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30.03.2007

Amerika, Dich hasst sich's besser

Mehr Deutsche fürchten sich vor den USA als vor dem Iran.

Claus Christian Malzahn schreibt dazu ausgerechnet im "Spiegel" die Erwiderung, die ich auch gerne verfasst hätte, nur weniger höflich. Ich beschränke mich daher auf ein kurzes Gleichnis:

Wer als Deutscher allen Ernstes glaubt, dass von den USA eine größere Gefahr für den Weltfrieden ausgeht als vom Iran, würde auch seinem Raubvergewaltiger auf Knien, auf Knien danken, dass er dabei zusehen durfte, wie dieser zuerst die einjährige Tochter ausgeweidet und aufgegessen hat, sein Grinsen von Blut und Knochen seines eigenen Kindes gesprenkelt. Und er verdient genau diese Behandlung, genau diese.

Hey, diese neuen Anti-Aggressionspillen funktionieren super, mein Puls ist nie höher als 85 gestiegen!

Ich beim Abendessen

Zurück zur Wirtschaft

Der "Zeit" enthoben, kann ich mich bald wieder dem unübertrefflichen "Economist" zuwenden und damit interessanten Wirtschaftsthemen. Vorher aber noch eine kleine Nachlese einschlägiger Artikel aus ersterer Publikation.

Die amerikanische Immobilienblase verliert Luft. Warum das schlecht ist, steht hier. Weil die außeramerikanische Wirtschaft in den letzten zwei Jahren zum Glück aber wieder besser Fuß gefaßt hat, könnte es auch weniger schlimm kommen als befürchtet.

Oder nicht. Denn wenn China in die Knie geht, fällt die Welt auf die Fresse.

Und schließlich sollten wir, wenn der Markt unser Sein, unser politisches Sein schon so sehr bestimmt, Konsumentscheidungen auch als politische Entscheidungen begreifen. Oder, wenn uns das zu anstrengend ist, eben warten, bis die durch den Markt groß gewordenen heute Kleinen für uns entscheiden. Soll sich dann aber keiner wundern, wenn sie uns mit Genuss und im Zeitraffer dasselbe antun, was wir ihnen in den letzten fünfhundert bis tausend Jahren zugefügt haben. Qui tacet consentire videtur.

Coole Sachen

Erste zarte Blüten des Widerstandes gegen den epidemisch grassierenden Glauben, man müsse mit 21 gefälligst seinen Master cum laude abgeschlossen haben und dabei zwei Jahre im Ausland und vier im Beruf gewesen sein, wobei man weder mit einem Partyfoto noch einer nicht absoluten Opfer- und Versklavungswillen beweisenden studiVZ-Gruppe jemals im Internet zu erwischen sein dürfe, regen sich endlich auch medial. Wir werden es uns natürlich nicht nehmen lassen, uns demnächst zum veritablen Amorphophallus dieser Résistance zu wandeln.

Helmut Schmidt liest offenbar mein Blog und warnt vor einem neuen atomaren Rüstungswettlauf. Wenigstens wird das Thema dann endlich wieder hip sein.

Gero von Randow schreibt ziemlich treffend über die Lebensbejahung des Atheismus, und Josef Joffe erinnert zum Fünfzigsten mehr als zurecht daran, warum Europa so toll ist. Zu den letzten Ausgaben meines ausgelaufenen Abonnements immerhin noch einmal ein paar erfreuliche "Zeit"-Zwischenwürfe.

Habt Ihr's gewusst? Die Welt ändert sich.

Noah Kalina fotografiert sich selbst seit sieben Jahren jeden Tag.

Und Matt Harding tanzt sich um die Welt.

Coole Sachen!

29.03.2007

Knut der Eisbär

Inmitten der überwältigenden globalen Zuneigung zum bald über eine halbe Tonne wiegenden und nach dem Fleisch kulleräugiger Robben hungernden Eisbärenjungen des Berliner Zoos möchte ich natürlich auch nicht zurückstehen und Euch daher mit den frischesten Knut-News unter- und auf dem Laufenden halten. Los geht's!

Kleiner Kunuto (3) aus dem Kongo krepiert, wog nur 7 Kilo

Ach nein, Moment, ein bedauerliches Missgeschick, ich muss auf den falschen Feed geklickt haben. Jetzt aber:

Süßer Kun To (5) aus Can Tho von Polio entstellt, zu arm für Impfung

Sowas, die Gesundheitsnachrichten scheinen schlecht sortiert zu sein. Ich entschuldige mich wirklich für diese Unannehmlichkeiten, aber jetzt kommt Knut:

Die Bäuerin Fatima Tosca (20) ist bei der Totgeburt ihrer Zwillinge in einer Lehmhütte im Westen Sudans jämmerlich verblutet. Die Schwangerschaft war das Resultat der mehrfachen Vergewaltigung Toscas durch Janjaweed-Milizen. Als Tosca starb, rief sie, dass sie ihren Mann Lassa (25), der sie verstoßen hatte, immer noch liebe, doch niemand war da, um ihre letzten Worte zu hören.

So ein Schwachsinn, jetzt sind sogar Zeitungsenten dabei, woher will man denn wissen, was sie gesagt hat, wenn kein RBB-Reporter und keine einzige RTL-Kamera dabei waren? Also wirklich, heute ist echt irgendwo der Wurm drin! Naja, ein letztes Mal versuche ich es jetzt noch - hier ist endlich Knut!!

Berlin (al), 23. März 2007
Während die Menschen und die Medien auf das Eisbärenjunge Knut starren, das heute seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte, öffnen sich angesichts der tapsigen Bewegungen, des weichen Fells und der Knopfaugen des polaren Raubtiers ihre Herzen und ihre Brieftaschen. Auf der Rückfahrt aus dem Berliner Zoo, dessen Vorstand sich seit Knuts Geburt am 5. Dezember 2006 täglich trifft, um zu den neuesten Bildern des Bären gemeinsam zu masturbieren, mit brennenden Geldscheinen sündteure Zigarren anzuzünden und erlesenen ukrainischen Zwangsprostituierten Dildos aus massivem Gold in den Anus einzuführen, kommen die Knut-Fans am alltäglichen Elend und Leid einer typischen Großstadt vorbei, oft weniger als eine Armlänge von multimorbiden Obdachlosen, alkoholkranken Straßenkindern und Frauen mit von Prügeln zugeschwollenen Augen entfernt.

Und sehen weg.

Ich geb's auf! Hier nur noch ein süßes Foto von Knuddel-Knut:

Knut der Eisbär

21.03.2007

Man at work

Ich bei der Arbeit

(Symbolfoto)

Ich würde ja gerne viel mehr bloggen. Aber ich muss schuften wie ein zehnjähriger pakistanischer Teppichknüpfer, mir nebenher einen neuen Mitbewohner suchen, brillante Themen für Hausarbeiten erdenken und weiter reisen, als es die meisten Menschen auf der Welt in ihrem Leben auch heute je tun werden, und alles noch vor dem Wochenende. Ab April wird's besser!

11.03.2007

Der Scharfmacher

So wird hierzulande Deutsch gelehrt, und wer nicht spurt, wird zu einem Stummel zerspitzt! Lest weiter bei Anna Kühne (Link nicht mehr aktuell).

Deutsch Eins für Ausländer

10.03.2007

Murat Kurnaz

Eine weitere Folge des Schäubleschen Denkens, abgesehen davon, dass es jeder Vorstellung von Menschlichkeit und Mitleid himmelschreiendst spottet, und wir wollen nur für die Dauer dieses Eintrags so tun, als wäre das nicht schon längst, längst Grund genug, zum Artikel 20 Absatz 4 zu greifen und allem, was er mit sich bringt: Wenn man in einem ausländischen Gulag landet, wird man von der deutschen Regierung darin schmoren gelassen. Mehr noch, sie spuckt auf einen, von ganz tief hochgerotzt.

Abstoßend.

09.03.2007

Ariadne von Schirach

Entsinnen wir uns noch dieses Eintrages über einen grausamen, grausamen "Spiegel"-Artikel selbiger Autorin?

Jetzt hat sie, oh Gott, ein fast 400 Seiten langes Buch daraus gemacht.

In einer "Zeit"-Anzeige zur Veröffentlichung fällt mir zuerst ihr Gesicht auf. Ein schönes, blondes Gesicht mit runden Wangen und einer niedlichen Nase, wachen Augen und forschendem Blick. Rechts davon der Titel, auf dem vor allem groß "Lust" steht. Darüber ihr Name, bei dem man sich sofort fragt, ob ...und ja, sie ist sogar seine Enkelin. Da sind ihr selbstverständlich völlig uneigennütziger Förderer Matthias Matussek, ausgerechnet, und dessen ejaculatio praecox "Ein wundervoller Text ..." am Ende der Anzeige nur mehr unnötige heiße und stinkende Luft, der erwartet gewaltige Medienorkan ist schon unterwegs.

Jung. Blond. Frau. Ficken. Führer.

Es ist, als hätte eine gute Fee die heimlichsten und dunkelsten Obsessionen des Deutschen, des Deutschen an sich erraten, all seine Wünsche gewährt und sie in Ariadne von Schirach und ihrem Buch verkörpert, fehlt nur noch, dass sie zugibt, dass sie einmal Sex mit einem Daimler hatte oder wenigstens mit Dieter Zetsche:

Seine Glatze schillerte wie die Motorhaube eines SL500 im Lichte eines New Yorker Herbstmorgens, und ich strich lachend darüber, auch weil sein Schnauzer mich kitzelte. Er sah, zwischen meinen Beinen, fragend auf, und ich drückte ihn erneut nieder und rief: "Ich bin Amerika, Dr. Z! Erobere mich mit deutscher Wertarbeit!! Importiere Deinen Maybach 62!!!"

Nur impotente und frigide Spielverderber würden bei einer solch feuchtfröhlichen nationalen Orgie nachfragen wollen, was es eigentlich mit dem Inhalt eines Buches zu tun hat, wie seine Autorin aussieht, ob es nicht seltsam ist, dass ein "von", und dann gar ein "von Nazi" auch über sechzig Jahre später noch immer erstaunlich viele Türen zu öffnen scheint, und ob die "Thesen" der Frau von S. es überhaupt im Ansatz wert sind, mit derartiger Resonanz verbreitet zu werden. Und darum tue ich es auch nicht.

Sondern google weiter nach "Ariadne von Schirach nackt".

08.03.2007

Rauch aus dem Maschinenraum

Weißer Rauch.

Endlich die schon seit langem geplante und halbfertige Generalüberholung meines Blogs vollzogen. Alles sollte jetzt runder, schneller zu laden, einfacher zu bedienen und zugänglicher sein. Demnächst werden auch meine Labels ihre Arbeit aufnehmen. Bei Bugs, Missfallen, Kritik oder Lob - merkt auf!

Bambis Mutter

Der Kardiologe meint, dass meine Aorta platzen wird, wenn ich mich noch einmal zur "Killerspiele"-Debatte äußere. Ich soll des "Stürmers" würdige Hetzschriften und der "Deutschen Wochenschau" vom Sommer 1941 entnommene Fernsehbeiträge zum Thema ruhig wie Siddhartha hinnehmen und höchstens auf meinen älteren Beitrag verweisen oder auf den immer noch hervorragenden von Quality.

Nur ...ein ...einziger ...Punkt: Wenn über Türken, Schwarze oder Lesben so berichtet würde wie über "Killerspiele", hätte jeder Verständnis, jeder, wenn selbige die schuldigen Redakteure sofort und auf offener Straße lynchen würden. Suum cuique.

Ach, noch eins, damit es nachher vor Gericht nicht wieder heißt, dass ich nur einen blutrünstigen und irrationalen Hass auf alles hege, was sich heutzutage und hierzulande "Journalist" nennen darf, ohne die geringste Voraussetzung dafür mitzubringen, zum Beispiel ein durchblutetes Gehirn oder auch nur einen einzigen Wirbel im Rückgrat: Die sogenannten "Politiker", die sich mit diesem Thema profilieren, sind wie Metzger, die knietief in Blut waten und dicke Tränen vergießen, wenn Bambis Mutter erschossen wird.

Na, geht doch auch ohne Infarkt!

07.03.2007

Mein Name ist Lazar, ich weiss Bescheid

Maria Furtwängler-Burda flüchtet vor dem menschenfressenden Iwan aus Ostpreußen, und es gilt alles, alles, was ich vor einem Jahr über "Dresden" gesagt habe.

Die "Neon" wiederholt, was ich vor Weihnachten über die eierlosen, sich vor "dem Islam" in die Hose scheißenden deutschen Komiker geschrieben habe. Es tut so weh, immer Recht zu haben!

Dass Airbus trotz stalinistischer Jungfernfluginszenierungen nicht mehr vom Boden kommt, liegt an eben diesen Inszenierungen und dem sich in ihnen wie auch in abstoßenden Schmähbriefen wie diesem ausdrückenden kryptoantisemitischen und offen rassistischen Antiamerikanismus. Ist eben leichter, im Auge des Anderen nach Körnern zu popeln, anstatt sich seine eigene Blindheit einzugestehen.

Zum Abschluss etwas, was auch ich noch nicht wusste: Was essen wir eigentlich?

06.03.2007

Singende Pferde

Klickt alle an!

Verloren

Mit bester Regisseurin A. und talentierten Freundinnen A. und M. schon vor ein paar Monaten auf der deutschen Vorausscheidung des Internationalen Festivals für Theaterregie in Heidelberg gewesen, in 15 Minuten Molière, als passiv-aggressiver verlassener Liebhaber der bei uns weiblichen Doña Juana.

Ich hatte selten ein so gutes Gefühl nach einem Auftritt. Alles hat ineinandergegriffen und wahnsinnigen Spaß gemacht.

Leider hat die Jury zwei andere von den insgesamt acht Gruppen erwählt. Sehr schade.

Immerhin sind ein paar gute, herzerweichende Backstagetrauerfotos entstanden.

Heidelbergtrauer zum Ersten ...

...zum Zweiten ...

...und zum Dritten

05.03.2007

Third Rate in Second Life

Die Berichterstattung der "Süddeutschen" habe ich noch ignoriert.

Über den "Second Life"-Artikel in der "Zeit" habe ich schon die Stirn gerunzelt.

Auf dem Titel des "Spiegels" aber hat die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht.

Der Spiegel über Second Life

Zeit, ihr Einhalt zu gebieten.

Das Magazin vom 17. Februar also gekauft und aufgeschlagen, um gleich auf der Hausmitteilungsseite den ersten Schock zu erleiden: Rebecca Casati, meine ganz besondere Freundin, schreibt für den "Spiegel", sie? Und dann gleich über "Second Life", sie mit ihrer fundierten technischen Ausbildung?! Und was um Guccis Willen hat sie auf ihrem Foto eigentlich für eine grottenhässliche Fantasieuniform an, sie, Rebecca Casati?!? Überflüssig zu erwähnen, dass der protofaschistische Matthias "Ich bin Deutschland" Matussek und das One-Trick-Pony Moritz von Uslar als am folgenden Schwanengesang des kompetenten und recherchierenden deutschen Journalismus mitschuldige "Redakteure" Casati nur zu gut ergänzen.

Hastig zum Artikel weitergeblättert, der natürlich mit allerdings virtuellen, aber dicken Titten aufmacht, und würgend die ersten beiden noch viel dickeren Klöpse geschluckt: die "erste echte Millionärin aus 'Second Life'", Ailin Gräf alias "Anshe Chung", und die Benutzerzahl von "3,5 Millionen", nach "Spiegel"-Rechnung mittlerweile also über vier Millionen.

Nun bin ich kein Journalist und habe nicht eine Minute der harten und lehrreichen Ausbildung durchlaufen, die ein "Spiegel"-Mitarbeiter zweifellos aufweist, den Schiffsjungen lässt man ja nicht ans Steuer des Flugzeugträgers. Auch von Wirtschaft verstehe ich nicht mehr als ein wenig interessierter Laie, sicher so gut wie nichts verglichen mit den ausgewiesenen Experten, die der "Spiegel" jederzeit zur Verfügung haben kann.

Selbst einem Protogehirn wie Matussek sollte also, wenn schon nicht selbst, so doch durch Zuarbeit seiner Schergen und Wasserträger auffallen, zum Beispiel mit zwei Klicks, zwei f'ing Klicks und zehn Sekunden Denken auf der "Second Life"-Website, dass "eine Million" keine Million ist, wenn das tägliche Börsenvolumen eine Viertelmillion kaum übersteigt und liquide und immobile Werte der Spielwirtschaft zusammen nur grob zwanzig Millionen umfassen (Links nicht mehr aktuell).

Für die Casatis dieser Welt noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben: Wenn ich auf einem riesigen Goldwürfel hockte, in den ein Zwanzigstel allen je geförderten Goldes auf der Welt geflossen wäre, dieser Klotz wöge dann über 7.000 Tonnen und hätte eine Kantenlänge von etwas über 7 Metern, wäre ich dann reicher als Bill Gates oder wenigstens Gott, wenn ich ihn verkaufte?

Mein Goldwürfel

Nein.

Weil mein Würfel jede Börse der Welt sprengen und den Wert des Goldes tief in den Abgrund reißen würde. Denn zuviel Angebot zerstört den Preis, meinen Preis. Mir bliebe daher nur, Stück für Stück des Kolosses abzuhobeln, nach und nach zu verkaufen und zu hoffen, den Preis nicht auf Dauer zu ruinieren. Einfacher Reichtum sieht anders aus.

Ich schäme mich, dem "Spiegel" erklären zu müssen, was ein Zehnjähriger im Wirtschaftsunterricht lernt.

Aber es geht ja glatt so weiter. Auf die gleiche Weise unhinterfragt verbreitet Deutschlands "führendes" "Nachrichten"magazin Benutzerzahlen, die sich mit denselben zwei Klicks wie zuvor, denselben zwei Klicks als absurd aufgeblasen entlarven: Von über vier Millionen im Spiel Angemeldeten hat sich gerade mal jeder Vierte während des letzten Monats eingeloggt, jeder Hundertste einen bezahlten Account gekauft und jeder Dreihundertfünfzigste mehr als ein winziges Taschengeld verdient. Sieht man sich dazu auf der "Second Life"-Homepage die Zahl der gleichzeitig aktiven User an, die kaum je 30.000 überschreitet, und zieht von den zuletzt Eingeloggten die nicht unbeträchtliche Anzahl derer ab, die diesen überfrachteten und unbedienbaren 3-D-Chatroom einmal ausprobiert und für ungenießbar befunden haben, ist es wohl fair zu sagen, dass "Second Life" zur Zeit auf etwa 300- bis 500.000 wiederkehrende Spieler zählen kann. Es wächst, stark sogar, aber keinesfalls um "600 Prozent", wie der "Spiegel" jubelpersert, und es bleibt zu sehen, wie lange die Expansion nach dem Abebben des Jubeljournalismus andauern wird. Eine Revolution sieht anders aus.

Ich schäme mich, dem "Spiegel" zeigen zu müssen, dass sie ihre Recherche auf der f'ing "Second Life"-Website selbst hätten durchführen können.

Fast verzeihlich erscheint es angesichts dieser für jedes mecklenburgische Dorfblättchen unverzeihlichen Böcke, dass Matussek seitenlang über Masken, Avatare und Baudrillard masturbieren darf, obwohl nichts rauskommt, dass die 36-jährige Casati offenbar und absolut erschreckenderweise weder weiß, was "lol" heißt, noch, dass "hun" eine Abkürzung für "honey" ist, also soviel wie "Schatz" oder "Liebling", Rebecca, Liebling, dass der zwischendrin interviewte "Medientheoretiker" Peter Weibel vor allem ein großer Praktiker der Absonderung möglichst heißer, übelriechender und vorverdauter Luft ist, und dass kein Wort, kein einziges Wort über die eigentlich interessanten Aspekte des Phänomens verloren wird, zum Beispiel die Fragilität der "Second Life"-Wirtschaft, in der jeder zehnte an der Währungsbörse gehandelte Spielgeldschein ein von der Betreiberfirma frischgedruckter ist, um den Kurs des "Linden" zum US-Dollar stabil zu halten. Muss ich hinzufügen, dass auch diese Information für alle lesbar auf secondlife.com steht?

So man denn die Grundrechenarten beherrscht.

Ich schließe das Heft und schäme mich.

Schäme mich für ein Land, dessen journalistisches Flaggschiff abgesoffen ist, mit Mann und Maus abgesoffen.

Und auf dessen Deck trotzdem weitergefeiert wird.

Nie mehr von meinem Geld.

Ich bin Matthias Matussek!

04.03.2007

Nachlese

Hier ein paar Fußnoten zu einigen Einträgen der letzten Zeit.

Die Allusion am Ende dieses etwas pathetischen Eintrages ist eine auf den wunderbaren Film "Gattaca", den ich kürzlich wiedergesehen habe und der von Jahr zu Jahr wahrer wird.

Schäuble würde auf diesen Artikel abspritzen.

Das Zitat am Anfang dieses Eintrags ist, arroganter Einschub: natürlich, aus der Bhagavad-Gita und bekannt geworden durch dieses berührende Statement von Robert Oppenheimer Jahre nach dem Trinity-Test, ergoogelt es Euch schon, Unwissende:

In diesem Artikel über die jüngste Geschichte Ghanas steht nichts, was einen auch nur flüchtigen Afrikakenner überraschen sollte, aber offenbar besteht hier nicht nur filmisch breiter Aufklärungsbedarf. Soll von mir aus so sein, aber einen besseren Trailer als den von "300" hat mir immer noch niemand genannt, will mich denn keiner knutschen?

Vom selben Bartholomäus Grill zum selben Thema und auch interessant: ein Abgesang auf die Entwicklungshilfe.

Und zurecht.

L'art pour l'art

Eine der besseren Lehren der Künstler ist, bei Gefallen sofort zu handeln und nicht zu zögern, um nicht die Angst und die Ausreden die Überhand gewinnen zu lassen.

Lächelt mich in der Disco also ein blondes Mädchen an, einmal, zweimal, dreimal, und ich habe schon mein Bier abgestellt, und diesmal auch meine Zigarette aufgeraucht, und als die sie und ihre ebenfalls blonde Freundin belagernden zwei Macker verschwunden sind, flüstere ich Freundin M. ins Ohr "Watch me go" und gehe los.

"Hallo, ich bin Andreas."

Und J. und A. aus P. an der D., dem I. und der I. haben mit ihren sehr netten b.ischen Dialekten schon einmal, zweimal, dreimal mit mir gelacht, als mir erst auffällt, wie völlig mühelos, angenehm sympathisch und sympathisch angenehm, kurz: angstfrei ich gerade gehandelt habe und wie unvorstellbar diese fünf Schritte mir noch vor nur vier Jahren gewesen wären, in meinem Alter ist das nicht so lange her! Euphorie durchflutet mich.

Gut, ich kann ja nicht riechen, dass die Mädchen in dieser Nacht den letzten Abend ihres einwöchigen baden-württembergischen Urlaubes bei A.s Tante und Anstandsdame verbringen und geboren wurden, als ich eingeschult wurde, ins Gymnasium eingeschult.

Aber als im Nachtbus heim noch "Purple Rain" vom so genialen wie Stöckelschuhe tragenden Prince läuft, ist der Abend trotzdem perfekt. Ich trommele den Takt.

03.03.2007

World of Warcraft

Wie versprochen.

Es gab eine Zeit in meinem alten Studium, als es mir weder damit noch privat gut ging. Eigentlich sogar eher schlecht. Statt meine Probleme aber aktiv anzugehen, habe ich mir das MMORPG (massively multiplayer online role-playing game) Star Wars Galaxies gekauft und es gespielt.

Fast ein Jahr lang fast ausschließlich.

Ich kann die Berichte über unglückliche Asiaten, die nach 48 Stunden Dauerspiel tot aus ihrem Stuhl fallen, über Eltern, die vor lauter Onlinespiel vergessen, ihr Kleinkind zu füttern, bis es verhungert, über Teenager, die einander real umbringen, weil sie sich virtuell Schwerter und Pferde abgeluchst haben, gut verstehen.

Sehr gut.

Das Glück, ein Engel und ich haben mein Leben dann für immer geändert. Meinen Geburtstag jenes schwarzen Jahres verbrachte ich auf Naboo, vor meiner Medipacks herstellenden Fabrik. Den nächsten und jeden seither auf der Erde, im Kreise meiner Freunde.

Entsprechend habe ich lange überlegt, ob ich die Zehn-Tage-Testversion von World of Warcraft installieren sollte, des mit mittlerweile über acht Millionen Abonnenten auf geradezu absurd eindeutige Weise erfolgreichsten MMORPGs aller Zeiten. Der trockene Säufer geht nicht mehr in die Bar. Der schuldenfreie Spieler geht nicht mehr ins Kasino. Ich aber habe WoW heruntergeladen und es gespielt.

Zehn Tage bis Level zehn.

Was, die Scriptkids lachen schon, fast omahaft langsam ist. Weil ich zwischendurch essen war, geschlafen und geputzt habe, ausgegangen bin, gearbeitet und gelacht habe. Weil ich gelebt habe.

Und, unglaublich, wenn man das tut, gewinnt auch das Spielen eine neue Dimension, tieferen, wahren Spaß nämlich. Weil es um nichts mehr geht. Weil man fest verwurzelt in der Erden steht und so Pixel Pixel sein lassen kann. Weil man sich hat, sich sicher hat. Wenn es einen Schlüssel zum Glück gibt, dann diesen. Ich halte ihn, fest.

Fairerweise muss man aber sagen, dass WoW auch deswegen so viel Spaß macht, weil es um Lichtjahre besser als SWG ist. Fast frei von Bugs und ständigen, alles umwerfenden Änderungen. Mit einem hervorragend intuitiven Interface und einem Füllhorn funktionierender Quests. Voller wunderbarer Landschaften, Möglichkeiten und Spieler. Zum Staunen gut. Entsprechend habe ich es auch gekauft und bin, meinen Zehn-Tage-Test-Charakter, eine menschliche Kriegerin namens Maivven weiterspielend, auf dem Sprung zu den höchsten Leveln.

Warum eine Frau? Wenn ich schon ständig auf den Hintern meines Avatars starren muss, dann soll es auch ein wohlgeformter sein, und Girls with Glaives haben auch dann was, wenn sie aus Polygonen bestehen.

So unkritisch jetzt, Du? Nein, MMORPGs sind natürlich darauf angelegt, ihre Kunden zu binden und latente Suchtdispositionen zu verstärken, indem immer neue, mächtigere Belohnungen in Aussicht gestellt und die Illusion der Immersion forciert werden, das ist genauso wie bei herkömmlichen Computerspielen oder in Monte Carlo, wo es keine Uhren gibt. Auf der Packung steht sogar in geradezu entwaffnender Offenheit, dass meine "epische Mission" niemals enden werde, niemals. Man stelle sich vor, Smirnoff würde damit werben, dass man niemals mehr von ihren Pullen loskäme, um zu erkennen, dass uns hier noch einiges an stammelnden Stoibers, zensurgeilen Becksteins und korrespondierender medialer Hysterie ins Haus stehen wird, bis wir einen einigermaßen verträglichen oder wenigstens wie in vergleichbaren Fällen verlässlich heuchlerischen Umgang mit dieser neuen Droge gefunden haben.

Und das nimmst Du einfach so hin und unterstützst sie sogar? Naja, ohne jetzt in einen langen Exkurs über die Freiheit zur Selbstzerstörung ausschweifen zu wollen, ist doch jeder frei, sich selbst zu zerstören. Man kann und sollte ihn warnen und alles tun, dass er es nicht tun möchte, aber die letzte Entscheidung bleibt doch seine. Ich meine, wir helfen besser mehr Menschen, sich den Schlüssel in die Hand zu geben, als die Zigarettenautomaten, die Kasinos, die Onlinewelten zu schließen.

Und Ihr?