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26.02.2007

DEFCON

Now I am become Death, the destroyer of worlds.

Es ist seit einigen Jahren irgendwie nicht mehr so hip, darauf hinzuweisen oder es überhaupt zu erwähnen, aber in den atomaren Arsenalen der Welt lagern noch über 25.000 Sprengköpfe.

Typische amerikanische Sprengköpfe, von denen acht in eine Interkontinentalrakete passen, haben eine Sprengkraft von gut 450 Kilotonnen TNT-Äquivalent.

Das ist mindestens dreißigmal stärker als die Hiroshima-Bombe "Little Boy".

Die Explosion von "Little Boy" zerstörte im Umkreis von einer Meile alles und tötete sofort fast 100.000 Menschen, und in den nächsten vier Monaten starben noch einmal gut 50.000 an Strahlungs- und Verletzungsfolgen, insgesamt etwa die Hälfte der Bevölkerung Hiroshimas. In den folgenden Jahrzehnten sind noch Hunderte, vielleicht Tausende an Spätfolgen verstorben.

Habe ich schon erwähnt, dass die stärksten existierenden Sprengköpfe eine Kraft von mehreren Megatonnen TNT haben?

Und jetzt stellen wir uns Ödipus Bush und Ninja-Putin als Herren über diese Macht vor.

Erstaunlicherweise wird der Ernst der Lage am deutlichsten in einem Spiel, DEFCON.

Angriff auf die Sowjetunion

Als kontinentale Supermacht platziert man auf einer sehr coolen, nachtblauen abstrakten Weltkarte Radars, Luftwaffenstützpunkte, Flugzeugträger, Schlachtschiffe, U-Boote und schließlich Raketensilos. Man sieht dem Countdown des Verteidigungszustandes zu, versucht, die See- und Luftherrschaft zu erlangen und das Gebiet der Feinde auszukundschaften, während der großartige Soundtrack immer mehr das beklemmende Gefühl verstärkt, tief unter der Erde, hinter Metern und Tonnen von Stahl und Beton, im leisen Rauschen der Lüftung das Schicksal der Welt zu entscheiden, allein.

Schließlich wird DEFCON 1 ausgerufen, die Sprengköpfe werden scharfgemacht, und irgendwann trifft die Bombe einer B-2 über Sibirien, die Rakete eines Akula vor der amerikanischen Ostküste, ein ballistischer Flugkörper über Frankreich eine Stadt.

Nuklearer Holocaust

Leningrad getroffen, 4 Millionen Tote.

London getroffen, 7.5 Millionen Tote.

New York getroffen, 12 Millionen Tote.

Man sitzt in seinem Atombunker und sieht auf seinen Schirm, sieht die weißen Pilze wachsen und die Zahlen. Man hört Sirenen die Abschüsse ausrufen, sieht die Raketen ihre wunderschönen Parabeln über den halben Erdball beschreiben und öffnet in logischer, unvermeidlicher, vorprogrammierter Antwort seine eigenen Silos und alle Rohre seiner Unterseeboote.

Das Ende

Am Ende gewinnt, wer am wenigsten verliert.

Man schaltet den Schirm aus und starrt in die Schwärze und glaubt, noch das gedämpfte Husten, oder ist es Schluchzen, aus der Tonspur zu hören. Man hat die Hälfte seiner Bevölkerung verloren und kann für Jahre und Jahrzehnte nicht zurück ans Licht, und doch hat man seine Feinde besiegt. Paris ist Schlacke, doch Moskau gibt es nicht mehr. Man hat alles gewonnen und doch mehr verloren, als man sich je vorstellen konnte. Man sitzt in seinem Bunker und ist allein, allein mit der Schuld.

Ein großartiges, ernstes, zutiefst berührendes Spiel.

Bad Taste

Ich gehe ja sehr gerne in die Sauna. Außer wegen der offensichtlichen Genuss- und Gesundheitsgründe auch wegen der vielen nackten Menschen.

Der vielen unheimlich dicken und radikal behaarten nackten Menschen.

Bevor der geneigte Leser jetzt aber in höchstem Ekel und größter Abscheu zur Sitte rennt, sei ihm zur Erklärung geschrieben, dass ich vorgestern zum ersten Mal in meinem Leben auf einer Bad-Taste-Party war, manche sind halt Spätzünder.

Aber umso begeistertere.

Denn, noch mit dem ersten Bier an der Wand lehnend, konnte ich schon nicht mehr sagen, wer sich absichtlich schlecht angezogen und wer sich szenemäßig herausgeputzt hatte, wer immer schräg herumläuft und wer es einfach nicht besser weiß, kurz, was dieser "Bad Taste" eigentlich sein sollte.

Im Gegenteil, gerade die gelungeneren ungelungenen Outfits ließen ihre sonst vielleicht unscheinbaren Trägerinnen und Träger sehr angenehm auffallen, als sei es ihnen ganz egal, was sie trügen und wie sie wirkten und als seien sie nur hier, um Spaß zu haben, und viel davon.

Und das wirkt. Und sieht gut aus. Sexy.

Und macht ziemlich glücklich, weil, der aufwendigen Schalen absichtlich entkleidet, die Masken gewollt parodierend, die wahren Menschen unter den grellen Oberteilen und vergilbten Tennissocken durchscheinen. Einander ziemlich ähnliche Menschen. Und ziemlich liebenswerte.

Und genauso ist es in der Sauna.

Der Marken und der Macht enthoben erscheinen einander sehr ähnliche Menschen.

Sicher, einige haben ihre Füße, von anderen krummen Körperteilen nicht zu reden, seit Jahren augenscheinlich weder gesehen noch je benutzt. Sicher, einige Problembären erwarten mindestens Vierlinge, kleine fellige Tribbles wahrscheinlich. Sicher, man fragt sich laufend, was sich der Mann mit dieser Rasur nur um Gottes Willen gedacht hat und ob die alte Dame nun kleinere Büstenhalter kauft, seit sie sie über der Taille schließen muss. Die Variationen der Hässlichkeit sind schier unendlich, den weiter eher einer Birke denn einer Eiche und einem Waschbär denn einem Waschbrett ähnelnden Autor nicht unbedingt ausgenommen.

Aber man kann dort doch nicht umhin, in der allgemeinen, grundverschiedenen Nacktheit die überwölbende Gemeinsamkeit zu erkennen, die fundamentale Ähnlichkeit, die menschliche Zugehörigkeit, das wertvolle und liebenswerte Wesen in jedem.

Und das ist ein sehr gutes, weil humanistisches Gefühl.

Ein tolerant machendes Gefühl.

Ein friedensstiftendes.

Darum gehe ich so gern in die Sauna.

23.02.2007

Andis Namen bei Starbucks 1

But what's this long face about, Mr. Starbuck; wilt thou not chase the white whale? art not game for Moby Dick?

Heute habe ich zum ersten Mal bei einer Bestellung im Starbucks einen falschen Vornamen angegeben. Ein seltsam befreiendes Gefühl und der Beginn einer weiteren kleinen Serie für diese Seiten.

Welchen Namen? Für den Anfang nur eine einfache kleine Ehrbezeugung für das Elter, von dem noch vor wenigen kurzen Monaten niemand, niemand auf der Welt gedacht hätte, dass es einmal das verantwortlichere von beiden sein könnte.

Wenn das andere aber zu einem mit Regenschirmen SUVs zerstörenden Skinhead geworden ist, kann das geschehen.

Und man sich daher "Kevin" nennen.

Full Vinyl Jacket

Warum lief Herr B. Amok?

Ein paar Monate ist das misslungene Selbstmordattentat des Sebastian Bosse ja schon her, aber Wahrheiten verjähren nicht. Darum ein wenig Beschäftigung mit dem Abschiedsbrief des Amokläufers in seiner unzensierten Form:

Wenn man weiss, dass man in seinem Leben nicht mehr Glücklich werden kann, und sich von Tag zu Tag die Gründe dafür häufen, dann bleibt einem nichts anderes übrig als aus diesem Leben zu verschwinden. Und dafür habe ich mich entschieden. Es gibt vielleicht Leute die hätten weiter gemacht, hätten sich gedacht "das wird schon", aber das wird es nicht.

Wie ein Hologramm enthält im Grunde schon der erste Absatz des Briefes das gesamte Werk und lässt entsprechend eine Betrachtung aus allen Winkeln zu.

Eine Betrachtung, die einem das Herz bricht.

Denn es mag manchmal scheinen, als ob sich Tag für Tag das Pech häuft, bis es sich erstickend türmt, umso mehr für einen gemobbten 18-Jährigen, dem die letzten Reste des schützenden Schleiers der kindlichen Naivität davonwehen, der sie erschreckend und entsetzend davonreißt.

Es mag manchmal scheinen, als ob

Geld alles regiert, selbst in der Schule ging es nur darum. Man musste das neuste Handy haben, die neusten Klamotten, und die richtigen "Freunde". hat man eines davon nicht ist man es nicht wert beachtet zu werden.

Als ob es nur in der Herde Wärme gäbe, nur in der Austauschbarkeit Erfüllung, nur in der Aufgabe seiner selbst Glück.

Als ob einer wie Arthas niemanden finden könnte, der ihn liebt, wie er ist.

Als ob es für einen wie ihn nur den Lichkönig gäbe, nur die unerbittliche und eiskalte Umarmung des Herrn der Untoten, nur den Gefrorenen Thron für tausend und tausend Jahre.

Für einen 18-Jährigen ohne Lebens- und ohne Liebeserfahrung mag es so scheinen. Es mag auch neun Jahre später so scheinen und fünf und zehn mal neun Jahre später, erdrückend wie der größte Gletscher des nördlichsten Kontinents, und nur die höchste Spitze, nur der Gefrorene Thron scheint im Zwielicht zu glitzern.

Ich will R A C H E

Aber es ist nicht so.

Und wenn jemand, irgendjemand eine, nur eine der hundert, tausend digitalen Spuren des Sebastian Bosse verfolgt und ernst genommen hätte und ihn in den Arm und ihm gesagt, dass es keine Täler geben kann, wenn es nicht auch Berge gibt, dass erst die Täler die Gipfel so majestätisch machen, dass den Aufstieg am meisten genießen wird, wer zuvor durch die tiefste Schlucht gewandert ist, kurz, dass es hinaufgeht, wenn man nur vorangeht, dann wäre vielleicht, möglicherweise, eventuell alles anders gelaufen.

Die Berge zu verleugnen, hieße der Hoffnung Abschied sagen. Die Sterne, um mit Oscar Wilde zu sprechen, zu verleugnen, hieße dem Leben Abschied sagen.

Wir mögen alle in der Gosse liegen, und es mag in manchen Momenten furchtbar sein, bis ins Innerste furchtbar und kalt und einsam, und der Lichkönig flüstert heiser zu uns.

Aber es gibt die Sterne.

Und wir können, anders als Oscar Wilde, nicht allein zu ihnen sehen, sondern zu ihnen fahren.

Und Freiheit finden.

Und Glück.

Hätte jemand, irgendjemand Sebastian Bosse dies gesagt, dies gezeigt, es hätte anders kommen können.

Aber in einer Welt, die die pubertäre, durchschaubare, simplizistische Kritik eines 18-Jährigen zensieren muss, in einer Welt, die wie Nebukadnezzar träumt, auf wackelnd tönernen Füßen zu stehen, in einer Welt, die den leisesten Zweifel an ihr selbst nicht auszuhalten vermag, in einer Welt also, die sich nur zu gern der tötenden Umarmung des Untoten hingibt, hört einen niemand sagen und niemand zeigen und niemand schreien.

Sehen wir ins traurige Kindergesicht von Sebastian, in dieses flaumige, schüchterne Gesicht und machen uns gegenwärtig, dass dieser junge Mann heute noch am Anfang seines Lebens stehen könnte und es in tausend und tausend Inkarnationen auch tut.

Für ihn kommt jeder Ruf, jede Hilfe zu spät.

Aber nicht für die, die sind wie er.

Nicht für die Welt, die die wie ihn in kalte, gepanzerte Arme treibt.

Und nicht für die Sterne, die, wirklich glitzernd, uns erwarten, zu ihnen zu fahren.

Zu ihnen zurückzukehren.

Sebastian Bosse

20.02.2007

Ein schönes Wochenende

Für ein Debattierturnier in Bremen gewesen. Bis auf etwas opulente Wartepausen vorzüglich gefüttert, bewertet, betreut und befeiert worden. Ohne Siegambitionen hingefahren, mit dem immer verlässlichen Teampartner J. fast bis ins Halbfinale gekommen und schließlich noch im oberen Drittel des Feldes von 104 gelandet. Quasi ein komplettes Wochenende nur Englisch mit außergewöhnlich netten und interessanten Menschen aus zehn europäischen Nationen gesprochen, très cool. Den liebevoll hergerichteten ehemaligen Kasernencampus der recht unverdient in Finanznot gekommenen IUB, ab jetzt tatsächlich "Jacobs University Bremen", bewundert.

Der IUB-Campus

Auf einem Schiff übernachtet und auf einem anderen herzhaft gegessen.

Die Schulschiff Deutschland

Eine gute Führung durch die erstaunlich pittoreske Innenstadt mitgemacht und die erste Zigarre meines Lebens geraucht, die verfluchten Dinger darf man einfach nicht inhalieren!

Der Bonze des Monats

Ein richtig, richtig schönes Wochenende also, und gerne wieder.

Bis zum nächsten Jahr!

19.02.2007

Andis Abenteuer

Der normale Weg in die alte Heimat, reine Fahrtzeit 29 Minuten, ein Umstieg, zwei Tarifzonen:

Der alte Weg

Der gestern gefahrene Weg in die alte Heimat, reine Fahrtzeit 51 Minuten, zwei Umstiege, aber, Trommelwirbel, nur eine Tarifzone:

Der neue Weg

Und weitaus schöner, über den Bergen statt unter ihnen fahrend, durch den Wald führend, in dem ich als kleiner Junge gespielt habe, und interessant alle sozialen Schichten Stuttgarts streifend war die Reise auch. Gerne öfter.

Was vom Wochenende übrigblieb

Thutmosis der Dritte in der Disco gewesen. Aus demselben Club einige Stunden später weinend herausgestürmt und durch den peitschenden Regen vierzig Meilen nach Hause gerannt. Gut, eigentlich bin ich herausgegangen, und meine Augen waren so trocken wie der Himmel, und ich habe für die gut sieben Kilometer ein Taxi genommen, aber you get the picture.

Nach gepeinigtem Schlaf zwischen nassgeschwitzten Laken mit einer alten Rabenfeder einen zehnseitigen Brief in meinem eigenen Blut verfasst, während die Vorhänge am offenen Fenster im Sturm wild wehten und das Flackern der Kerzen irrlichternde Schatten an die Wand und auf meine breite, gebräunte Brust malte, die sich unter dem vor Schmerz zerrissenen weißen Rüschenhemd schwer hob und senkte, nur unterbrochen von grellen Blitzen und ohrenbetäubendem Höllendonner.

He, wenn ich schon ein bisschen übertreibe, dann richtig.

Hundert Meilen nur im vom heißen Blut roten und von salzigen Tränen durchnässten Hemd auf meinem treuen schwarzen Andalusier zu ihr galoppiert, den Brief mit einem Stein durch das Fenster aus Bleiglas geschleudert und zurückgeritten wie vom Teufel gejagt. Als mein Pferd vor Erschöpfung dampfend und mit kochendem Schaum vor dem Mund am Rand der Klippe tot umfiel, stürzte ich kopfüber in die brüllende See und kam erst am nächsten Tag im Haus eines armen Fischers zu mir, von Fieberkrämpfen und dem Alp gemartert. Seine schöne, junge Tochter tupfte mir den kalten Schweiß von meinen dunklen, goldenen Locken und verliebte sich in mich, natürlich, doch kaum, dass es mir besser ging, riss ich mich los und torkelte die letzten dreißig Meilen heim in meine Burg, wo mich schon ihre Antwort erwartete. Ich stieß meinen seit Kindstagen treuen Diener beiseite, der mir die Nachricht gereicht hatte, und schloss mich für Tage in meinem Gemach ein, bis ich blutüberströmt heraus- und zusammenbrach, nicht aber, bevor ich dem Herold meinen neuen Brief in die Hand gedrückt hatte.

Ich auf meinem Hengst

Ich stand mit meinem anderen Pferd auf einem grünen Hügel vor ihrem Schloss, ihre zweite Antwort in der einen und die ledernen Zügel in der anderen Hand, den kräftigen Hengst zwischen meinen Beinen, und sah in ihre Augen, die in den Splittern des Fensters im Schein der Sonne tausendfach schön strahlten. Ich lächelte und nickte und machte kehrt. Und ritt, immer schneller werdend, zum Strand.

Ich hatte zwar geschrieben, dieses Jahr mehr leben zu wollen. Aber, übernatürliche Entität meiner Wahl, können wir die Dosis vielleicht ein klein wenig verringern?

Tetris Live

Was haben eigentlich die ganzen Verrückten gemacht, bevor es das Internet gab?

Ein Panda niest

Klasse.

18.02.2007

Arthas

Ich habe in meinem Leben noch nicht eine Minute "Warcraft III" gespielt, obwohl ich damit laut übereinstimmenden Zeugenaussagen etwas verpasse. Aber als weitreisende Menschenkriegerin in "World of Warcraft", worüber noch zu schreiben sein wird, ist es geboten, sich mit den Völkern und der Geschichte seiner Welt auseinanderzusetzen, besonders der ihrer dunkelsten Stunden.

Maivven

Arthas Menethil war der Kronprinz von Lordaeron, der Stolz seines Vaters und der Lieblingsschüler seines Lehrers, und als die Dämonen und die Untoten in das Reich des Königs kamen, stand er an vorderster Front, um sein Volk zu schützen.

Doch es war schon zu spät, und die Bewohner einer Stadt hatten bereits von der vergifteten Saat gegessen, die auch sie bald in Untote verwandeln sollte.

Und Arthas ließ sie töten, die Männer, die Frauen, die Kinder, alle bis zum letzten Tier.

Auf der Jagd nach dem Dämon, den er für das vergossene Blut verantwortlich glaubte, fand er im eisigen Herzen des nördlichsten Kontinents ein verwunschenes Schwert: Frostmourne. Er rief, er werde alles geben, jeden Preis zahlen, wenn das Schwert ihm nur helfe, sein Volk zu retten, und Frostmourne kam aus dem Kristall frei, in seine Hand, und fing an, in seinem Kopf zu flüstern.

Und der Prinz ermordete seinen eigenen Vater, den König.

Nach weiteren Untaten, weiteren Greueln, weiterem Blut, das die Klinge des Schwertes rot färbte, kehrte Arthas zu den Gletschern Northrends zurück und erklomm den höchsten und größten von ihnen, Icecrown, die verblassenden Stimmen seiner ehemaligen Freunde und Lehrer im Ohr, und stand schließlich vor dem Gefrorenen Thron, dem Gefängnis des Lichkönigs.

Der Lichkönig, einmal ein Orkschamane, hatte Frostmourne erschaffen, hatte Arthas' verführbaren Geist von dem Moment an, in dem er den Griff des Schwertes umschloss, nach und nach vergiftet und war nun, endlich, endlich an seinem Ziel, Freiheit, Allmacht, Rache. Ein vorletztes Mal sprach er in Arthas' Gedanken:

Return the blade ... Complete the circle ... Release me from this prison!

Mit einem gewaltigen Schrei zerschlug der Prinz das Eis, das den Thron umgriff, und er nahm den fürchterlichen Helm des Königs und setzte ihn auf, und als er seine Augen aufschlug, hörte Arthas Menethil mit diesen Worten auf zu sein:

NOW, WE ARE ONE!

Der neue König der Untoten sitzt auf seinem kalten Thron und befehligt seine Heere mit seinem gottgleichen, unbeugsamen Willen, von unendlichem Unleben beseelt, unendlich mächtig, unendlich rachsüchtig, unendlich einsam.

Warum nun diese Nacherzählung einer allerdings ziemlich coolen Storyline, die man aber auch ohne Weiteres an den einschlägigen Orten nachlesen könnte?

Ich werde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass Arthas mir etwas zu sagen hat.

Sollte ich vielleicht davon absehen, meine weisen Lehrer abzuschlachten?

Sollte ich in Zukunft keine runenverzierten Klingen mehr aufsammeln, die nachts heiser zu mir sprechen?

Oder ist es doch wieder nur, dass es eben schwer ist, ein Mädchen zu finden, wenn man hinter "Lieblingsfilm: Casablanca" und "Lieblingsessen: Austern im Kerzenlicht" schreibt, "Lieblingsuntote: Liches", und weder erklären müssen will, was Liches sind, noch es nicht erklären müssen will? Nerds sind schlimm.

Ich stand vor einem Werbeplakat. Im neugierdehalber für eine halbe Stunde heruntergeladenen Second Life, der letztgültigen Travestie des Kapitalismus, vor einem Werbeplakat für den Kauf eines Penis, stand mit meinem Avatar "Arthas Renoir" davor und dachte nach.

Über "Moby-Dick".

Forehead to forehead I meet thee, this third time, Moby Dick!

Bei meinem letzten Wikipediaanfall - man kennt das, will "kurz" einen Begriff recherchieren, folgt im entsprechenden Artikel zwei, drei weiteren Links und schaltet Stunden später im Morgengrauen mit viereckigen Augen den Computer aus, mit Halbwissen vom Hölzchen bis zum Stöckchen übervoll - war ich auf ein hochinteressantes Paper gestoßen, das belegt, dass das Spermaceti-Organ von Pottwalen als effektiver Rammbock bei Paarungskämpfen dienen kann.

Und ich dachte, wie recht der alte Ahab doch hatte.

Und ich dachte, wer weiß heute schon seit seinem 15. Lebensjahr wie ich, dass Pottwale ein Spermaceti-Organ haben und warum Spermaceti Spermaceti heißt?

Und ich dachte, wer findet schon Paper über die Funktion dieses Organs als Rammbock faszinierend, nachdem er Bio nach der elften Klasse abgewählt hat?

Und ich dachte, wer merkt sich schon über "Second Life" zuallererst, dass man dort Penisse kaufen kann wie Rüben, und geht gleich nach seiner virtuellen Inkarnation einen suchen, nachdem er überlegt hat, ob er sich Arthas, Sephiroth oder Vader nennen soll, irgendetwas haben die drei doch gemeinsam?

Und ich dachte, wer hat überhaupt Lieblingsuntote, und dann auch noch Liches? Und findet es ausgesprochen lustig, dass Liches und orthodoxe Juden beide sogenannte Phylakterien nutzen, erstere für ihre Seelen, letztere für Torahverse? Ist ja für beide irgendwie auch dasselbe.

Welche platonische Hälfte, und das ist auch wieder so ein Begriff, nicht wahr, formt mit meiner eine Kugel?

Mind you, ich schreibe das in einem antizyklischen, also ziemlich zufriedenen Moment, aber der Sklave, der im Augenblick des Triumphes den Lorbeerkranz über den Kopf des Cäsars hielt, flüsterte ihm auch memento mori ins Ohr, bedenke, dass Du sterblich bist.

Arthas hätte einen solchen Sklaven gut gebrauchen können.

Ahab erst recht.

Faszinierende Figuren sind sie trotzdem. Oder deswegen.

Aber auch einsame.

15.02.2007

Zwei Jahre und ein Tag Soapbox

Ich wünschte, ich hätte die Zeit, einen so elegischen wie humorvollen Rückblick zu schreiben und all denen zu danken, die mich und meine nichtswürdige Seifenkiste inspiriert und bereichert, begleitet und beschenkt haben. Aber ich denke, der beste Dank ist, diese Zeit für neue Einträge zu nutzen.

14.02.2007

Der Weg zur Hölle

Benjamin Franklin über Freiheit

Eigentlich dachte ich, ich hätte hiermit schon alles Nötige zu unserem Bundesminister des Terrors gesagt. Aber nach einer flüchtigen Phase der Besinnung ist der alte Schäuble zurück, und es scheint, als wolle er sich bitter und blutig rächen, an der Welt und an sich selbst, dass er sich, für einen Moment nur, erlaubte, menschliche Regung zu zeigen.

Zeit also für einen kleinen Tanz um Artikel 20 Absatz 4.

Danse macabre.

Heißt es in der "taz":

Haben Sie Angst vor den sogenannten Trojanern, also vor Spionagesoftware?

Nein, ich öffne grundsätzlich keine Anhänge von E-Mails, die ich nicht genau einschätzen kann. Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.

Und das ist das Einrasten des schweren, schwarzen Schlüssels im Tor der Hölle. Denn, Wolfgang, Koffer-Wolfi, Rolli-Wolle, das ist das Elend, das ganze: Nicht Du bestimmst, ob Du anständig bist.

Sondern der, der die Macht hat. Jaja, jaja, heute bist das Du, heute schreibst Du das Gesetz, beschließst es und führst es so aus, wie Du es Dir gedacht hast, natürlich außerordentlich verantwortlich, nur mit dem Aller-Allerbesten im Sinn, Rosen im Kopf und Zuckerwatte im Herzen.

Aber morgen bist Du weg. Morgen bist Du alt. Morgen explodiert eine Bombe in Berlin. Morgen geht das Gespenst des bösen braunen Muselmanns um in Europa.

Dann franst Dein maßgeschneidertes Gesetz plötzlich aus.

Weil sein neuer Träger etwas dünner ist als Du.

Etwas nervöser als Du.

Etwas weniger anständig.

Dann sagt er sich, auch wenn der Anzug zwickt, die Zange grob ist, das Skalpell rostig, eine Bombe in Berlin ist explodiert und die Gespenster gehen um, und schließlich:

Die meisten Menschen sind über Terrorismus und Kriminalität beunruhigt, nicht über polizeiliche Schutzmaßnahmen. Sie wollen, dass der Staat ihre Sicherheit garantiert. Dazu muss er auch neue Technologien nutzen. Wir können nicht stehenbleiben, wenn das Verbrechen und der Terrorismus immer neue Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung haben.

Und dann sagt er, und merkt in seinem kalt strömenden Schweiß und seiner Angst gar nicht, wie er sich widerspricht, ja, der böse braune Muselmann und seine neue Technik, der schreibt seine Pläne doch in rosa Tagebücher mit kleinen Vorhängeschlössern, wir müssen schleunigst in die Wohnungen und sie erbrechen, wozu haben wir schon eine grobe Zange, wenn wir sie nicht nutzen können, nicht wahr? Nicht wahr?

Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.

Und weißt Du, wenn sie kommen und Deine Tür in Splitter treten und Dein Sofa aufschlitzen und Deine Akten und das Kissen, das Dir Deine Frau genäht hat, das mit dem Herzen darauf, um das Geld zu finden, Du weißt schon welches, dann werde ich ihnen das Messer in die Hand drücken.

Und ich werde lächeln dabei.

Und dann sagt er, der neue Träger, ja, die Wirtschaft, die Gesundheit, der Wettbewerb, wir müssen alles tun, um vorne zu bleiben, ganz egal wohin es geht, können uns keine Schwäche erlauben, im Angesicht des bösen braunen Muselmannes und seiner hungrigen Horden, was kosten eigentlich diese ganzen Rollstühle und die, die darin sitzen, wozu haben wir schon ein rostiges Skalpell, wenn wir es nicht nutzen können, nicht wahr? Nicht wahr?

Der Gesetzgeber behält immer die Möglichkeit, einmal getroffene Entscheidungen später zu revidieren. Da lege ich mich jetzt nicht fest.

Und weißt Du, wenn sie kommen, in der Nacht, wenn es Neumond ist und die dunkelste Stunde kurz vor der Dämmerung, und Dich wecken und Dich herauszerren und in einen unmarkierten Transporter hinein, in dem Du nicht sehen kannst und nicht schreien, und Dich dorthin bringen, wo sie Lampenschirme machen, Lampenschirme aus Deiner Haut, dann werde ich ihnen die Tür aufhalten.

Und ich werde lachen dabei.

Ganz anständig lachen.

07.02.2007

Virales Marketing

Selbst der biedere Hygieneartikelhersteller CWS springt auf den Zug auf. Aber gar nicht unelegant.

Astronautin jagt Rivalin, trägt Windeln

Haben wir jetzt schon den Gewinner für die verrückteste Story 2007?