, aber musste nie Not leiden, wurde als Versicherungsbeamter viermal befördert und setzte sich, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus, offenbar sogar dafür ein, dass Arbeiter Schutzhelme tragen sollen. Und trotzdem schrieb er eine Geschichte über einen Mann, der sich in einen Käfer verwandelt, und an seinen Vater, dass dieser ihm gedroht habe, ihn wie einen Fisch zu zerreißen. Hemingway war der Sohn eines Arztes, sportlich und intelligent, und hätte, beim "Kansas City Star" beginnend, das ruhige Leben eines amerikanischen Journalisten führen können, und dennoch wollte er so sehr in den Weltkrieg ziehen, dass er trotz soldatischer Untauglichkeit als Ambulanzfahrer an die Front kam und mit dem roten Kreuz auf dem Rücken dahin rannte, woher die Überlebenden flohen. Und selbst Jane Austen, zu deren Zeit es für Frauen unschicklich war, zu tief einzuatmen, und die ein entsprechendes Leben führte, hat ein Werk hinterlassen, dessen Wahrheit, Wärme und Witz auch in nochmal zweihundert Jahren hell strahlen werden wie eine Nova.
Wenn es also nicht Krieg, nicht Hunger und nicht Ideale sind, die den deutschen Autoren fehlen, und um endlich zum Thema dieses Eintrags zu kommen, wenn der Grund, warum Juli Zehs Roman "Spieltrieb", kein Link, weil keine Empfehlung, so fürchterlich unsäglich, so grauenhaft grässlich, so zermürbend schlecht ist, ein anderer ist, welcher ist es? Sie weiß nichts vom Leben.
Lassen wir dies für den Augenblick so stehen und wenden uns zuerst der Frage zu, wie ich, ein sonst akribischer Vermeider jeder Gegenwartsliteratur, und doppelt der deutschen, zu meinem Exemplar von "Spieltrieb" gekommen bin. Ganz einfach: ich war beeindruckt von diesem Interview mit der Autorin, denn ich dachte, wer den ungerechtfertigten Tod der klassischen Dramaturgie im deutschen Theater bedauert, wer sich nicht scheut, über die großen Dinge zu schreiben, statt eine Quappe im Tümpel zu bleiben, wer vom Duellieren schwärmt und wer ganz zurecht erwähnt, dass man mit 33 vor hundert Jahren Schlachtschiffe befehligt hat, während man heute im gleichen Alter als Küken gilt, den bzw. die sollte ich mal gelesen haben, es muss gut sein, was sie schreibt.
Oh, wie ich mich getäuscht habe. Oh Gott, wie ich mich getäuscht habe. So schmerzhaft getäuscht, als hätte ich meinen Penis statt in einer schönen Frau in einem Fleischwolf versenkt und drehte an der Kurbel im blutigen Irrglauben, das Ohr des Mädchens zu liebkosen.
Eklig? Geschmacklos? Katastrophal verrutschte Metapher? Nicht katastrophaler, lieber Leser, als der handwerkliche Teil von "Spieltrieb", bei dem man sich an das grausige Innenleben einer Wursterei erinnert fühlt und sich ernsthaft besorgt fragt, wie ein Teil des bundesrepublikanischen Literaturbetriebes dessen eklatante Mängel in seinen Besprechungen des Buches nicht nur übergehen, sondern sogar zu einem Qualitätsmerkmal erklären konnte, Zehs Blutwurst jetzt mit 27% mehr Knorpel und Gekröse: Figuren, die nie mehr Tiefe gewinnen als Mensch-ärgere-Dich-nicht-Kegel und auch keinem anderen Zweck dienen, ständige plumpe Beschreibungen dessen, was gerade passiert und wer was fühlt, weil die Autorin erschreckenderweise noch nie etwas vom ehernen "show, don't tell" gehört zu haben scheint, ein Plot, der sich an keiner Stelle natürlich aus der Motivation der Figuren ergibt, wie sollen hohle Kegel auch Gründe haben, sondern in den Wolf gezwungen wird, mögen Hufe und Fell ihn auch verstopfen und zerstören, und über allem eine jeden Rest von Leben zukleisternde Soße absurd schiefer Metaphern, präsentiert in unpoetischer, kalter Sprache. Guten Appetit!
Macht schon die schlechte handwerkliche Arbeit das Lesen zu einer Tortur wie das Sitzen auf einem von einem Schieler gezimmerten Stuhl, zu diesem Zeitpunkt habe ich noch fast zweihundert Seiten des Schinkens vor mir, durch die ich mich nur noch quäle, damit nachher keiner sagen kann, dass ich das Werk nicht in seiner Gesamtheit yadda yadda, und lässt überdies die Frage wie einen ziemlich, ziemlich großen Giftpilz aufkeimen, was man eigentlich auf dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig lernt, sind es doch der Wille, die Absicht und die Moral, die hinter der Wurstfabrik Zeh stehen, die den gebeutelten Leser schließlich mit grünem Gesicht und flauem Magen das Buch für immer fliehen lassen wollen.
You know, Juli Zeh ist sehr gebildet. Nietzsche, Musil, Spieltheorie, geht ihr alles leicht von der Hand und ist durchaus faktisch korrekt, und auch über Moral, Terror und den Sinn des Lebens, welchen auch immer, sollte ein mündiger Mensch mehr als einmal nachgedacht haben, und die Autorin hat es sicht- und lesbar oft.
Aber sie hat keine Ahnung.
Keine Ahnung von der Welt. Keine Ahnung von den Menschen. Keine Ahnung vom, und damit sind wir zurück beim Babyfoto, Leben. Ein winziger Fisch in einem riesigen Glas. Ein Sternenkind in einer schillernden Seifenblase. Eine gewaltige Bibliothek, aber ohne einen einzigen Sitzplatz, von so etwas wie einem Ohrensessel, einer Pfeife, einem Kaminfeuer gar nicht zu träumen.
Fast so scharf wie in "Spieltrieb" kommt diese seltsame, aber durchaus auch für ihre schreibenden Altersgenossen symptomatische Leere, diese schwer begreifliche Dummheit der Bildung, über deren Ursachen ich ein andermal nachdenken werde, für heute ist gleich Schicht im Schacht, in diesem Artikel Juli Zehs über den 11. September für die "Zeit" zum Vorschein. Da erzählt sie nicht nur, ohne sich in Grund und Boden zu schämen, dass sie bis zu ihrem f'ing 28. Lebensjahr glaubte, dass Demokratien immer gut seien, sondern nimmt dieses erschreckende Artefakt ihrer bodenlosen Naivität im Gegenteil noch zum Aufhänger eines scheinprovokanten Artikels. Mädchen, möchte man rufen, Mädchen, möchte man brüllen und sie schütteln, wach auf, wach endlich auf und öffne die Augen!
Dieselbe Reaktion, dasselbe Kopfschütteln, dieselbe Aggression ruft auch das Buch hervor, weil es nach demselben Muster funktioniert. "Menschen brauchen ..." Nein, brauchen sie nicht. "Menschen sind ..." Nein, sind sie nicht. "Terroristen sind wie David, wie König David." Gähn ... ach so, das sollte jetzt provozieren. "Lass uns unseren Lehrer erpressen, indem Du mit ihm Sex hast und ich davon Fotos mache, und das allein, weil wir spielen wollen, das ist unser Spieltrieb, verstehste, denn wir haben keine Moral mehr und keinen Glauben und erst recht keine Ideale, muhuhahahaa!" Wer glaubt, dies wäre eine unfaire Wiedergabe von Juli Zehs Dialogen, hat nicht ihre seitenlangen Ausführungen über Nihilismus und Gottes Tod gelesen, in denen all das mit dem gröbsten Fleischklopfer breitgeschlagen wird, was sich bei einem besseren, nein, einem guten Autor von selbst aus der Geschichte ergeben hätte. So sie denn in der Wirklichkeit fundiert wäre, im Gegensatz zu "Spieltrieb", das vielleicht gerade deshalb dauernd die Krücke der totalen Ausformulierung braucht. Ein gutes Werk jedenfalls ließe dem Leser auch Gelegenheit, zwischen den Zeilen selbst zu atmen, selbst zu denken und selbst zu träumen und so eine ungleich bessere, ungleich sympathischere Beziehung dazu aufzubauen als zur Zehschen Zwangsbewurstung mit Plattheiten, Pseudoprovokationen, unnötigen Auswalzungen und permanenten Falschheiten. Keiner redet so wie Ada und Alev, noch nicht mal absichtlich artifizielle Archetypen. Niemand ist so, wie es Juli Zeh behauptet. Ihre Geschichte würde selbst in der Welt ihres Romans niemals funktionieren. Und endlich erzählt "Spieltrieb" einem nichts, was man als Mensch mit wenigstens einem Zeh, haha, im großen Pool des Lebens nicht schon gewusst hätte, nicht schon besser weiß und nicht schon für immer besser wissen wird.
Zeitverschwendung.
Aber abgesehen davon, dass dieses Denken mich in die Nähe Günther Oettingers bringen würde, schon blöd, dass kein Krieg mehr kommt, was, und dass Frieden, Freiheit und Wohlstand das sind, was bei mir einer Religion am nächsten kommt, ist es auch nachweislich falsch. Kafka war kein Krösus, aber musste nie Not leiden, wurde als Versicherungsbeamter viermal befördert und setzte sich, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus, offenbar sogar dafür ein, dass Arbeiter Schutzhelme tragen sollen. Und trotzdem schrieb er eine Geschichte über einen Mann, der sich in einen Käfer verwandelt, und an seinen Vater, dass dieser ihm gedroht habe, ihn wie einen Fisch zu zerreißen. Hemingway war der Sohn eines Arztes, sportlich und intelligent, und hätte, beim "Kansas City Star" beginnend, das ruhige Leben eines amerikanischen Journalisten führen können, und dennoch wollte er so sehr in den Weltkrieg ziehen, dass er trotz soldatischer Untauglichkeit als Ambulanzfahrer an die Front kam und mit dem roten Kreuz auf dem Rücken dahin rannte, woher die Überlebenden flohen. Und selbst Jane Austen, zu deren Zeit es für Frauen unschicklich war, zu tief einzuatmen, und die ein entsprechendes Leben führte, hat ein Werk hinterlassen, dessen Wahrheit, Wärme und Witz auch in nochmal zweihundert Jahren hell strahlen werden wie eine Nova.
Wenn es also nicht Krieg, nicht Hunger und nicht Ideale sind, die den deutschen Autoren fehlen, und um endlich zum Thema dieses Eintrags zu kommen, wenn der Grund, warum Juli Zehs Roman "Spieltrieb", kein Link, weil keine Empfehlung, so fürchterlich unsäglich, so grauenhaft grässlich, so zermürbend schlecht ist, ein anderer ist, welcher ist es? Sie weiß nichts vom Leben.
Lassen wir dies für den Augenblick so stehen und wenden uns zuerst der Frage zu, wie ich, ein sonst akribischer Vermeider jeder Gegenwartsliteratur, und doppelt der deutschen, zu meinem Exemplar von "Spieltrieb" gekommen bin. Ganz einfach: ich war beeindruckt von diesem Interview mit der Autorin, denn ich dachte, wer den ungerechtfertigten Tod der klassischen Dramaturgie im deutschen Theater bedauert, wer sich nicht scheut, über die großen Dinge zu schreiben, statt eine Quappe im Tümpel zu bleiben, wer vom Duellieren schwärmt und wer ganz zurecht erwähnt, dass man mit 33 vor hundert Jahren Schlachtschiffe befehligt hat, während man heute im gleichen Alter als Küken gilt, den bzw. die sollte ich mal gelesen haben, es muss gut sein, was sie schreibt.
Oh, wie ich mich getäuscht habe. Oh Gott, wie ich mich getäuscht habe. So schmerzhaft getäuscht, als hätte ich meinen Penis statt in einer schönen Frau in einem Fleischwolf versenkt und drehte an der Kurbel im blutigen Irrglauben, das Ohr des Mädchens zu liebkosen.
Eklig? Geschmacklos? Katastrophal verrutschte Metapher? Nicht katastrophaler, lieber Leser, als der handwerkliche Teil von "Spieltrieb", bei dem man sich an das grausige Innenleben einer Wursterei erinnert fühlt und sich ernsthaft besorgt fragt, wie ein Teil des bundesrepublikanischen Literaturbetriebes dessen eklatante Mängel in seinen Besprechungen des Buches nicht nur übergehen, sondern sogar zu einem Qualitätsmerkmal erklären konnte, Zehs Blutwurst jetzt mit 27% mehr Knorpel und Gekröse: Figuren, die nie mehr Tiefe gewinnen als Mensch-ärgere-Dich-nicht-Kegel und auch keinem anderen Zweck dienen, ständige plumpe Beschreibungen dessen, was gerade passiert und wer was fühlt, weil die Autorin erschreckenderweise noch nie etwas vom ehernen "show, don't tell" gehört zu haben scheint, ein Plot, der sich an keiner Stelle natürlich aus der Motivation der Figuren ergibt, wie sollen hohle Kegel auch Gründe haben, sondern in den Wolf gezwungen wird, mögen Hufe und Fell ihn auch verstopfen und zerstören, und über allem eine jeden Rest von Leben zukleisternde Soße absurd schiefer Metaphern, präsentiert in unpoetischer, kalter Sprache. Guten Appetit!
Macht schon die schlechte handwerkliche Arbeit das Lesen zu einer Tortur wie das Sitzen auf einem von einem Schieler gezimmerten Stuhl, zu diesem Zeitpunkt habe ich noch fast zweihundert Seiten des Schinkens vor mir, durch die ich mich nur noch quäle, damit nachher keiner sagen kann, dass ich das Werk nicht in seiner Gesamtheit yadda yadda, und lässt überdies die Frage wie einen ziemlich, ziemlich großen Giftpilz aufkeimen, was man eigentlich auf dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig lernt, sind es doch der Wille, die Absicht und die Moral, die hinter der Wurstfabrik Zeh stehen, die den gebeutelten Leser schließlich mit grünem Gesicht und flauem Magen das Buch für immer fliehen lassen wollen.
You know, Juli Zeh ist sehr gebildet. Nietzsche, Musil, Spieltheorie, geht ihr alles leicht von der Hand und ist durchaus faktisch korrekt, und auch über Moral, Terror und den Sinn des Lebens, welchen auch immer, sollte ein mündiger Mensch mehr als einmal nachgedacht haben, und die Autorin hat es sicht- und lesbar oft.
Aber sie hat keine Ahnung.
Keine Ahnung von der Welt. Keine Ahnung von den Menschen. Keine Ahnung vom, und damit sind wir zurück beim Babyfoto, Leben. Ein winziger Fisch in einem riesigen Glas. Ein Sternenkind in einer schillernden Seifenblase. Eine gewaltige Bibliothek, aber ohne einen einzigen Sitzplatz, von so etwas wie einem Ohrensessel, einer Pfeife, einem Kaminfeuer gar nicht zu träumen.
Fast so scharf wie in "Spieltrieb" kommt diese seltsame, aber durchaus auch für ihre schreibenden Altersgenossen symptomatische Leere, diese schwer begreifliche Dummheit der Bildung, über deren Ursachen ich ein andermal nachdenken werde, für heute ist gleich Schicht im Schacht, in diesem Artikel Juli Zehs über den 11. September für die "Zeit" zum Vorschein. Da erzählt sie nicht nur, ohne sich in Grund und Boden zu schämen, dass sie bis zu ihrem f'ing 28. Lebensjahr glaubte, dass Demokratien immer gut seien, sondern nimmt dieses erschreckende Artefakt ihrer bodenlosen Naivität im Gegenteil noch zum Aufhänger eines scheinprovokanten Artikels. Mädchen, möchte man rufen, Mädchen, möchte man brüllen und sie schütteln, wach auf, wach endlich auf und öffne die Augen!
Dieselbe Reaktion, dasselbe Kopfschütteln, dieselbe Aggression ruft auch das Buch hervor, weil es nach demselben Muster funktioniert. "Menschen brauchen ..." Nein, brauchen sie nicht. "Menschen sind ..." Nein, sind sie nicht. "Terroristen sind wie David, wie König David." Gähn ... ach so, das sollte jetzt provozieren. "Lass uns unseren Lehrer erpressen, indem Du mit ihm Sex hast und ich davon Fotos mache, und das allein, weil wir spielen wollen, das ist unser Spieltrieb, verstehste, denn wir haben keine Moral mehr und keinen Glauben und erst recht keine Ideale, muhuhahahaa!" Wer glaubt, dies wäre eine unfaire Wiedergabe von Juli Zehs Dialogen, hat nicht ihre seitenlangen Ausführungen über Nihilismus und Gottes Tod gelesen, in denen all das mit dem gröbsten Fleischklopfer breitgeschlagen wird, was sich bei einem besseren, nein, einem guten Autor von selbst aus der Geschichte ergeben hätte. So sie denn in der Wirklichkeit fundiert wäre, im Gegensatz zu "Spieltrieb", das vielleicht gerade deshalb dauernd die Krücke der totalen Ausformulierung braucht. Ein gutes Werk jedenfalls ließe dem Leser auch Gelegenheit, zwischen den Zeilen selbst zu atmen, selbst zu denken und selbst zu träumen und so eine ungleich bessere, ungleich sympathischere Beziehung dazu aufzubauen als zur Zehschen Zwangsbewurstung mit Plattheiten, Pseudoprovokationen, unnötigen Auswalzungen und permanenten Falschheiten. Keiner redet so wie Ada und Alev, noch nicht mal absichtlich artifizielle Archetypen. Niemand ist so, wie es Juli Zeh behauptet. Ihre Geschichte würde selbst in der Welt ihres Romans niemals funktionieren. Und endlich erzählt "Spieltrieb" einem nichts, was man als Mensch mit wenigstens einem Zeh, haha, im großen Pool des Lebens nicht schon gewusst hätte, nicht schon besser weiß und nicht schon für immer besser wissen wird.
Zeitverschwendung.
08.12.2007
WTF
Die abmahnfähige Impressumspflicht für deutsche Webangebote führt dazu, dass Spammer mir Briefe schicken und angehende eBay-Betrüger sich mit meiner Adresse beim Auktionshaus anmelden. Ich beklage mich nicht, weil alle paar Monate ein Blatt Papier oder eine dankenswerterweise mittlerweile von eBay verschickte Bestätigungsaufforderung zu zerreißen ein kleiner Preis ist, um nicht von den Abmahnvampiren bis aufs Mark ausgesaugt zu werden, und so hat auch das letzte Vorkommnis dieser Art meine Ruhe nicht getrübt.
Aber ein bisschen wundere ich mich schon, wer mir eine Probierpackung mit Inkontinenzbinden für Männer bestellt hat.
Aber ein bisschen wundere ich mich schon, wer mir eine Probierpackung mit Inkontinenzbinden für Männer bestellt hat.
Knurd
Sie hat schöne, große saphirblaue Augen, doch ihr Ausdruck ist traurig. Ihre Haut ist talgig, und ihr schlecht geschnittenes Kleid drückt ihre Brust platt, und ihre vorspringende Stirn und ihre unrasierten Achseln und ihre hängenden Mundwinkel lassen sie aussehen wie eine jungsteinzeitliche Vorfahrin Angela Merkels. Sie ist nicht älter als vierzehn, und ich habe unangebrachtes, voyeuristisches Mitleid mit ihr, als sie die Klassenschönheit mir gegenüber fragt, ob der Platz neben ihr frei wäre, und die Schöne sie von oben bis unten mustert und an der nächsten Haltestelle aussteigt.
Ich sehe "Prinzessinnenbad", und ich weiß nicht, ob der Film eine anthropologische Dokumentation ist, wie von neugierigen Forschern, die sich für ein Jahr unter einen Indiostamm am Oberlauf des Amazonas gemischt haben, um seine völlig fremden und wundersamen Bräuche näher zu erkunden, oder ob er ein Wohlfühlvehikel für den Prenzlauer Berg ist, dass es auf ihm gänzlich anders zugehe als in Prenzlau und dass man hier oben darum keinesfalls etwas ändern müsse, oder ob er so etwas ist wie "The Grapes of Wrath" oder doch eher Science-Fiction wie "The Time Machine", nur aus der Perspektive der Morlocks, oder etwas ganz anderes, vage Beunruhigendes.
Ich bin in der Disco und das schlanke Mädchen, das an diesem Wochenende eine von vier Personen ist, die mit mir in einem Jugendherbergszimmer übernachten, fragt mich nach dem Schlüssel, und aus dem Augenwinkel sehe ich, was ihr Freund sein muss, in drei Metern Entfernung stehen und unser Gespräch beobachten, als würde ich gleich den Schlüssel zücken und ihr damit das Top zerreißen, und ich sehe, ich sehe zuviel.
Ich sehe zuviel und trinke einen Whisky, um nüchtern zu werden.
Ich sehe "Prinzessinnenbad", und ich weiß nicht, ob der Film eine anthropologische Dokumentation ist, wie von neugierigen Forschern, die sich für ein Jahr unter einen Indiostamm am Oberlauf des Amazonas gemischt haben, um seine völlig fremden und wundersamen Bräuche näher zu erkunden, oder ob er ein Wohlfühlvehikel für den Prenzlauer Berg ist, dass es auf ihm gänzlich anders zugehe als in Prenzlau und dass man hier oben darum keinesfalls etwas ändern müsse, oder ob er so etwas ist wie "The Grapes of Wrath" oder doch eher Science-Fiction wie "The Time Machine", nur aus der Perspektive der Morlocks, oder etwas ganz anderes, vage Beunruhigendes.
Ich bin in der Disco und das schlanke Mädchen, das an diesem Wochenende eine von vier Personen ist, die mit mir in einem Jugendherbergszimmer übernachten, fragt mich nach dem Schlüssel, und aus dem Augenwinkel sehe ich, was ihr Freund sein muss, in drei Metern Entfernung stehen und unser Gespräch beobachten, als würde ich gleich den Schlüssel zücken und ihr damit das Top zerreißen, und ich sehe, ich sehe zuviel.
Ich sehe zuviel und trinke einen Whisky, um nüchtern zu werden.
03.12.2007
Informationen über "Killerspiele"
Ich darf ja aus medizinischen Gründen nichts Eigenständiges mehr zum Thema sagen. Darum beschränke ich mich hier darauf, uneingeschränkt die aufklärerische Arbeit des 21-jährigen Jurastudenten Matthias Dittmayer zu loben, der auf seiner Website Stigma-Videospiele und in einem tollen YouTube-Video Fakten und Verstand dort erstrahlen lässt, wo Geifer und Schwachsinn tyrannisch herrschen. Wer hätte gedacht, dass man mit einer hundert Gramm leichten Maus in Wahrheit gar nicht das Zielen mit einem fünf Kilo schweren Gewehr üben kann, dessen Rückstoß einem das Schlüsselbein bricht?!
Ach so, jeder mit einem funktionierenden Resthirn.
Was die Frage aufwirft, wie ein Beckstein-
Oh-oh, mein Herz. Dann Schluss.
Ach so, jeder mit einem funktionierenden Resthirn.
Was die Frage aufwirft, wie ein Beckstein-
Oh-oh, mein Herz. Dann Schluss.
01.12.2007
Osama bin Haribo
Nach Leipzig geflogen. Am Tag zuvor am Süßigkeitenregal des Supermarkts gestanden und gezögert, für einen Moment nur, ob ich Gummibärchen für die Reise kaufen sollte, wegen Gelsprengstoff und so.
Das Problem dadurch gelöst, dass ich die Bären noch vor dem Flug aufgegessen habe, aber mal wieder gründlich ins Grübeln gekommen.
Als es die ersten Flugzeugentführungen gab, wurden die Passagiere mit Metalldetektoren überprüft und per Hand abgetastet, damit sie keine Pistolen und Messer an Bord bringen. Das ist Jahrzehnte her, doch die Abtaster stehen bis heute.
Als es die ersten Flugzeugsprengungen gab, wurde das Gepäck der Passagiere geröntgt und von Hunden beschnuppert, damit die Fluggäste keine Bomben und Raketen an Bord bringen. Das ist Jahrzehnte her, doch die Hunde schnüffeln bis heute.
Seit dem 11. September 2001 sind Teppichmesser, Nagelscheren und die tödlichen Augenbrauenpinzetten verboten, obwohl eigentlich keiner wirklich weiß, womit genau Atta und seine Männer zugestochen haben. Nur eine einzige Augenzeugin erwähnt "box cutters", Barbara Olson, eine konservative Fernsehfigur bei Fox News und CNN. Das ist sechs Jahre her, doch Taschenmesser werden bis heute beschlagnahmt.
Seit 2006 ist es quasi verboten, Flüssigkeiten in Flugzeuge mitzunehmen, und selbst als ich das letzte Mal die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin besucht habe, musste ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche nehmen, um die bulligen Sicherheitsleute davon zu überzeugen, dass ich nicht plane, damit das Gotteshaus in einen rauchenden Krater zu verwandeln, ich böser MacGyver, ich. Ach so, ob es je überhaupt einen Plan gab, Flugzeuge mit Gelsprengstoff in die Luft bzw. den Atlantik zu jagen, ist, gelinde gesagt, durchaus umstritten. Trotzdem werden Flüssigkeiten an Bord für eine lange, lange Zeit verboten bleiben.
Ich frage jetzt ernsthaft, was passieren wird, wenn der erste Terrorist ein Flugzeug mit einer Dynamitstange sprengt. Einer Stange Dynamit, die er in seinem Arsch an Bord geschmuggelt hat. Schließlich können auch die fortschrittlichsten Scanner nicht unter die Haut der Passagiere sehen, und medizinische Röntgenstrahler wie auch der lange Gummihandschuh kommen aus verschiedenen Gründen nicht für den Masseneinsatz in Frage. Eine kleine Stange Dynamit ist außerdem nicht größer als ein herkömmlicher Penis, auch eher dünner, und mit etwas Spucke und dem Wissen, dass man ohnehin nie mehr aufs Klo gehen wird, müsste die Operation eine außerordentlich leichte sein.
Und bei Allah, manchmal wünsche ich mir, dass sie jemand durchführt.
Weil das, was dann kommen wird, die Welt sein wird, in der wir leben wollen.
Eine, in der wir frei sind, aber halt sterben können, was jedoch nicht weiter schlimm ist. Oder eine, in der wir scheinbar sicher sind, aber halt mit Rektaluntersuchungen leben. Was weiter schlimm ist. Und Widerstand nähren wird, ja muss. Widerstand für eine bessere Welt.
So oder so also: Arschbomben für die Freiheit!
Als es die ersten Flugzeugentführungen gab, wurden die Passagiere mit Metalldetektoren überprüft und per Hand abgetastet, damit sie keine Pistolen und Messer an Bord bringen. Das ist Jahrzehnte her, doch die Abtaster stehen bis heute.
Als es die ersten Flugzeugsprengungen gab, wurde das Gepäck der Passagiere geröntgt und von Hunden beschnuppert, damit die Fluggäste keine Bomben und Raketen an Bord bringen. Das ist Jahrzehnte her, doch die Hunde schnüffeln bis heute.
Seit dem 11. September 2001 sind Teppichmesser, Nagelscheren und die tödlichen Augenbrauenpinzetten verboten, obwohl eigentlich keiner wirklich weiß, womit genau Atta und seine Männer zugestochen haben. Nur eine einzige Augenzeugin erwähnt "box cutters", Barbara Olson, eine konservative Fernsehfigur bei Fox News und CNN. Das ist sechs Jahre her, doch Taschenmesser werden bis heute beschlagnahmt.
Seit 2006 ist es quasi verboten, Flüssigkeiten in Flugzeuge mitzunehmen, und selbst als ich das letzte Mal die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin besucht habe, musste ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche nehmen, um die bulligen Sicherheitsleute davon zu überzeugen, dass ich nicht plane, damit das Gotteshaus in einen rauchenden Krater zu verwandeln, ich böser MacGyver, ich. Ach so, ob es je überhaupt einen Plan gab, Flugzeuge mit Gelsprengstoff in die Luft bzw. den Atlantik zu jagen, ist, gelinde gesagt, durchaus umstritten. Trotzdem werden Flüssigkeiten an Bord für eine lange, lange Zeit verboten bleiben.
Ich frage jetzt ernsthaft, was passieren wird, wenn der erste Terrorist ein Flugzeug mit einer Dynamitstange sprengt. Einer Stange Dynamit, die er in seinem Arsch an Bord geschmuggelt hat. Schließlich können auch die fortschrittlichsten Scanner nicht unter die Haut der Passagiere sehen, und medizinische Röntgenstrahler wie auch der lange Gummihandschuh kommen aus verschiedenen Gründen nicht für den Masseneinsatz in Frage. Eine kleine Stange Dynamit ist außerdem nicht größer als ein herkömmlicher Penis, auch eher dünner, und mit etwas Spucke und dem Wissen, dass man ohnehin nie mehr aufs Klo gehen wird, müsste die Operation eine außerordentlich leichte sein.
Und bei Allah, manchmal wünsche ich mir, dass sie jemand durchführt.
Weil das, was dann kommen wird, die Welt sein wird, in der wir leben wollen.
Eine, in der wir frei sind, aber halt sterben können, was jedoch nicht weiter schlimm ist. Oder eine, in der wir scheinbar sicher sind, aber halt mit Rektaluntersuchungen leben. Was weiter schlimm ist. Und Widerstand nähren wird, ja muss. Widerstand für eine bessere Welt.
So oder so also: Arschbomben für die Freiheit!
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