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28.12.2006

20 Jahre Tempo

Die selbsternannte Legende ist auf fast vierhundert Seiten für einmal zurück. Mit einem ziemlich geilen Titelbild von Kate Moss. Mit dem Anspruch, "beste Schreiber, beste Fotografen, beste Inhalte, beste Optik" zu bieten. Mit einem Who's Who des deutschen Journalismus im Impressum, Adorján, Goetz, Kiani, Schnibben, Seidl, Stuckrad-Barre, der übrigens immer noch ziemlich klasse schreiben kann, nur leider immer noch nur über ziemlich nichts, Tillmans, Timmerberg, von Uslar usw. Mit Sätzen wie

19 Penisse schnitten betrogene Frauen in den vergangenen zehn Jahren ihren treulosen Männern ab - meist während diese schliefen.

Männer, die aussehen wie Hüpfburgen und Frauen, die aussehen wie Männer, dumpfen hier gemeinsam durch den Sonntag, RTL2en ihre Lebenszeit weg, bis später dann "Bauer sucht Frau" im Fernsehen kommt; hier hat jeder Bauer seine Bäuerin, jedes Schwein seine Kuh schon gefunden.

Was so heiter und entspannt wirkt, wenn man im Prenzlauer Berg in die großen Glasfenster der Cafés schaut und dort die Web-Existenzen vor ihren Computern sieht, ist in Wahrheit so etwas wie der Blick in ein Aquarium voll von toten Fischen.

Nichts autochthoner als ein Lemberger, nichts frischer und fruchtiger als ein Sylvaner.

Vorsicht und Mittelmaß. Die Zukunft der Literatur muss diese Wörter für immer vergessen machen.

Mit Berichten über eine selbsterfundene "Deutsche Nationalakademie", die mit Hitlerzitaten gespickte Ehrendoktorantragungen an Prominente verschickt hat, 14 von 100 sagten zu, mit Michèle Roten, natürlich über Sex, überraschend über Counter-Strike, mit der halben Enthüllung, dass Frank Schirrmacher und Rebecca Casati turteln, da haben sich zwei gefunden, die einander vollumfänglich verdienen, die einander umarmen sollten wie Arthur und Mordred in "Excalibur", mit einer Erwähnung des Mapplethorpe-Fotos "Man in Polyester Suit", das wir beschämenderweise noch nicht kannten und gleich gegoogelt haben, wonach wir 14 Operationen brauchten, um unser Kinn, das auf den Boden gefallen war, wieder einzurenken, wieviel Hektoliter Blut muss der Mann in seinem Kreislauf haben, und am Ende gar mit einem Katalog von Forderungen, was alles anders werden muss, klug, dumm, nassforsch, weise, unsäglich, haarsträubend, geschwätzig, radikal und lustig.

Kurz, es ist ein Magazin, wie wir es selbst gern herausgegeben hätten.

Schade, dass es sterben musste.

Aber so ist das eben.

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