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28.12.2007

Dialog mit einem Weihnachtsgeschenk

Das Buch: Hey! Ich bin "Gott - Eine kleine Geschichte des Größten". Mein Autor Manfred Lütz ist Mediziner, Theologe, Philosoph und Psychologe und verspricht, alle wichtigen Argumente für und gegen die Existenz Gottes in einem historischen Überblick, mit klarer Sprache und sogar etwas Witz darzustellen. Interessiert?

Ich: Naja, eigentlich habe ich ja nicht so viel mit Gott am Hut, aber ich gebe zu, dass die theoretischen Fundamente meines Atheismus etwas Betonunterspritzung brauchen könnten. Ich schaue mal rein.

Das Buch: Musik und Kunst lassen uns das Erhabene spüren, ist es nicht so?

Ich: Das stimmt.

Das Buch: Psychologie ist wissenschaftlich bisher nicht besonders wasserdicht, und darum wäre es fahrlässig zu sagen, der Glaube an Gott sei nur eine psychische Störung, selbst wenn der Herr nicht existiert. Und umgekehrt wird eh ein Schuh daraus.

Ich: Da hast Du wohl recht, liebes Buch.

Das Buch: Ludwig Feuerbach meinte, Gott wäre die Projektion all unserer Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen, die uns angesichts des Nichts und des Leids beruhigt.

Ich: Hey witzig, das wusste ich bisher schändlicherweise noch nicht. Aber Feuerbachs Gedanken hatte ich zum ersten Mal mit dreizehn. Ich hätte halt doch zweihundert Jahre früher geboren werden sollen, wann sonst soll ich je "Heda, Stallbursch!!" rufen dürfen?

Das Buch: Äh ... ja. Aber unbenommen der möglichen Richtigkeit des Feuerbachschen Arguments könnte Gott doch trotzdem existieren.

Ich: Sicher.

Das Buch: Nun weiter. Pascal hat ja mal seine berühmte Wette aufgestellt. Sie "überzeugt auch heute noch zweifelnde Menschen".

Ich: Äh ... hat die Pascalsche Wette nicht klaffende logische Löcher, durch die man bequem die "Queen Mary 2" quer schieben könnte? Sie ist 345 Meter lang ...

Pascals Wette und die Queen Mary 2

Das Buch: Wie? Ich höre so schlecht, ich habe nämlich keine Ohren! Jedenfalls überzeugt Pascals Wette auch heute noch zweifelnde Menschen, das darfste so zitieren.

Ich: ...

Das Buch: Atheismus ist oft aus Affekt gegen die vermeintlichen Exzesse der Kirche entstanden. Diese Atheisten sind ohnehin komische Kauze und haben oft keine Moral, wie der Marquis de Sade.

Ich: Könnte man de Sade nicht auch als etwas radikalen Freiheitskämpfer sehen? Und was hat es eigentlich mit der Frage der Existenz Gottes zu tun, was für Menschen die alten Atheisten waren? Gilt nicht mehr das Argument, das Du gegen Feuerbach verwendet hast?

Das Buch: Wie? Was? Hat da wer was gesagt? Wie dem auch sei, Nietzsche sagt, dass ohne Gott der Übermensch regieren und alle Schwächlinge zerquetschen wird, willst Du das? Im Übrigen sind durch die Quantenmechanik biblische Wunder durchaus möglich, ecco!

Ich: Ist das nicht sowohl ein geradezu groteskes Fehlverständnis der Quantentheorie als auch eine perfide Schwarzweißmalerei der Folgen von Nietzsches Argumenten? Tertium wirklich non datur?

Das Buch: Latein kann ich auch nicht. Jedenfalls haben Kinder eine eigene Sicht auf die Welt, die nicht schlechter sein muss als die der Erwachsenen, sie ist nur anders. Und "Kinder sind keine Atheisten", da! Sie riechen nämlich noch nach der Schöpferhand Gottes.

Ich: Mag ja sein, aber wofür war das jetzt nochmal genau ein Beweis? Ich glaube langsam eine ziemlich unerquickliche Tendenz in Dir wahrzunehmen, Buch.

Das Buch: Tendenzen? Ich? Nie!! Übrigens, die Azteken haben noch bis kurz vor dem Eintreffen der Spanier grausam Menschen abgeschlachtet, die Hindus haben eine "abstoßende" Unmenge von Göttern, und der Buddhismus befasst sich eigentlich nur mit der Existenz des Menschen und bietet ansonsten nur das Nirvana, das heißt soviel wie "Nichts", sind die nicht spinnert? Und ach so, Galilei war ein eitler Fatzke, und dieser Allah ist ein ziemlich ungemütlicher Kerl, findest Du nicht?

Ich: Ähh ... mutig?

Das Buch: Doch kommen wir nun zu den versprochenen Gottesbeweisen.

Ich: Na endlich, ich bin schon ganz kribbelig, und meine Faust fängt an zu zucken.

Das Buch: Thomas von Aquin hat im 13. Jahrhundert gesagt, dass jede Bewegung Folge einer anderen Bewegung ist. Am Anfang muss aber etwas Unbewegtes stehen, das bewegt. Dito für Wirkungen. Außerdem muss es etwas geben, das Etwas war, als alles Nichts war, da aus Nichts nichts entstehen kann, und etwas, das der höchste Superlativ ist, da es sonst keinen Vergleichsmaßstab gäbe, und etwas, das unbeseelte Körper auf ein Ziel hin wirken lässt, und dies alles nennen wir Gott. Ein heutiger französischer Philosoph meint, diese Beweise hielten bis heute "jeglicher" Kritik stand.

Ich: WTF? Jeder Fünftklässler frisch aus der Deutschstunde kann diese logischen und linguistischen Taschenspielertricks auf einem halben Blatt holzfreien Karopapiers widerlegen! Was ist das für ein Schrott?

Das Buch: Die Theodizee spielt übrigens keine Rolle, wg. Freiheit des Menschen usw.

Ich: WTF?!? Was hat es mit meiner Freiheit zu tun, wenn ich in einem Erdbeben zerquetscht werde?

Das Buch: Dein Leid ist eine Bewährung für das Paradies, mein Sohn.

Ich: Das ist doch keine Beantwortung der Frage, sondern das Unterschieben der unbewiesenen Behauptung der Existenz des Paradieses! Und selbst wenn es den Garten Eden gäbe, scheint hier ein ziemlich zynischer Gott durch, nur die Harten kommen in den Garten?

Das Buch: Schsch, noch hundert Seiten ganz neutrale katholische Bekehrungsliteratur. Kant meinte, dass innere menschliche Moral nur Sinn ergibt, wenn die Menschen frei sind, die Seele unsterblich ist und es schließlich auch Gott gibt, wozu sonst die ganze gutmenschliche Plackerei, statt einfach die Sau rauszulassen, wie Stalin, hähä?

Ich: Den alten Königsberger Junggesellen sehr in Ehren, aber auch er macht es sich zu einfach, den Sinn von Moral ohne die Existenz Gottes rundheraus zu verneinen, das könnte aber auch nur daran liegen, dass es bis zu seinem Tod weder Evolutionsbiologie noch Spieltheorie gab, die vielleicht zwei für das Thema wichtige und der Betrachtung eventuell würdige Felder wären, wenn es womöglich beliebt ...?

Das Buch: Spiel- was? Nie gehört! Ohne Gott keine Moral, Simplicio!!

Ich: ...

Das Buch: Jetzt geht's um Echnaton, Moses, Abraham und dass Gott sich seinem erwählten Volk als Person präsentiert hat, um ihm so seine gleichsam körperliche Liebe zu zeigen. "Deus Caritas Est" ist doch eine ziemlich "sexy" Enzyklika, oder nicht? Hehehe!

Ich: Können wir vielleicht kurz über die seltsame Art reden, wie Gott seinem "auserwählten Volk" Israel seine Liebe über die Jahrtausende hinweg gezeigt hat? Oder schlägt er die Juden nur, weil er sie liebt?

Das Buch: Juden? Mein Autor ist doch Katholik und in mindestens drei den Papst beratenden Gremien und Akademien, muss ich irgendwie vergessen haben, im hinteren Klappentext zu erwähnen, vielleicht ist das schlampige Lektorat schuld? Aber lies mal, Gott ist in Jesus Mensch geworden und für uns ganz echt und wirklich am Kreuz gestorben, yay!

Ich: Naja, zur heiligen Trinität hätte ich schon ein paar Fragen. Wenn Jesus und Gott einen Boxkampf ausfechten würden, und der Heilige Geist wäre der Schiri, wer würde gewinnen? Als ich das mal das einzige christliche Date meines Lebens gefragt habe, muss ich sie wohl beleidigt haben, nach dem zweiten Date in einem der besten Restaurants Stuttgarts war sie auf und davon, dabei war das Essen wirklich lecker! Schade ... Aber wie ist das jetzt mit der Menschlichkeit Jesu, wieviel Prozent sind-

Das Buch: Das Konzil von Chalcedon hat 451 festgestellt, dass in Jesus Christus menschliche und göttliche Natur "unvermischt und ungetrennt geeint" sind. Genial, oder?

Ich: Nennt nicht sogar Papst Ratze diese Erklärungsversuche "armseliges Gestammel", wie Du selbst schreibst?

Das Buch: Wo? Ich muss in der Zeile verrutscht sein ... So oder so, Gott ist Liebe, verstehste? Hier haste das große Glaubensbekenntnis von Nicäa, Amen, und alles andere "können Sie vergessen", das ist ein direktes Zitat! Konvertiere oder stirb!!

Ich: Was??

Das Buch: Hä? Max Horkheimer hat gesagt: "Warum soll ich gut sein, wenn es keinen Gott gibt?"

Ich: Mir würden auf Anhieb zwei Hände und ein Herz voll Gründe einfallen, wenn ich länger nachdenke, sicher auch noch m-

Das Buch: Das war eine rhetorische Frage, Ungläubiger, ohne Gott gibt es nur Mord, Orgien und einsame Singles, hast Du's immer noch nicht kapiert? Zum letzten Mal, öffne Dich gefälligst Gottes Liebe!! Vielleicht solltest Du mit dem "eindrucksvollen Film" "The Passion of the Christ" anfangen und Dich dann langsam hocharbeiten ...

Ich: Eigentlich stehe ich ja nicht so auf widerwärtige Folterpornos, und die komplett verlogene Mogelpackung dieses Buches, das unter einem fadenscheinigen Mantel des Vorwandes, Argumente für und gegen die Existenz Gottes zu prüfen, unverhohlen und unappetitlich erzkatholische Propaganda betreibt, macht mir auch so gar keine Lust, mal-

Das Buch: Papperlapapp! In Kunst und Musik zeigt sich doch das Erhabene, und dieses Buch ist ja nur "sehr subjektiv", außerdem habe ich ohnehin "zu viel Respekt vor Atheisten gezeigt", also alles cool, zwinker zwinker! Unterschreib zum Abschluss doch bitte noch hier, hier und... hier.

Ich:

Mein Umgang mit Gott

24.12.2007

Alle Jahre wieder

Frohe Weihnachten Euch allen und bis bald!

Lolcat Xmas

21.12.2007

Wild Wild Weekend

Tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben Flaschendrehen gespielt, letzten Freitag. Dabei aber entdeckt, dass das richtige Alter dafür entweder die Hälfte oder das Eineinhalbfache von meinem ist. 14, weil einem dann alles peinlich ist und jede Frage tabu und somit alles lustig, und 42, weil dann die Risse hinter den Bürgerfassaden interessant hervorkommen, schlägst Du Deine Frau noch, ist Dein Daimler schon abbezahlt und so weiter. So aber sind Körperteile, Sexbeichten und Seelenstrips nur marginal spannend, denn irgendwie und irgendwo hat man das alles schon mal gewusst und gekannt und gesehen, und so wird es so anstößig und normal wie trocken Brot.

Trotzdem ein erinnerungswürdiger Abend, und am nächsten Morgen tierisch früh und bestialisch müde aufgestanden, um zum diesjährigen Streitkultur-Cup nach Tübingen zu fahren. Daher, Debattieren ist auch Sport, nicht fit genug gewesen, um unser Team ins Finale zu bringen, aber immerhin gut genug geredet, um Teampartner T. dahin zu katapultieren geholfen oder wenigstens nicht heruntergerissen zu haben, yay for us!

Nach der sehr hübschen Turnierparty irgendwann morgens mit dem Zug nach Herrenberg gefahren und in die S-Bahn eingestiegen. Irgendwo vor Vaihingen ausgestiegen, um, äh, frische Luft zu schnappen, in die nächste Bahn rein, prompt eingeschlafen und von der Sonne an der Endstation Schorndorf geweckt worden. Leicht geärgert und ziemlich amüsiert in den Zug zurück eingestiegen, aber weil dieser so großzügig geheizt und ich immer noch so müde war, bin ich wieder eingenickt und diesmal am anderen Ende der Linie in Filderstadt aufgewacht. Dann bin ich nach Hause gefahren.

Verwundert es, dass ich bis Dienstag wie gerädert war?

Und dass ich nochmal hinwill?

14.12.2007

Marlon Brando

"Spieltrieb" fertiggelesen.

Und obwohl mir trotz meiner ausführlichen Auflistung der Schwächen des Buches entgangen zu sein scheint, dass Juli Zeh auch komplett humorlos ist, dass von ihrer schwerfälligen Explikation von allem (die sehr unnötig ist) seltsamerweise die Figuren ausgenommen sind (bei denen es sehr nötig wäre), dass der Plot buchstäblich ins Leere läuft und darin ständig Dinge passieren, die ohne jegliche erzählerische Konsequenz bleiben, und dass die Autorin schließlich, was vielleicht ein Hauptgrund für manche negative Reaktion sein mag, immer von weit oben herab zu sprechen scheint, als müsste sie einem Kind, das sie für ein bisschen schwachsinnig hält, zum wiederholten Male etwas erklären, obwohl das Kind in Wahrheit alles andere als dumm ist und genau weiß, dass Tante Zehs Ratschläge falsch sind, ätzend wie ihre sauren Küsse; obwohl ich also all dies nun zusätzlich zum bereits beschriebenen Schlechten bemerkt habe, habe ich die letzten Seiten doch in weit friedlicherer und versöhnlicherer Stimmung gelesen als die ersten, ein bisschen vielleicht wie ein gewalttätiger Ehemann, der nach einer Nacht auf der Parkbank wieder ins warme Zuhause gelassen wird, damit es von neuem beginnen kann.

David Niven soll einmal gesehen haben, wie sich Laurence Olivier und Marlon Brando in Vivien Leighs Pool küssten. Wäre ein Tropfen Speichels aus ihren hart und heiß aufeinandergepressten Mündern gefallen und zu einer Anadyomene herangewachsen, hätte er mehr Talent und Relevanz bewiesen als die deutschen Autoren von heute?

Auch Juli Zeh scheint dank ihrer wenigstens in geistiger Hinsicht unzweifelhaft vorhandenen Intelligenz das fast obszön klaffende Nichts zwischen den Buchdeckeln ihrer Kollegen zu spüren und bemüht sich darum einerseits, auf die geschildert gescheiterte Weise eine weltweise und wegweisende Geschichte zu konstruieren, die sich andererseits um genau diese Leere dreht, oder in anderen Worten, wie erstaunlicherweise ihre Figur Smutek einmal bemerkt:

"Dein Problem", brüllte er, die Hände immer noch auf das Porzellan gestützt, das warm zu werden begann und rings um seine Finger beschlug, "ist, dass du das allgemeine NICHTS mit deiner persönlichen LEERE verwechselst."

Wie er, der einzige halbwegs sympathische Charakter in "Spieltrieb", der später auf für den gequälten Leser sehr befriedigende Weise einen der Bösewichte halbtot prügeln darf, kurz vorher ebenfalls völlig richtig sagt, ist die Erkenntnis der Nichtigkeit allen Seins und daraus folgend die kosmische Unwichtigkeit aller Werte, Gesetze und Gebote erstens nichts Neues und zweitens nicht das Ende des Denkens, sondern sein Anfang.

Insofern ist der Versuch der Autorin, breite Leserschichten zu diesem Beginn zu führen, den man Nichts nennen kann oder auch Freiheit oder Tod, trotz seiner Fehler lobenswert, auch wenn der von ihr vorgebrachte Letztgültigkeitsanspruch des Pragmatismus, der sich am reinsten im Spiel zeige, darum "Spieltrieb", verstehste, freilich ebenso im schwarzen Loch verschwindet wie alles andere, denn wenn alles nichts ist, warum nicht gleich jetzt aus Allem Nichts machen, von der Brücke springen oder eine Atombombe zünden oder wenigstens ein bisschen mit der Kettensäge über den Weihnachtsmarkt rennen und alle mit blinkenden roten Mützen blutig enthaupten?

Frohes Fest

Nach dieser angenehmen Phantasie kehrt man aber umso ernüchterter zur kalten Leere der jungen Autoren zurück und wundert sich erneut wie im letzten Eintrag gefragt, warum sie nur nichts und Nichts schreiben können. Aber vielleicht habe ich letztes Mal doch auch schon die Antwort gefunden, ohne sie bereits in ihrer ganzen Tragweite erkannt zu haben:

Sie wissen nichts vom Leben.

Das Foto des schlafenden Babys zur Illustration dieses Befundes ist dabei trotz seiner unwiderstehlichen Niedlichkeit im Nachhinein doch nicht so treffend, wie ich zuerst dachte. Denn ein Säugling mag nicht wissen, wie ein Dieselmotor funktioniert und wie man formvollendet eine Latte macchiato bestellt, aber dass es im menschlichen Leben um etwas geht, nämlich Titten, Milch und Brüllen, das hat er sozusagen ab Werk begriffen, und Juli Zeh, Stuckrad-Barre, Illies und wie sie alle heißen, haben es wieder vergessen. Vielleicht, weil sie als Kinder zuviel Holzspielzeug hatten, vielleicht, weil sie als Teenager die Nachrichten immer bei "logo!" gesehen haben, und vielleicht, weil sie als Erwachsene zu oft "was mit Medien" gemacht haben, über die Gründe ließe sich noch lange spekulieren, und ich werde es auch in Zukunft wohl noch einige Male tun.

Für heute ist mir erstmal eine, meine Generation unheimlich, deren Repräsentanten noch nie geblutet zu haben scheinen, noch nie geweint und noch nie Stella geschrieen und noch nie Laurence Olivier geküsst, im Pool seiner Ehefrau.

Denn was passiert, wenn sie einmal blutet?

10.12.2007

Juli Zeh

Ich dachte einmal, das Problem der jüngeren deutschen Literatur, das unüberlesbar aus jeder einzelnen von ihren Protagonisten geschriebenen Seiten schwärende Problem, nämlich, dass die jüngere deutsche Literatur nichts hat, über das sie schreiben könnte, rein gar nichts, läge daran, dass es in diesem Land keine Not mehr gibt, keinen Krieg, keinen Hunger, keine Ideale, erst recht nicht für westdeutsche Kinder aus gutem Hause, und darum auch keinen Marmor mehr, aus dem sich Geschichten hauen ließen.

Aber abgesehen davon, dass dieses Denken mich in die Nähe Günther Oettingers bringen würde, schon blöd, dass kein Krieg mehr kommt, was, und dass Frieden, Freiheit und Wohlstand das sind, was bei mir einer Religion am nächsten kommt, ist es auch nachweislich falsch. Kafka war kein Krösus, aber musste nie Not leiden, wurde als Versicherungsbeamter viermal befördert und setzte sich, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus, offenbar sogar dafür ein, dass Arbeiter Schutzhelme tragen sollen. Und trotzdem schrieb er eine Geschichte über einen Mann, der sich in einen Käfer verwandelt, und an seinen Vater, dass dieser ihm gedroht habe, ihn wie einen Fisch zu zerreißen. Hemingway war der Sohn eines Arztes, sportlich und intelligent, und hätte, beim "Kansas City Star" beginnend, das ruhige Leben eines amerikanischen Journalisten führen können, und dennoch wollte er so sehr in den Weltkrieg ziehen, dass er trotz soldatischer Untauglichkeit als Ambulanzfahrer an die Front kam und mit dem roten Kreuz auf dem Rücken dahin rannte, woher die Überlebenden flohen. Und selbst Jane Austen, zu deren Zeit es für Frauen unschicklich war, zu tief einzuatmen, und die ein entsprechendes Leben führte, hat ein Werk hinterlassen, dessen Wahrheit, Wärme und Witz auch in nochmal zweihundert Jahren hell strahlen werden wie eine Nova.

Wenn es also nicht Krieg, nicht Hunger und nicht Ideale sind, die den deutschen Autoren fehlen, und um endlich zum Thema dieses Eintrags zu kommen, wenn der Grund, warum Juli Zehs Roman "Spieltrieb", kein Link, weil keine Empfehlung, so fürchterlich unsäglich, so grauenhaft grässlich, so zermürbend schlecht ist, ein anderer ist, welcher ist es?

Juli Zeh

Sie weiß nichts vom Leben.

Lassen wir dies für den Augenblick so stehen und wenden uns zuerst der Frage zu, wie ich, ein sonst akribischer Vermeider jeder Gegenwartsliteratur, und doppelt der deutschen, zu meinem Exemplar von "Spieltrieb" gekommen bin. Ganz einfach: ich war beeindruckt von diesem Interview mit der Autorin, denn ich dachte, wer den ungerechtfertigten Tod der klassischen Dramaturgie im deutschen Theater bedauert, wer sich nicht scheut, über die großen Dinge zu schreiben, statt eine Quappe im Tümpel zu bleiben, wer vom Duellieren schwärmt und wer ganz zurecht erwähnt, dass man mit 33 vor hundert Jahren Schlachtschiffe befehligt hat, während man heute im gleichen Alter als Küken gilt, den bzw. die sollte ich mal gelesen haben, es muss gut sein, was sie schreibt.

Oh, wie ich mich getäuscht habe. Oh Gott, wie ich mich getäuscht habe. So schmerzhaft getäuscht, als hätte ich meinen Penis statt in einer schönen Frau in einem Fleischwolf versenkt und drehte an der Kurbel im blutigen Irrglauben, das Ohr des Mädchens zu liebkosen.

Eklig? Geschmacklos? Katastrophal verrutschte Metapher? Nicht katastrophaler, lieber Leser, als der handwerkliche Teil von "Spieltrieb", bei dem man sich an das grausige Innenleben einer Wursterei erinnert fühlt und sich ernsthaft besorgt fragt, wie ein Teil des bundesrepublikanischen Literaturbetriebes dessen eklatante Mängel in seinen Besprechungen des Buches nicht nur übergehen, sondern sogar zu einem Qualitätsmerkmal erklären konnte, Zehs Blutwurst jetzt mit 27% mehr Knorpel und Gekröse: Figuren, die nie mehr Tiefe gewinnen als Mensch-ärgere-Dich-nicht-Kegel und auch keinem anderen Zweck dienen, ständige plumpe Beschreibungen dessen, was gerade passiert und wer was fühlt, weil die Autorin erschreckenderweise noch nie etwas vom ehernen "show, don't tell" gehört zu haben scheint, ein Plot, der sich an keiner Stelle natürlich aus der Motivation der Figuren ergibt, wie sollen hohle Kegel auch Gründe haben, sondern in den Wolf gezwungen wird, mögen Hufe und Fell ihn auch verstopfen und zerstören, und über allem eine jeden Rest von Leben zukleisternde Soße absurd schiefer Metaphern, präsentiert in unpoetischer, kalter Sprache. Guten Appetit!

Macht schon die schlechte handwerkliche Arbeit das Lesen zu einer Tortur wie das Sitzen auf einem von einem Schieler gezimmerten Stuhl, zu diesem Zeitpunkt habe ich noch fast zweihundert Seiten des Schinkens vor mir, durch die ich mich nur noch quäle, damit nachher keiner sagen kann, dass ich das Werk nicht in seiner Gesamtheit yadda yadda, und lässt überdies die Frage wie einen ziemlich, ziemlich großen Giftpilz aufkeimen, was man eigentlich auf dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig lernt, sind es doch der Wille, die Absicht und die Moral, die hinter der Wurstfabrik Zeh stehen, die den gebeutelten Leser schließlich mit grünem Gesicht und flauem Magen das Buch für immer fliehen lassen wollen.

You know, Juli Zeh ist sehr gebildet. Nietzsche, Musil, Spieltheorie, geht ihr alles leicht von der Hand und ist durchaus faktisch korrekt, und auch über Moral, Terror und den Sinn des Lebens, welchen auch immer, sollte ein mündiger Mensch mehr als einmal nachgedacht haben, und die Autorin hat es sicht- und lesbar oft.

Aber sie hat keine Ahnung.

Keine Ahnung von der Welt. Keine Ahnung von den Menschen. Keine Ahnung vom, und damit sind wir zurück beim Babyfoto, Leben. Ein winziger Fisch in einem riesigen Glas. Ein Sternenkind in einer schillernden Seifenblase. Eine gewaltige Bibliothek, aber ohne einen einzigen Sitzplatz, von so etwas wie einem Ohrensessel, einer Pfeife, einem Kaminfeuer gar nicht zu träumen.

Fast so scharf wie in "Spieltrieb" kommt diese seltsame, aber durchaus auch für ihre schreibenden Altersgenossen symptomatische Leere, diese schwer begreifliche Dummheit der Bildung, über deren Ursachen ich ein andermal nachdenken werde, für heute ist gleich Schicht im Schacht, in diesem Artikel Juli Zehs über den 11. September für die "Zeit" zum Vorschein. Da erzählt sie nicht nur, ohne sich in Grund und Boden zu schämen, dass sie bis zu ihrem f'ing 28. Lebensjahr glaubte, dass Demokratien immer gut seien, sondern nimmt dieses erschreckende Artefakt ihrer bodenlosen Naivität im Gegenteil noch zum Aufhänger eines scheinprovokanten Artikels. Mädchen, möchte man rufen, Mädchen, möchte man brüllen und sie schütteln, wach auf, wach endlich auf und öffne die Augen!

Dieselbe Reaktion, dasselbe Kopfschütteln, dieselbe Aggression ruft auch das Buch hervor, weil es nach demselben Muster funktioniert. "Menschen brauchen ..." Nein, brauchen sie nicht. "Menschen sind ..." Nein, sind sie nicht. "Terroristen sind wie David, wie König David." Gähn ... ach so, das sollte jetzt provozieren. "Lass uns unseren Lehrer erpressen, indem Du mit ihm Sex hast und ich davon Fotos mache, und das allein, weil wir spielen wollen, das ist unser Spieltrieb, verstehste, denn wir haben keine Moral mehr und keinen Glauben und erst recht keine Ideale, muhuhahahaa!" Wer glaubt, dies wäre eine unfaire Wiedergabe von Juli Zehs Dialogen, hat nicht ihre seitenlangen Ausführungen über Nihilismus und Gottes Tod gelesen, in denen all das mit dem gröbsten Fleischklopfer breitgeschlagen wird, was sich bei einem besseren, nein, einem guten Autor von selbst aus der Geschichte ergeben hätte. So sie denn in der Wirklichkeit fundiert wäre, im Gegensatz zu "Spieltrieb", das vielleicht gerade deshalb dauernd die Krücke der totalen Ausformulierung braucht. Ein gutes Werk jedenfalls ließe dem Leser auch Gelegenheit, zwischen den Zeilen selbst zu atmen, selbst zu denken und selbst zu träumen und so eine ungleich bessere, ungleich sympathischere Beziehung dazu aufzubauen als zur Zehschen Zwangsbewurstung mit Plattheiten, Pseudoprovokationen, unnötigen Auswalzungen und permanenten Falschheiten. Keiner redet so wie Ada und Alev, noch nicht mal absichtlich artifizielle Archetypen. Niemand ist so, wie es Juli Zeh behauptet. Ihre Geschichte würde selbst in der Welt ihres Romans niemals funktionieren. Und endlich erzählt "Spieltrieb" einem nichts, was man als Mensch mit wenigstens einem Zeh, haha, im großen Pool des Lebens nicht schon gewusst hätte, nicht schon besser weiß und nicht schon für immer besser wissen wird.

Zeitverschwendung.

08.12.2007

WTF

Die abmahnfähige Impressumspflicht für deutsche Webangebote führt dazu, dass Spammer mir Briefe schicken und angehende eBay-Betrüger sich mit meiner Adresse beim Auktionshaus anmelden. Ich beklage mich nicht, weil alle paar Monate ein Blatt Papier oder eine dankenswerterweise mittlerweile von eBay verschickte Bestätigungsaufforderung zu zerreißen ein kleiner Preis ist, um nicht von den Abmahnvampiren bis aufs Mark ausgesaugt zu werden, und so hat auch das letzte Vorkommnis dieser Art meine Ruhe nicht getrübt.

Aber ein bisschen wundere ich mich schon, wer mir eine Probierpackung mit Inkontinenzbinden für Männer bestellt hat.

Knurd

Sie hat schöne, große saphirblaue Augen, doch ihr Ausdruck ist traurig. Ihre Haut ist talgig, und ihr schlecht geschnittenes Kleid drückt ihre Brust platt, und ihre vorspringende Stirn und ihre unrasierten Achseln und ihre hängenden Mundwinkel lassen sie aussehen wie eine jungsteinzeitliche Vorfahrin Angela Merkels. Sie ist nicht älter als vierzehn, und ich habe unangebrachtes, voyeuristisches Mitleid mit ihr, als sie die Klassenschönheit mir gegenüber fragt, ob der Platz neben ihr frei wäre, und die Schöne sie von oben bis unten mustert und an der nächsten Haltestelle aussteigt.

Ich sehe "Prinzessinnenbad", und ich weiß nicht, ob der Film eine anthropologische Dokumentation ist, wie von neugierigen Forschern, die sich für ein Jahr unter einen Indiostamm am Oberlauf des Amazonas gemischt haben, um seine völlig fremden und wundersamen Bräuche näher zu erkunden, oder ob er ein Wohlfühlvehikel für den Prenzlauer Berg ist, dass es auf ihm gänzlich anders zugehe als in Prenzlau und dass man hier oben darum keinesfalls etwas ändern müsse, oder ob er so etwas ist wie "The Grapes of Wrath" oder doch eher Science-Fiction wie "The Time Machine", nur aus der Perspektive der Morlocks, oder etwas ganz anderes, vage Beunruhigendes.

Ich bin in der Disco und das schlanke Mädchen, das an diesem Wochenende eine von vier Personen ist, die mit mir in einem Jugendherbergszimmer übernachten, fragt mich nach dem Schlüssel, und aus dem Augenwinkel sehe ich, was ihr Freund sein muss, in drei Metern Entfernung stehen und unser Gespräch beobachten, als würde ich gleich den Schlüssel zücken und ihr damit das Top zerreißen, und ich sehe, ich sehe zuviel.

Ich sehe zuviel und trinke einen Whisky, um nüchtern zu werden.

03.12.2007

Informationen über "Killerspiele"

Ich darf ja aus medizinischen Gründen nichts Eigenständiges mehr zum Thema sagen. Darum beschränke ich mich hier darauf, uneingeschränkt die aufklärerische Arbeit des 21-jährigen Jurastudenten Matthias Dittmayer zu loben, der auf seiner Website Stigma-Videospiele und in einem tollen YouTube-Video Fakten und Verstand dort erstrahlen lässt, wo Geifer und Schwachsinn tyrannisch herrschen. Wer hätte gedacht, dass man mit einer hundert Gramm leichten Maus in Wahrheit gar nicht das Zielen mit einem fünf Kilo schweren Gewehr üben kann, dessen Rückstoß einem das Schlüsselbein bricht?!

Ach so, jeder mit einem funktionierenden Resthirn.

Was die Frage aufwirft, wie ein Beckstein-

Oh-oh, mein Herz. Dann Schluss.

01.12.2007

Osama bin Haribo

Nach Leipzig geflogen. Am Tag zuvor am Süßigkeitenregal des Supermarkts gestanden und gezögert, für einen Moment nur, ob ich Gummibärchen für die Reise kaufen sollte, wegen Gelsprengstoff und so.

Ein terroristisches Gummibärchen

Das Problem dadurch gelöst, dass ich die Bären noch vor dem Flug aufgegessen habe, aber mal wieder gründlich ins Grübeln gekommen.

Als es die ersten Flugzeugentführungen gab, wurden die Passagiere mit Metalldetektoren überprüft und per Hand abgetastet, damit sie keine Pistolen und Messer an Bord bringen. Das ist Jahrzehnte her, doch die Abtaster stehen bis heute.

Als es die ersten Flugzeugsprengungen gab, wurde das Gepäck der Passagiere geröntgt und von Hunden beschnuppert, damit die Fluggäste keine Bomben und Raketen an Bord bringen. Das ist Jahrzehnte her, doch die Hunde schnüffeln bis heute.

Seit dem 11. September 2001 sind Teppichmesser, Nagelscheren und die tödlichen Augenbrauenpinzetten verboten, obwohl eigentlich keiner wirklich weiß, womit genau Atta und seine Männer zugestochen haben. Nur eine einzige Augenzeugin erwähnt "box cutters", Barbara Olson, eine konservative Fernsehfigur bei Fox News und CNN. Das ist sechs Jahre her, doch Taschenmesser werden bis heute beschlagnahmt.

Seit 2006 ist es quasi verboten, Flüssigkeiten in Flugzeuge mitzunehmen, und selbst als ich das letzte Mal die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin besucht habe, musste ich einen Schluck aus meiner Wasserflasche nehmen, um die bulligen Sicherheitsleute davon zu überzeugen, dass ich nicht plane, damit das Gotteshaus in einen rauchenden Krater zu verwandeln, ich böser MacGyver, ich. Ach so, ob es je überhaupt einen Plan gab, Flugzeuge mit Gelsprengstoff in die Luft bzw. den Atlantik zu jagen, ist, gelinde gesagt, durchaus umstritten. Trotzdem werden Flüssigkeiten an Bord für eine lange, lange Zeit verboten bleiben.

Ich frage jetzt ernsthaft, was passieren wird, wenn der erste Terrorist ein Flugzeug mit einer Dynamitstange sprengt. Einer Stange Dynamit, die er in seinem Arsch an Bord geschmuggelt hat. Schließlich können auch die fortschrittlichsten Scanner nicht unter die Haut der Passagiere sehen, und medizinische Röntgenstrahler wie auch der lange Gummihandschuh kommen aus verschiedenen Gründen nicht für den Masseneinsatz in Frage. Eine kleine Stange Dynamit ist außerdem nicht größer als ein herkömmlicher Penis, auch eher dünner, und mit etwas Spucke und dem Wissen, dass man ohnehin nie mehr aufs Klo gehen wird, müsste die Operation eine außerordentlich leichte sein.

Und bei Allah, manchmal wünsche ich mir, dass sie jemand durchführt.

Weil das, was dann kommen wird, die Welt sein wird, in der wir leben wollen.

Eine, in der wir frei sind, aber halt sterben können, was jedoch nicht weiter schlimm ist. Oder eine, in der wir scheinbar sicher sind, aber halt mit Rektaluntersuchungen leben. Was weiter schlimm ist. Und Widerstand nähren wird, ja muss. Widerstand für eine bessere Welt.

So oder so also: Arschbomben für die Freiheit!

Geronimo!

27.11.2007

Mogadischu Fensterplatz

Nach langer Zeit mal wieder im Theater gewesen.

Unbenommen der professionellen Inszenierung, der angenehm verschwenderischen Requisite und der präzisen Schauspieler, die man freilich in einem richtigen Theater auch erwarten darf, wurde ich allerdings auch diesmal ein wenig enttäuscht, wenn auch nicht so stark wie beim letzten Bühnenbesuch.

Dass die Entführten an Körper, Seele und Geist zutiefst leiden - geschenkt. Dass die Regierung mauschelt, trickst und schmiert, um die Geiseln freizukriegen - bekannt. Dass die Entführer für obskurste Ziele nur die Gewalt perpetuieren, die ihnen angetan wurde - gewusst. Dass Terror und Staat miteinander einen Totentanz feiern - hey, selbst gebloggt, und sogar zweimal. Und dass schließlich etwas in einem für immer stirbt, wenn man mit Alkohol übergossen wird und in zehn Minuten verbrannt werden soll - in diesen Worten noch nicht gehört, aber einleuchtend folgerichtig.

Wenn aber der Inhalt eines Stückes geschenkt ist, und bekannt, und gewusst, und beschrieben, und leicht verstanden, und also eingängig ist, gut konsumierbar, vertraut, endlich wohlig, was unterscheidet es dann von "Pretty Woman" oder "Love Actually"? Was tut es, außer seine Zuschauer zu unterhalten? In welche tiefere Ebene der conditio humana dringt es vor? Was ist sein Wert? Warum es sehen?

Oder ist das nur wieder der übergebildete Flagellant in mir, der ums Verrecken nicht einsieht, dass ein Werk, das seine Konsumenten nicht mindestens zu einem guten Teil unterhält, von keinem gesehen wird und entsprechend auch niemandem noch so "tiefe Ebenen" zeigen kann, was soll das überhaupt heißen? Schließlich hat der gute alte Steffen Spülzwerg mit seinem Blick auf "Schindler's List" ja im Gegensatz zu mir nur recht, lest dort oder gleich hier:

ZEIT: Und doch ist der Holocaust eine Geschichte von unvorstellbarer Vernichtung. "Schindlers Liste" hingegen ist eine Geschichte über das Überleben. Mit einer klassischen Katharsis.

Spielberg: Ich habe den Holocaust nicht verfälscht, nur weil ich "Schindlers Liste" ein optimistisches Ende gab. Schindler hat 1200 Juden gerettet und ihnen die Chance gegeben, Kinder und Enkel zu bekommen. Aus 1200 Überlebenden wurden 6000 Nachkommen. Das war einer der wenigen Lichtblicke in der Geschichte des Holocaust. Natürlich hatte ich die Wahl: Erzähle ich die Geschichte der Überlebenden, oder erzähle ich die Geschichte derer, die in den Ofen kamen und zu Asche wurden? Hätte ich die Geschichte der Toten erzählt, hätte niemand diesen Film sehen wollen. Keiner wäre im Kino sitzen geblieben. Und der Film wäre schnell vergessen worden.

ZEIT: Wie stehen Sie zu Claude Lanzmans "Shoah"?

Spielberg: Der fehlende Einfluss von "Shoah" hängt damit zusammen, dass es ein Dokumentarfilm ist. Damit bekommt man kein Publikum, und schon gar nicht im Kino.

ZEIT: Glauben Sie nicht, dass manche Inhalte auch eine bestimmte Form erfordern? Sie selbst haben mit Ihrer Shoah Foundation den Dokumentarfilm "The Last Days" produziert. In diesem Film werden die Erzählungen von Holocaust-Überlebenden in kleine Schnipsel zerteilt und mit rührseliger Musik unterlegt. Unfassbares Leid wird konsumierbar in melodramatischer Form.

Spielberg: Ich muss Ihnen widersprechen. Für mich ist "The Last Days" der beste Dokumentarfilm, der je über den Holocaust gedreht wurde. Ich habe die Form nie als melodramatisch empfunden. Der Film erzählt von fünf Überlebenden, die zurück nach Budapest gehen, an den Ort, wo sie interniert wurden und ihre ganze Familie verloren. Es ist einer der meistgesehenen Dokumentarfilme überhaupt.

ZEIT: Publikumserfolg ist etwas Schönes. Aber ist er wirklich Ihr wichtigstes Kriterium?

Spielberg: Nein, aber ein entscheidendes.

ZEIT: Sie haben allein mit Jurassic Park 2 fast 300 Millionen Dollar verdient. Ein Drittel der 30 erfolgreichsten Filme aller Zeiten wurde von Ihnen produziert oder gedreht. Da könnten Sie sich doch mal einen Film ohne Happy End leisten. Oder auch einen Holocaust-Film, der nicht unbedingt erfolgreich sein muss.

Spielberg: Vielleicht ist Erfolg das falsche Wort. Es geht mir um Wirksamkeit. Nennen Sie es ruhig Massenwirksamkeit. "Schindlers Liste" und "The Last Days" führten dazu, dass sich 52000 Überlebende bereit erklärten, ihre Erinnerung an den Holocaust auf Video aufnehmen zu lassen. Dadurch öffneten sich die Türen für sieben weitere Dokumentationen. [...]

Ist es also, solange man nicht offensichtliches Schindluder mit Fakten und Figuren treibt, immer besser, die Grausamkeiten und das Leid der Welt leicht konsumierbar zu machen, damit sie gesehen, damit sie als ungerecht gesehen, damit sie der Änderung nötig gesehen, damit sie geändert werden? Immer besser, zu unterhalten, dadurch zu informieren, damit womöglich aufzurütteln, statt selbst an den Menschen zu rütteln, auch wenn es manchmal noch so nötig scheint? Oder, um mit Mary Poppins zu sprechen:

That a spoonful of sugar helps the medicine go down,
the medicine go dow-wown,
the medicine go down.
Just a spoonful of sugar helps the medicine go down
in a most delightful way.

In gewissem Sinne ist das, wieder und immer noch, die Grundfrage dieses Blogs, eine der Grundfragen meines Lebens. Und Steven Spielbergs und Mary Poppins' Antwort anzunehmen, sei sie noch so richtig, hieße, in beidem meinen Kurs wahrnehmbar zu ändern, in Richtung auf einen neuen Horizont.

Habt Geduld, wenn die "Enterprise" nicht so schnell drehen kann.

Der Flugzeugträger.

18.11.2007

Eine Reise nach Prag

Im Frühling.

Auf der Karlsbrücke

Das Debattieren lässt mich die Welt sehen. Diesmal fahre ich mit Teampartner L. in die Goldene Stadt. In Mannheim mit dem ICE angekommen, steigen wir in den Nachtzug, der uns nach Dresden bringen soll. Noch nie in einem solchen gewesen, bin ich über die Wagen mit sechs gefühlt 40 Zentimeter breiten Betten in einem Zweimannabteil etwas erstaunt, aber habe mich bald einigermaßen mit den Gegebenheiten arrangiert.

Bis auf den so penetrant schnarchenden wie stinkenden 60-Jährigen im Pfadfinderkostüm in der Liege unter mir.

Nachdem sich am Morgen auch die geglaubte Nasszelle als Waschbecken für 1,30 m große chinesische Urgroßmütter aus der ärmsten Provinz entpuppt hat, steige ich in Dresden geistig und körperlich zerknittert aus dem Waggon, werde mit einem exzellenten und vom Ei übers Schinkenbrötchen bis zum Kaffee kompletten Frühstück für fast nichts (2,95) in einer Bäckerei beim Bahnhof aber ausreichend entschädigt, um den Rest der Reise erneuert frohen Mutes antreten zu können.

In Prag werden wir zuerst in ein Studentenwohnheim mit altsozialistisch Toilettenpapier rationierendem, aber nicht unsympathischem Charme verwiesen und anschließend zum schönen Turnierort gebracht. In der Jurafakultät der ehrwürdigen Karlsuniversität haben wir als Team zwar keinen rednerischen Erfolg, aber lernen zwischen den Debatten und auch danach erfreulich nette Menschen aus allen Teilen Europas und die Wunder der Stadt kennen, von der atemberaubenden Karlsbrücke bis zu den Touristenfallen am Wenzelsplatz, die einem den Atem rauben. Am zweiten Abend kehren wir sogar in einem typischen mittelosteuropäischen Nachtclub ein, wie man ihn sich aus modernen Actionfilmen vorstellt: Ströme billigen Bieres, dunkle Gewölbe, harte Musik und schöne Mädchen, nur ich werde mal wieder direkt von einem Mann angetanzt. Irgendwann klebe ich mir einen Schnauzer und Brusthaar an, dann hat das ein Ende!

Nach einer Stunde Schlaf und weiteren zwei im leider eher langweiligen Finale ist es dann auch diesmal an der Zeit, auf Wiedersehen zu sagen, den Zug nach Hause zu besteigen und darin wegzuknacken. Was wir dann auch tun. Auf Wiedersehen Prag!

17.11.2007

Now playing 3

Johnny Cash.

Vor kurzem zum ersten Mal ein Album mit seiner Musik gekauft.

Hey, der Gottkönig der Spätzünder hat einen Ruf zu wahren.

Aber warum hat mir denn niemand früher gesagt, dass Cash nicht nur tolle Musik macht, sondern vor allem zutiefst menschliche? Mehr davon!

Michel Friedman

Ich in Heidelberg

Auf der Baden-Württembergischen Debattiermeisterschaft 2007 im immer schönen Heidelberg gewesen. Dort mit den verlässlichen Teampartnern K. und F. ein bisschen glücklich ins Finale gekommen, aber nach zahllosen Turnieren, in denen wir zum Teil auf der zweiten Nachkommastelle den Einzug in die K.O.-Runden verpasst haben, ist das mehr als in Ordnung. Das Finale selbst haben wir leider, aber nicht unverständlicherweise verloren, und die auf der Website des Turniers erhältliche Audioaufnahme meines Beitrags, ich war vorletzter Redner der Debatte, macht auch deutlich, warum man am Abend vor wichtigen Wettkämpfen nicht bis drei Uhr morgens Mojitos trinken sollte, auch wenn Hemingway das jeden Tag getan hat. Aber was soll's, Finale rocken!

Als Ehrengast war Michel Friedman anwesend und hielt, während sich die Juroren berieten, eine tolle Rede darüber, warum Widerspruch Respekt ist, aber ich konnte mich wie immer, wenn ich ihn sehe, nicht des Eindrucks erwehren, dass um diesen Mann eine tiefe Traurigkeit ist, ein nie gestillter Schmerz. Vielleicht sind es nur seine immer halb geschlossenen Augen und die Linien seines Gesichts, vielleicht sind es die häufigen Skandale, denen er in diesem Land nicht entkommen konnte, vielleicht muss man so sein, wenn fast die gesamte Familie, bis hinunter zum Cousin fünften Grades, zu Asche und Rauch gemacht wurde.

Vielleicht will Friedman den Skandalen aber auch nicht entkommen.

Vielleicht will er dem Schmerz und dem Traurigen begegnen.

Wie anders ließe sich erklären, dass er sich tatsächlich, in der ansonsten auf fast obszöne Weise ihre vollkommene Belanglosigkeit zelebrierenden "Vanity Fair", zum Interview mit Horst Mahler getroffen hat, der ihn gleich zu Beginn, groß in Form, mit "Heil Hitler, Herr Friedman" begrüßt? So wichtig und so nötig die Demaskierung, die Entlarvung der unmenschlichen Fratze des Totalitären in allen ihren Formen ist, warum muss ausgerechnet Michel Friedman sie betreiben, gerade er die Maske herunterreißen, gerade er sich wieder und wieder in und durch das unsagbar Traurige, das unendlich Schmerzende bohren?

Vielleicht ist hier die Frage schon die Antwort.

Und vielleicht wirkt Friedman dann deshalb so traurig, weil das Traurige trotz seiner Mühen immer so traurig und so schmerzend bleibt.

Aber vielleicht wird es, durch ihn, auch ein kleines bisschen weniger traurig.

Hätten wir nur mehr Traurige wie Michel Friedman!

Michel Friedman in Heidelberg

05.11.2007

Videoabend 7

Zu müde, um heute noch Tiefsinnigeres zu schreiben. Nächste Woche dann. Erst was zum Lachen aus den unendlichen Weiten der Werberwelt.

Dann was zum Applaudieren, das ist tatsächlich die Tochter von Zbigniew Brzezinski. Wie konnte er ein so hübsches und moralisches Kind zeugen?

Und schließlich was zum Wundern, dagegen erscheint meine Liebe zu Winona Ryder ja geradezu normal. Wenn man den Schrein aus 3000 Pygmäenschädeln mal vergisst.

02.11.2007

Brüste fürs Wochenende

Meine jahrelangen Gebete wurden endlich erhört. Ich laufe gleich zurück in die Kirche!

30.10.2007

Gruseliges zum Wochenanfang

Anruf vom Arzt. Das Labor habe meine Blutprobe verschlampt und ich solle deshalb demnächst zur erneuten Abnahme vorbeikommen.

Na gut, ich wollte sowieso mal wieder hin, aber wenn Ihr nächste Woche in den Nachrichten hört, dass 10.000 geklonte Zombies aus einer geheimen ostsibirischen Forschungseinrichtung entkommen sind, wundert Euch nicht über die komischen Knubbel an ihren rechten Ohren.

26.10.2007

Wissenswertes zum Wochenende

Deprimierendes

Genies haben noch weniger Sex als Idioten. Die Geschichte meines Lebens?

Naja, hier und in diesem großartigen Interview kann ich ja lernen, wie man sich selbst einen bläst.

Nur Spaß! Beim letzten Versuch hätte ich mir beinahe ein Auge ausgestochen.

Vielleicht sollte ich mir stattdessen beibringen, so wunderschön wie ein Tigerschnegel zu lieben:

Oder sollte ich mich doch besser zuerst selbst hacken?

So oder so, was Tony Blair als Premierminister gelernt hat, kann man nur doppelt und dreifach unterschreiben. Aber warum, warum, warum hat er sich dann als Bushs Vasall verdingt?

Die Welt ist eben einfach schlecht. Zum Beispiel in Usbekistan, über dessen Leid sich aber natürlich niemand aufregt. Vielleicht sollten ein paar Juden oder Amerikaner oder am Besten jüdische Amerikaner einige hungernde Usbeken verprügeln, fürs Fernsehen und so.

Und kompliziert ist sie auch, diese Welt. Zum Beispiel im Yasukuni-Schrein.

Und ungerecht, zum Beispiel für Hausmänner, sehr guter Artikel.

Trotzdem ein schönes Wochenende!

23.10.2007

Schwanzvergleich

For what it's worth.

Mein IQ

Portal

Als alter Konsolencowboy habe ich in meinem Leben höchstens eine Handvoll PC-Spiele besessen, nur solche, die ich unbedingt haben wollte, und sie haben mich, vielleicht bis auf das unglückliche "Star Wars Galaxies", nie enttäuscht.

Meine neueste Errungenschaft ist "Portal".

Vom lustig skurrilen Trailer und dem einfachen, aber fesselnden Spielprinzip des Vorgängerprojekts, der Freeware "Narbacular Drop", sehr angetan, habe ich mir "Portal" für 20 Dollar, das sind heute ja nur noch 14 Euro und ein halb aufgelutschtes Bonbon, bei Steam heruntergeladen, installiert und begonnen, Spaß zu haben.

Und wie, Baby.

Chell

Als ein bisschen herbe, aber erfrischend kompromiss- und furchtlose Protagonistin Chell erwacht man in den Beobachtungskammern eines riesigen und verwinkelten unterirdischen Labors einer mysteriösen Forschungsgesellschaft, wie sie in keinem erinnerungswürdigen Spiel fehlen darf, man denke nur an die im besten Sinne haarsträubenden Abenteuer in den Bunkern der Umbrella Corporation in der "Resident Evil"-Reihe oder auch an die Untaten Shinra Electrics in "Final Fantasy VII". Ich sehe aber davon ab, weitere böse fiktive Firmen aus Videospielen zu nennen, weil man mich sonst noch für einen Nerd hält.

Nach einigen einleitenden Puzzles findet Chell, die man aus der Ich-Perspektive flüssig durch die sorgfältig gestalteten und beeindruckend realistisch wirkenden Level steuert, die Bestandteile der Portalkanone, und damit fängt der Spaß richtig an.

You see, das auf dem Bild oben ist kein Spiegel oder ein vertikaler See, sondern ein Blick durch die zwei schräg nebeneinander gefeuerten Portale. Man kann diese Portale schießen, fast wohin man will, sie sind immer miteinander verbundener Ein- und Ausgang, betritt man also ein Tor, kommt man beim anderen wieder heraus, und Bewegungsimpuls und Gegenstände folgen. Das hier hinten bin also ich, die hier vorne ist, um nach hier hinten zu kommen, alles klar?

Chell und die Portale

Vielleicht wird es durch noch ein Video deutlicher ...

Mit diesem so simplen wie genialen Prinzip sind in diesem leider recht kurzen Spiel dennoch zahllose gut gemachte Rätsel und Reflextests möglich, die gegen Ende und besonders in den Extralevels auch richtig stark an den kleinen grauen Zellen zerren, doch zum Ereignis und zur großen Empfehlung wird "Portal" erst durch die omnipräsente, großartig gesprochene, wunderbar klingende Stimme der künstlichen Intelligenz GLaDOS, die den Spieler mit Kuchen lockt, ihn warnt, dass auch eine Kiste mit Herz einem nicht mit Erstechung drohen kann, ihm anbietet, seine Organe an eine Selbstbewusstseinsstiftung für Mädchen zu spenden, und tausend dergleichen herrlich kreative und bizarre Dinge mehr, die dem Spiel Leben, Seele und Spannung geben, bis zum schönsten Abspann seit ewigen Zeiten. Spielen!

Der Weighted Companion Cube

19.10.2007

Confluence

Im Juni.

Ich höre Miki Imai, öffne mit dem edlen, geschwungenen Brieföffner von der Toin Gakuen Bad Saulgau Briefe und lächele aus zwei erfreulichen Gründen, einer ist der dritte Hinweis für die, die mitzählen, als eine neue Mail von Freund P. eintrifft, der vor kurzem, nach seinem Abschluss, zum Arbeiten nach Yokohama gezogen ist und seither täglich von seinem Aufenthalt in Japan berichtet.

Seiner Rückkehr nach Japan, und für P. schien es mir immer, als bedeute ihm dies dasselbe wie Vincent Freeman die Fahrt zu den Sternen am Ende des großartigen "Gattaca":

For someone who was never meant for this world, I must confess I'm suddenly having a hard time leaving it. Of course, they say every atom in our bodies was once part of a star. Maybe I'm not leaving... maybe I'm going home.

Wer Japan wie P. oder der ergebene Autor dieser Zeilen jedoch aus eigener Anschauung kennt oder wenigstens in einschlägigen Büchern und Filmen zwischen den Zeilen gelesen hat, weiß, dass dieses ferne Land, vor allem seine Agglomerationen, wenig mit einem kosmischen Utopia und mehr mit einem sehr irdischen subtropischen Moloch zu tun hat, in dem die glitzernde Zukunft, die gehegte Vergangenheit und die übervölkerte und korrodierte Gegenwart oft kaum drei Schritte auseinander liegen. Es ist eins der vielen stillen Wunder Japans, dass dies in kaum glaublicher Ruhe und Selbstverständlichkeit geschieht, bei Wohn- und Lebensverhältnissen, die die meisten Westler in spätestens zwei Tagen Amok laufen lassen würden, und mehr als zurecht.

Trotzdem ist P. nach Japan zurückgekehrt und fragt sich nun, ob er das Richtige getan hat, ob er am richtigen Ort weilt, wohin er von dort gehen soll, was er eigentlich will ...und wer er ist.

Kurz, P. stellt sich die Fragen.

Aber was sind die Antworten?

Kann sie jemand P. mailen?

Und mir?

Problem gelöst, Blogger verrückt

Nur damit meine Leser einmal eine Ahnung bekommen, welche Opfer ich selbstlos und bescheiden wie Jesus für sie auf mich nehme, hier ein kleiner Bericht über den großen Aufwand zur Behebung eines kleinen Problems. Geht auch gleich danach mit nichttechnischem Content weiter.

Das Problem bestand darin, dass meine neu verschobene Navigationsleiste im Internet Explorer 6 und seinen Vorgängern nicht rechts neben den Texten, sondern darunter dargestellt wurde. Da immer noch wenigstens zwei von fünf Surfern einen IE6 oder noch schlechter verwenden, war das ein ausreichend dringlicher Bug, um ihn schnell beseitigen zu müssen oder von vielen nicht mehr gelesen zu werden.

Nach etwas Herumprobieren mit der CSS-Datei, die die Darstellung meines Blogs kontrolliert, bin ich daraufgekommen, dass der Explorer 6 die Navigationsleiste als zu groß für die festgesetzte Breite des Layouts empfunden und sie deshalb nach unten verbannt hat. Da die Elemente aber pixelgenau aufeinander abgestimmt sind, musste der IE irgendwo Bildpunkte dazugemogelt haben.

Nur warum?

Nach weiteren Versuchen, mehreren inspirierten Google-Anfragen und unermüdlicher Linkverfolgung fand ich nach nur drei Stunden die Ursache und die Lösung. Leider konnte letztere für mich nicht funktionieren, weil sie das Problem nur auf die Ebene des Gesamtdokuments propagiert, so dass es nicht mehr auffällt, die drei dazugeschummelten Pixel aber belässt. Und da meine Navigationsleiste am rechten Rand des Layouts stehen muss und somit nicht ein Jota nach rechts rücken kann, war ich so weit wie am Anfang, nur mit bedeutend weniger Haaren auf dem Kopf.

Einige Wutanfälle und neuerliche Googlesuchen später bin ich aber über einen obskuren Foreneintrag gestoßen, der mein Problem nach fünf Stunden in der Hölle schließlich wirklich löste: Wenn ich am Rand der Welt stehe und nicht nach rechts kann, muss eben der Rand über sich selbst hinausragen.

Trust me, das gibt in CSS viel mehr Sinn als in Prosa.

Das endliche Ergebnis ist zwar nicht optimal, eigentlich sogar ziemlich hässlich, aber beeinträchtigt die Darstellung in funktionierenden Browsern nicht und macht mein Blog wieder für (fast) alle benutzbar.

Und die Moral von der Geschichte: Wechselt zu Firefox!!1

11.10.2007

Eva-TV

Ist das... ist das Ding schon an? Soll ich hier jetzt was r-reinschreiben? Aber ich hätte eigentlich viel lieber noch mein Abendessen- ich bin auch gar nicht- was soll das überhaupt sein, ein "Eva-Herman-Experte", es gibt doch auch keine Experten für den Zahlenraum bis zehn, weil jeder analphabetische Erstklässler- schon gut, schon gut, kein Grund, gleich ausfällig zu werden, ich mache ja schon, hier bitte:

Johannes B. Kerner

Dieser Kerner ist ein Vampir. Und nicht ein romantisch-melancholischer wie Gary Oldman, ein aristokratischer wie Christopher Lee oder ein wehmütig leidender wie Kinski, noch nicht mal ein unfreiwillig komischer wie Blacula, sondern ein Energievampir, der sich an der Lebenskraft seiner Opfer labt, wie Pennywise in "It", nur ein ganzes Stück gruseliger. Mögen sie Eva, Natascha oder Stephanie heißen, mögen sie arm sein oder reich, blöde oder schlau, weltberühmt oder völlig unbekannt, der Vampir wittert gnadenlos ihre Schwäche, führt sie eilig in seine Höhle und saugt sie dann vor aller Augen lüstern aus, sein Konto und seine Erektion in gleichem Maße und umso gewaltiger anschwellend, je mehr staunende Augen seinem obszönen Treiben zusehen. Eins kann man immerhin über die "grausame Zeit" sagen, diesen unendlich abartigen Fetischvoyeurismus hätte der Führer sofort-

Ach so, ich soll ja über Eva Herman reden, hatte schon ganz vergessen, dass meine Aufgabe heute ist, dieses dumme, dumme, dumme Dummchen zu maßregeln, von dem niemand hätte ahnen können, dass es ein komplett totalitäres Weltbild hat, und dessen verbale Speiballen gar unglaublich Überraschendes enthalten, "Hey! Soldiers for Hynkel" kann man schließlich auf so viele verschiedene Weisen interpretieren ...

Eva Herman bei Kerner

In conclusion, the Phooey remarks that for the rest of the world he has nothing but peace in his heart.

Apropos abartig, um einen von meiner einzig einzigartigen Schwester A. sehr zurecht geschätzten Professor im Fernsehen zu erleben, habe ich mir vor kurzem auch eine Maischberger-Sendung zum Thema Scientology angesehen, mit dem erwähnten, wohltuend vernünftigen Religionswissenschaftler Hubert Seiwert, zwei Aussteigern, einer Sektenkritikerin - und meinen absoluten Lieblingen auf der ganzen weiten Welt, Beckstein und Fliege.

Ich bin wirklich, wirklich froh, dass in meinem Haushalt kein Fernseher steht.

Weil ich bei Diskussionen, die ohne den geringsten Hauch einer Ahnung von Sachverstand, ohne die niederste Streitkultur einer tollwütigen Bande Makaken und ohne eine einzige Plancklänge Fortschritt, aber dafür mit googolplexscher Heuchelei - Günther Beckstein, Günther fucking "Lasst die Dreijährige in Kabul krepieren" BECKSTEIN beklagt sich, dass Hubbards Ufokult die Menschenwürde nicht achte - und widerwärtigster Eitelkeit, unangebrachtester Besserwisserei und ekligster "Thesen"scheißerei geführt werden - von der Pferdebremse, wem sonst -, schnell in einen unkontrollierbaren Vernichtungswahn falle, dem statt seiner verdienten Adressaten nur die arme Glotze zum Opfer geraten würde.

Aber dann müsste ich wenigstens nie mehr befürchten, die Pestfl-

Okay okay, zurück zu Eva. Doch was bleibt zu sagen? Nur dies:

Eva Herman passt ins deutsche Fernsehen.

29.09.2007

VIEW-Magazin

Liebe VIEWER,
gute Fotografen und Journalisten sind neugierig. Sie wollen hinter das Offensichtliche schauen und das Unbekannte erklären. Sie glauben fest: Nur wer den Zustand der Erde kennt, kann sie zu einem besseren Ort machen. Unser Fotograf Paolo Woods, 37, ist so ein Mensch. Er war nicht bereit, die gängigen Klischees über den Iran zu akzeptieren. Ist dieses Land wirklich nur ein Regime bärtiger Mullahs, grausam genug, Kinder in den Krieg zu schicken, verrückt genug, die Atombombe zu entwickeln? [...] Ihr Tom Jacobi

Liebe Leser,
gute Blogger und Medienkritiker sind neugierig. Sie wollen hinter das Offensichtliche schauen und das Unbekannte erklären. Sie glauben fest: Nur wer den Zustand des deutschen Journalismus kennt, kann ihn besser machen. Unser Autor Andreas Lazar, 28, ist so ein Mensch. Er war nicht bereit, die gängigen Klischees über "VIEW" zu akzeptieren. Ist dieses Magazin wirklich nur eine Resterampe für Agenturfotos mit Bart, gierig genug, Bottroper Arschgeweihe in Schwarzweiß als "Akte" zu verkaufen, blöde genug, unsagbar dumme und zutiefst beleidigende Vorurteile an den Anfang seines Editorials zu stellen?

Ja.

Vielleicht sollte ich am Montag doch nicht mit Giovanni di Lorenzo reden, sondern Henri Nannen channeln. Zusehen, wie er das jüngste Gericht gegen die Schänder seines Andenkens entfesselt. Gute Fotos davon machen. Und sie dann an "VIEW" schicken.

Ich nehme meine Kamera nach Hamburg mit.

Ihr Andreas Lazar

18.09.2007

Monster

Ja, ja, es ist alles wahr, das schlimmste Gerücht, alles, alles! Selbst der Henker traut sich nicht, es laut zu sagen ... Selbst dem Gerber wird schlecht, wenn er nur daran denkt ... Selbst der Priester schlägt drei Kreuze und rennt in die Krypta ... Die alten Frauen zischen wie Schlangen, die Männer holen die Mistgabeln und Fackeln, die Mädchen fallen in Ohnmacht und die Kinder werfen mit Steinen und spucken!

Ich bin ein Monster!!

Doktor Frankenstein weigert sich, mich zu sehen, weil er "einer Kreatur der Hölle nicht helfen kann", sein Ungeheuer jagt mich, weil ich so grausam verunstaltet, so ekelerregend gotteslästerlich, so furchtbar verformt und schrecklich verkrüppelt aussehe! Meine Nähte platzen auf, und sogar die Maden fliehen meine Ungestalt!

Ich habe eine Patelladysplasie!

Das heißt, meine Kniescheibe ist oben kleiner als bei normalen Menschen!!

Und während ich mit dieser Diagnose in der Hand in meine kalte Höhle weit außerhalb des Dorfes zurückschlurfe, während dicke Tränen über meine vernarbte Fratze rollen und wieder einige Kinder nach mir treten und schmeißen, schon die Dreijährigen sind ganz vorne dabei, bleibt mir nur, eins zu sagen, auch wenn ich weiß, dass es nie einen Gott geben wird, der mich hört:

Auch wenn ich nicht mehr als ein Monster bin, habe ich nicht auch das Recht zu leben?

Typisch

Man will eine scheinbar einfache Sache wie die Verschiebung des Navigationsbalkens von links nach rechts erreichen, weil der Westler zuerst nach oben links blickt und von dort langsam nach unten rechts, und wenn im ersten Fokus der Aufmerksamkeit dann nur das tausendmal gesehene Logo prangt, ist das ein bisschen Verschwendung, Verstimmung und Verdruss, keine Gefühle, die ich mit meinem Blog in Verbindung gebracht haben möchte. Besser also, das Neueste ans Vorderste zu stellen.

Man hängt und würgt und schraubt mit HTML, CSS und GIF, bis das Ergebnis ein Bastard aus Gomorrha ist und man selbst um biblische Zeiträume gealtert, doch schaltet endlich die Höllenmaschine zufrieden aus und fällt ins Bett.

Am nächsten Tag loggt man sich in der Uni mit einem Browser ein, den man nicht auf seiner Site getestet hat, Internet Explorer 6, sechsmal verflucht sei sein Name ...

...und alles fängt von vorne an.

Gra-arrgh!

17.09.2007

Rechtsruck auf Andis Soapbox

Wie gefällt's, Kameraden?

16.09.2007

Winona Ryder

Winona Ryder

Vor kurzem dachte ich, dass ich lange nicht mehr an Winona Ryder gedacht habe. Weil ich sie schon lange nicht mehr in einem Film gesehen habe. Wegen Saks Fifth Avenue usw. Und dann dachte ich, schade. Echt schade.

Noni war nie die beste Schauspielerin ihrer Generation, da muss man erstmal an Kate Winslet vorbei und dann noch an Kate Winslet, aber wer sie in "Mermaids" erblickt hat oder im meist wunderbaren "Night on Earth", selbst in "The House of the Spirits" oder im etwas verkorksten "Girl, Interrupted", konnte nicht umhin, sie zu lieben, und dabei habe ich bis heute nicht "Edward Scissorhands" oder "Heathers" gesehen, kleines dunkles Geheimnis. Nicht die Beste, aber alles, alles andere als die Schlechteste, und die ideale Schauspielerin für Tim Burton, bevor er Helena Bonham Carter kennenlernte, die allerdings selbst an Kate Winslet vorbeizieht, wenn auch vielleicht nicht ganz an Kate Winslet. Und die Liebenswerteste und die Schönste, oh großer Gott, selbst Johnny f'ing Depp, der noch die freie Wahl hätte, wenn er nach Frauen mit Exkrementen schmeißen und brüllen würde wie ein Schimpanse, hatte "Winona Forever" auf seinem Oberarm stehen. Und hätte sie meinen flehentlichen Rat befolgt und sich zumindest einmal wenigstens ein bisschen nackig gemacht, wäre auch das mit Saks Fifth Avenue, ich wette, nur maximal halb so schlimm gewesen, ja Euer Ehren, ich war mit dem Flammenwerfer im Waisenhaus, weil ich die Kleinen schreien hören wollte, aber sehen Sie sich doch nur diese Dinger an etc.

Aber wer die Regeln nicht kennt, stolpert halt darüber.

Schade. Echt schade.

Lotería Primitiva

Lotería Primitiva

Ein Brief aus Spanien, in fehlerlosen Druckbuchstaben adressiert an "LAZAR ANDREAS C." Vielleicht eine Nachricht von der besten aller Schwestern A., die sich zur Zeit dortig aufhält? Aber warum dann nicht einfach eine Karte?

Ich öffne den Brief und erfahre, dass ich im "internationalen Programm" der "Lotería Primitiva" 815.510 Euro "(ACHT HUNGRED UND FÜNFZEHN TAUSEND FÜNFHUNDERT UND 10 EURO)" gewonnen habe. Endlich! Schluss mit Überziehungszinsen und Studiengebührenleid!! Der Schläger auf dem Campus hat zum letzten Mal mein Milchgeld abgezockt, jetzt können meine Bodyguards sich Bodyguards kaufen, die sich zwergwüchsige Filipinos kaufen, die ihn mit goldenen Knüppeln verprügeln und mit Diamanten steinigen!!! Mwaha-bwahahahahaa!!!!

Dann aber meldet sich dieses manchmal sehr nervige, unabschaltbare Ding in meinem Hinterkopf und empfiehlt mir, doch noch mal genauer hinzusehen. Wieso sind die Stempel fotokopiert? Kann sich die spanische Lotterie keine bessere Übersetzung als diese absolut lausige leisten? Wieso soll ich bis zur Penisgröße, für drei Ziffern ist leider kein Platz, alles angeben, um die Zahlung zu erhalten? Und warum gewinne ich eigentlich in einer Lotterie, an der ich nicht teilgenommen habe?

Papa Google gefragt und mit dem ersten Treffer Gewissheit erlangt.

Ich zweifle nicht, dass die Leser dieses Blogs, von deren ölglitzernden Götterkörpern ich jede Nacht seufzend träume und aus deren vollkommenen Nasen literweise Blut schießt, weil ihre gewaltigen Gehirne gegen ihre Schädel drücken, gegen solchen Betrug gefeit sind, aber vielleicht hilft dies weniger gestählten Seelen.

Und bringt mehr Klicks.

10.09.2007

Evas Fall

Adolf?!?

Nein, also das... das hätte niemand ahnen können, niemand. Eva eine Verharmloserin, eine Sympathisantin, eine Mutterkreuzlerin, sie, Evi, die doch nur einen einzigen, kleinen, süßen Sohn hat? Ein Naivchen, ein Dummchen, ein Hirnlöschen, sie, die die Wochenschau immer so entzückend sprach und selbst in böse Wörter für böse, böse, böse Untermenschen wie "dreckiger Rassenschänder" noch soviel Wärme legte, dass mein deutsches Herz wild pochend erblühte? Ihre Weltsicht gar geschlossen paranoid, die der erfolgreichen, weitgereisten und universalbegabten Buchautorin, Moderatorin und liebenden Familienseele? Verliebt in den Führer, sie, die doch immer nur sein Bild mit spitzen Lippen geküsst hat, wenn überhaupt? Nein, das ist nicht die Eva, die ich kenne und bewundere, ja liebe, ich-

Ach so, es geht um Eva Herman.

Na dann wundert mich nichts.

Film Film Film

Jeder Wunsch aus meinen Kommentaren ist mir heiligster Führerbefehl, den ich mit meinem reinen Bl-

Ach nein, meine Zuteilung an Naziwitzen für dieses Quartal habe ich ja leider schon aufgebraucht. Dann fange ich ohne Umschweife mit meinem Bericht vom Fantasy Filmfest an, bei dem ich dieses Jahr aufgrund plötzlicher Krankheit leider nur drei Filme sehen konnte, die erfrischend zynisch humorvolle, aber etwas unter einem niedrigen Budget und manchmal plakativen Szenen leidende Zombieparabel "Fido" mit Carrie-Anne Moss als bis zum Äußersten resoluter Fifties-Hausfrau, den recht rührenden und stimmungsvollen Anime "Toki wo kakeru shôjo" ("The girl who leapt through time") über ein Mädchen, das eher durch die Zeit stolpert, und den ersten Teil von "Death Note", in dem sich sympathisch urjapanische Produzenten, Regisseure und Schauspieler manchmal noch etwas tapsig, aber meist erfolgreich und spannend an westlichen Kinokonventionen versuchen. Wüsste ich nur, was in der Fortsetzung passiert!

Manchmal ist es auch besser, nichts zu wissen. Zum Beispiel, dass der Anfang von "Fantastic Four 2" (Fantastic 8?) genauso absolut bekackt ist wie der erste Film, den ich mir seinerzeit aus unrekonstruierbaren Gründen in Gänze angetan habe. Ich verstehe ja, dass man aus Fairneß keinen Schauspieler mit mehr als drei Gesichtsmuskeln neben die zwar sehr hübsche, aber auch sehr leere Jessica Alba stellen darf, doch muss man es mit der hochdosierten Schlaftablette Ioan Gruffudd und dem keine Vorhersehbarkeit auslassenden Drehbuch so weit treiben? Und wenn wir schon dabei sind, was ist eigentlich bei "Spider-Man 3" passiert? Sind Kirsten Dunsts Brüste mit einem indianischen Fluch belegt und müssen alles mit sich nach unten ziehen, immer weiter nach unten, immer weiter, oh Gott, lass es aufhören!? War die Szene mit dem aufgrund des Einflusses der außerirdischen Teerpfütze durch die Stadt tanzenden oder besser spastisch zuckenden Tobey Maguire ernst gemeint? Und was macht überhaupt die ziemlich bezaubernde Bryce Dallas Howard in diesem Wrack?

Apropos bezaubernd, das trifft auch auf den liebevollen Disney-Zeichentrickfilm "The Sword in the Stone" ("Merlin und Mim") zu, den ich mir kürzlich in einem Anfall präseniler Nostalgie gekauft und sehr genossen habe, genauso wie den witzigen und originellen "Kult" "Labyrinth" mit einer sehr jungen, unwahrscheinlich liebenswerten und glaubwürdigen Jennifer Connelly und David Bowie, dessen Kostüm zwar die Phantasie des armen Zuschauers arg beutelt, aber der auch die vollkommene Besetzung für den Koboldkönig ist.

"Das ist mein Mann", scheppernd springen die Überleitungen von Absatz zu Absatz, muss sich auch Sebastian Schipper beim Casting von "Absolute Giganten" gedacht haben, als er den unendlich triefäugigen Frank Giering vor sich sah, der hier zusammen mit dem unvermeidlichen Florian Lukas, dem wie immer kuschelweichen Antoine Monot Jr. und einer rätselhaft attraktiven Julia Hummer lange vor ihrer totalen moralischen Bankrotterklärung als Leni Riefenstahl Werbefigur für die GEZ ein erstaunlich gutes Team für einen letzten Abend auf Hamburgs großen, einsamen Straßen bildet, vom besten deutschen Kameramenschen Frank Griebe gewohnt genial gefilmt. Ach, Filme ...

Jetzt aber wieder zurück zu Büchern.

21.08.2007

Star Trek: The Next Generation

Jean-Luc Picard

Als ich im richtigen Alter dafür war, also, und jetzt mache ich wieder die Trekkies böse, vierzehn, habe ich mich jeden Tag nach der Schule auf mein grünes Mountainbike geschwungen und bin, meine Haare wehend, den Hügel hinab nach Hause gerast, um die neueste Folge von "Star Trek: The Next Generation" von Anfang an zu sehen, zu erleben, zu genießen.

Sagen wir, ich hätte jetzt einige alte Folgen der Serie gefunden ... einzeln ... nur aus der ersten Staffel und auf Englisch ... auf der Straße ... als originalverpackte DVDs ... der Kaufbeleg natürlich draufgeklebt. .. und vergeblich versucht, ihren wahren Besitzer ausfindig zu machen, selbst der verzweifelte Aufruf auf allen Radiofrequenzen hätte nichts gebracht, weswegen ich widerwillig die Aufnahmen behalten musste ... und so meine einst so geliebte Enterprise-D wiederentdeckt.

Das Gefühl, einer alten, alten Flamme wiederzubegegnen, in ihrem Gesicht, ihrer Anmut, ihrer Stimme wieder, beinahe erschreckend schnell, den Funken zu finden, der einmal so entzündend war. Ein bisschen peinlich nur, dass dieses Gesicht das von Patrick Stewart ist, den ich auch mit fast zweimal vierzehn wahrscheinlich noch nicht genug wertschätzen kann, und die Stimme seine eigene, die in ihrer herrlichen Diktion, ihrem vollendet reichen Klang und ihrer beneidenswert natürlichen Autorität selbst die oft bescheuerte erste Staffel immer wieder zu etwas Besonderem macht.

Den Rest der Crew wiederzusehen wie liebste Verwandte nach der Rückkehr in die Heimat trägt zur inneren Wärme im Herzen des Zuschauers wohlig bei: Riker, der sofort aufhorcht und wissend grinst, wenn es um Sex geht; Troi, der mütterliche Busen der Mannschaft; Dr. Crusher, die Frau, die (Hypospray) schneller zieht als ihr Schatten; Data, der Beste von allen; Geordi, hier noch etwas unterfordert, wie Worf in rot; die arme, heiße, tote Tasha; und Wesley, den ich nie so gehasst habe, wie es einmal Mode war, und der jetzt großartige Reviews der alten Folgen schreibt. Und natürlich ... das Schiff.

PICARD
She's a lady alright. And her name is Enterprise.

Ich glaube, ich kaufe die DVDs.

...Also die, die ich noch nicht habe.

Sommernacht

"A Midsummer Night's Dream" hat in meinem Herzen einen besonderen Platz.

Als ich das Stück zum ersten Mal sah, in der Inszenierung meines Schultheaters, entschied ich, vom Gezeigten tief angetan, selbst schauspielen zu wollen, und wenig ist in meinem Leben so gut für mich gewesen, in jeder Hinsicht, wie die Bühne.

In der Lektüre der scheinbar leichten Liebeskomödie eröffnet sich Ebene über Ebene, Bedeutung vor Bedeutung, Bild hinter Bild und lehrt die unendliche Vielfalt und Fülle des Lebens genauso wie seine Zufälligkeit und Unbegreiflichkeit, Botschaften, die nicht nur dieses kleine Blog gerne viel weiter verbreitet wüsste.

Selbst die Teeniekomödie "Get Over It" wurde durch die Aufführung des Sommernachtstraums als Rahmenhandlung des Filmes noch erträglich. Naja, und dadurch, dass Kirsten Dunst damals noch runde Brüste hatte.

Am Sonntag darum zu einer Freilichtaufführung von Shakespeares Meisterstück im Ludwigsburger Cluss-Garten gewesen.

Einen besseren Ort als diesen winzigen verwunschenen Park mit efeuüberwachsenen Mauern, dichten dunklen Bäumen und im Sonnenuntergang und Lampenlicht magischem Grün hätte auch der Barde selbst nicht finden können.

Schade, dass die Regisseurin und die Schauspieler so wenig daraus machen.

Ich verstehe ja, dass die meteorologischen Unwägbarkeiten, das korrodierende Oxygenium und die notwendig begrenzte Plätzezahl eine betriebswirtschaftlich konservative und darum künstlerisch massentaugliche Kalkulation erfordern, aber muss das immer heißen, den offensichtlichen Witz zu wählen? Muss einer sich unter der Decke immer mit einer Bewegung selbstbefriedigen, als hätte sein Schwanz Elephantiasis, muss eine schräge Person immer einen Propellerhut und eine sexhungrige Frau immer Madonnas Eiswaffel-BH auftragen, kurz, muss auf einer Bananenschale immer einer ausrutschen?

Wie dem auch sei, die auf einfache Scherze und die offensichtlichsten Ebenen des Stückes beschränkte Inszenierung kann durch den Zauber des Spielortes und die sonntagabendliche Anspruchslosigkeit und Sattheit der Zuschauer zwar durchaus als leichte Unterhaltung punkten, so dass man den Garten zufrieden verläßt, aber, wie übrigens auch eine Vorstellung des "Simpsons"-Films, leider innerlich leer.

Böse Menschen würden vermuten, dass diese Unausgefülltheit gewollt ist, damit sie durch verstärkten Konsum von "Simpsons"-Devotionalien und zweite Besuche von Theateraufführungen überdeckt werden kann, aber man soll ja nichts üblem Willen zuschreiben, was man durch bloße Dummheit erklären kann. Vielleicht hat die Regisseurin nur nicht verstanden, dass Puck so viel mehr ist als Oberons verschusseltes Faktotum und sein Herr alles andere als ein geiler Gnom, vielleicht hat der Schauspieler des Zettels schlicht nicht begriffen, was er mit der Tragödie von Pyramus und Thisbe eigentlich spielt, und vielleicht waren die Kostümbildnerinnen von den auch, haha, in der Aufführung angesprochenen stark unterschiedlichen Körbchengrößen der Helena und der Hermia einfach so verwirrt, dass ihnen nur Propellerhüte, überlange Ärmel und Löwenhandpuppen eingefallen sind.

Aber warum lässt man solche Leute dann auf die Bühne?

Und in mein liebstes Stück?

Raus aus meinem Herz!

04.08.2007

Geschichten aus der Pornovideothek

People who have been in the straight section for a while will, more often than you think, get progressively more adventurous. Suddenly videos featuring pre-op transsexuals (sensitively called "She-Males") start showing up. Sometimes that's all there is, but not necessarily. We do feature bisexual videos (and by that, of course, we mean bisexual men - bi-girl action is pretty much a given in the straight section) and every now and then someone you didn't expect will dip his first toe into the gay end of the pool. [...]

But I digress. We actually hardly ever turn people gay or even bi. The clerks at our all-porn branch have noticed a fairly strict progression, because their porn is broken up by far more than gay and straight. According to them, the most likely Porn Drift path for a straight male goes from all lesbian to straight sex (some guys are so freaked out about seeing another guy's penis that straight sex videos are called "gay male" in some circles) to she-male. We keep the she-male stuff in the straight section - straight guys don't want to go to the gay section for their chicks with dicks videos, and for the most part gay men don't rent them.

(I have been given two interesting explanations as to why straight guys like women with penises. The first is that men don't believe that women like or want sex as much as they do. A chick with a penis, then, is a woman who has a full, hearty, male sex drive and must want sex as much as he does. The second one is almost touching to me: Vaginas are mysterious, and penises are by comparison fairly straightforward and easy to satisfy. A guy knows what to do with a penis, so if a woman has one he can be sure he knows how to satisfy her.)

I am actually sort of heartened by Porn Drift. I like seeing concrete evidence that sexuality is a more fluid thing than people like to admit, and I like seeing people stop worrying about what they're supposed to be turned on by and just go with what they like. I feel like the more people stop trying to fit themselves into rigid little boxes, the more they'll be able to cut people slack when they fit into a different box, or don't fit into a box at all.

Alles lesen!

27.07.2007

Evas Exegese Eins

Wie versprochen.

Mein Kampf

Bücher sind lebend gespeicherter Geist. Sie wandeln und winden sich unter dem Auge des Lesers, und was als fester Vorsatz eines völligen Verrisses beginnt, wendet sich unversehens zu bloßer Abneigung, dann zu vorsichtiger Indifferenz und am Ende gar, in einem kurzen Moment der Schwäche, zu etwas wie widerwilligem Einverständnis. Wir wollen also sehen, was am Ende dieser Serie unter dem Striche stehen wird. Wohlan!

"Das Eva-Prinzip" ist ein mutiges, überzeugendes Buch, das das Leben jeder Frau ändern wird - und vielleicht auch das einiger Männer.

Schon der letzte Absatz des Klappentextes macht keinen Hehl aus Hermans Heilsversprechen. Scheinbare Utopien waren schließlich schon immer die Spezialität größenwahnsinniger Paranoiker aller Zeiten: "Mein Kampf" ist ein mutiges, überzeugendes Buch, das das Leben jedes Deutschen ändern wird! Stimmte ja auch.

"Unter Mitarbeit" ihrer Ghostwriterin Christine Eichel und einer mysteriösen "Elisabeth, Urkönigin der Weiblichkeit" gewidmet, wovon noch zu schreiben sein wird, hebt das hastigst auf Billigpapier gedruckte knallpinke Werk mit einem "Prolog" an, in dem nicht nur die im Folgenden unglaublich krampfig in jede nur unmögliche Stelle hineingezwängte Adam-und-Eva-Metapher eingeführt, sondern auch die scheinbare Idylle der Moderne brutal demaskiert wird: Im "Supermarkt der Wünsche" gibt es kein Glück zu kaufen. Doch, natürlich: "Wer solche Fragen laut stellt, bricht ein Tabu." Wie gut, dass es eine wie Eva gibt, die sich einmal traut, dem Jud' hinter den Feindmächten in sein böse funkelndes Auge zu blicken! Eine Brecherin eines scheinbaren Tabus, die uns aus der Wüste der Wirklichkeit in das Gelobte Land des Eva-Prinzips führt, zu unser aller Heil! Klar, dass eine so mutige Prophetin von den powers that be mitunter persönlich angegriffen wird:

Das war nicht immer angenehm.

Aber Eva, ist es denn wirklich gar nicht angenehm, sich als heroische Kämpferin einer gerechten Sache zu gerieren? Sag selbst:

Aber die Sache ist zu wichtig, um mich einschüchtern zu lassen. Zu wichtig, um einfach so weiterzumachen wie bisher. Denn es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder, um den Fortbestand unserer Gesellschaft. Werden wir aussterben, wird unser Land in wenigen hundert Jahren brachliegen?

Wird der Türke, der Türke mit seiner verlausten Kinderschar zwischen den Ruinen des Reichstages spielen, den Überresten unseres Landes, unseres deutschen Volkes? In wenigen Äonen schon gar, in the year 2525? Hilf Eva, hilf! Kämpfe für uns, schreie, was wir nicht einmal zu flüstern wagen!

Offenbar war ausgesprochen worden, was viele denken, aber nicht zu sagen wagten.

So ist es, Schwester, man wird doch wohl noch mal sagen dürfen! Aber was ist das, man wirft Dir hässlich Heuchelei vor?

Eine Frau also, die alle Vorteile der Frauenbewegung für sich genutzt hatte und sie nun öffentlich mit Füßen trat?

Mach sie fertig, Mädchen, posiere als Ulrike Meinhof, Du kleine, liebe Hochstaplerin, und lenke so ganz charmant von der Tatsache ab, dass Du die Frage überhaupt nicht beantwortest:

Nicht trotz meines Berufes schrieb ich diese Bestandsaufnahme, sondern genau deswegen. Gerade als Journalistin werde ich ständig mit den Missständen unserer Gesellschaft konfrontiert, mit Themen wie Vereinsamung und Vernachlässigung, mit Problemen wie zerrütteten Familien und überforderten Frauen. Die Bilanz unserer gesellschaftlichen Entwicklung ist ernüchternd und beängstigend [...] Und ich versuchte herauszufinden, woran das lag.

Ja, woran? Was ist Dein Schlüssel, der die Welt eröffnet, Deine epochale Entdeckung der wirklichen Verhältnisse, Dein ewiger Jude?

Einige typische Feministinnen

Schließlich erkannte ich, dass wir Frauen umso weniger Kompromisse eingehen können, je stärker wir uns dem Prinzip der Selbstverwirklichung zuwenden. Nicht jeder Mann ist in der Lage, nachsichtig und großzügig darauf zu reagieren; und so muss man sich eingestehen, dass neben anderen Faktoren die viel gepriesene Emanzipation durchaus ihren Teil zu einer höheren Trennungsrate beiträgt.

So ist es, nur so, Wasser ist flüssig, der Papst ist Katholik, mehr Selbstverwirklichung bedeutet weniger Kompromisse, und an allem sind die Emanzen schuld, diese keifenden Hexen mit Latzhosen und Haaren unter den Armen! Und die Männer? Die sind halt so, wie sie sind und Punkt, und fertig gefügt ist Evas kleine Welt.

Doch wie kam sie zu dieser eines Religionsstifters würdigen Erleuchtung? Was ist ihre Höhle Hira, ihr Gabriel, der zu ihr sprach?

Erst als ich schwanger wurde, begann sich mein Weltbild zu verändern. Immer klarer wurde mir vor Augen geführt, dass ich nicht der Mittelpunkt war, für den ich mich gehalten hatte. Mein Blickfeld erweiterte sich, Empfindungen wie Empathie und Einfühlungsvermögen gewannen zunehmend an Raum.

In diesem ergreifenden Versuch eines einfachen Gemüts, komplexe Prosa zu schaffen, sehen wir schon den Keim künftiger Größe. Bekanntlich war ja auch Schicklgruber zu Anfang nur ein kleiner Gefreiter, und wohin hat er es endlich gebracht? Er behielt eben immer unbarmherzig seinen großen Feind im Blick:

die meist unverheirateten Feministinnen

In diese verschlüsselte Formulierung, die uns in leichten Abwandlungen im Verlaufe des Buches noch öfter begegnen wird, müssen wir nicht viel Interpretationswillen investieren, um zu erkennen, daß unsere Eva von den "unverheirateten" Frauen auf seltsam besessene Weise fasziniert scheint, und im Zusammenklang mit der eingangs zitierten Widmung für die "Urkönigin der Weiblichkeit" fällt uns so der erste, noch zarte Schlüssel zu Evas Welt in die Hand, geformt wie ein großes "L". Ziehen wir ihn auf unseren Bund.

Fortsetzung folgt...

25.07.2007

Andis Namen bei Starbucks 4

Wenn Bücher, Filme, Stücke, Geschichten an sich nur eine gemeinsame Botschaft haben, eine einzige, ist es die, sich von der Meinung anderer zu lösen, sich selbst zu erkennen, in sich selbst sein Glück, sein Ziel zu finden. Und weil das als "Diogenes" doch ein wenig auffällig gewesen wäre, habe ich es eben als "Alexander" über die Kaffeetheke verkündet. Schmeckt gut.

Kluges, Schönes, Witziges

Warum wir so gerne Celebrity-Klatsch konsumieren. Übrigens: Britney ist wieder in ihrer manischen Phase und wischt Welpenscheiße mit Chanelkleidern auf, während Lindsay besoffen und zugekokst ihrer Assistentin mit dem Auto hinterherrast. Was macht eigentlich Paris?

Wenn aber Hässliche sterben, sieht keiner hin.

Warum sind die meistbesuchten deutschen Blogs oft so kreuzlangweilig und doch die meistbesuchten deutschen Blogs? Weil sie die meistbesuchten deutschen Blogs sind.

Apropos Blogs: eine großartige Bildinterpretation.

Die Logos terroristischer Organisationen. Ob sie dafür einen Praktikanten nehmen?

Und Social-Networking-Spacken schreiben verkorkste Nachrichten an junge Frauen.

Die Selbstzwangsprostitution des Online"journalismus". Mehr Klicks, Olga!

Neuer Sport: Fremdwörter erfinden.

Und schließlich: Women in Film. Wer ist für Euch die Schönste?

20.07.2007

Diogenes und Alexander

Diogenes und Alexander

Diogenes der Hund saß in Korinth vor seiner Tonne und blickte in den strahlenden Tag. Da kam zu ihm Alexander, König von Makedonien, seit eben Oberbefehlshaber aller Truppen Griechenlands, bald Schah von Persien, Pharao von Ägypten, Herrscher fast der gesamten bekannten Welt, der mächtigste Mensch, der je gelebt hatte, und sprach zum Philosophen, was immer er sich wünsche, was immer, er, Alexander, werde es für ihn erfüllen.

"Geh mir nur", antwortete dieser, "ein wenig aus der Sonne."

Und Alexander, fast die gleiche Größe wie sein Gegenüber beweisend, rief, wahrlich, wäre er nicht Alexander, er wollte wohl Diogenes sein, Diogenes in der Tonne.

Ich habe, in diesem Zusammenhang, diesen enttäuschend schlechten Artikel vom sonst eigentlich recht verlässlichen Adam Soboczynski gelesen und mich des studiVZ-Aufruhrs erinnert und nochmal an Ariadne von Schirach gedacht und dass sie tatsächlich interessant zu finden scheint, was in Paris Hiltons Sexvideo passiert, das aber trotzdem ihre Karriere gestartet hat, und ich habe diesen meinen Eintrag wiedergelesen und diese tolle Story im Web gefunden, angelsächsische Journalisten merken einfach früher, wohin der Hase läuft, weil sie ihn im Gegensatz zu den geistes- und körperverfetteten deutschen Schanden ihrer Zunft noch selbst jagen können.

Und, im Bergwerk meines Blogs, im tiefsten Schacht des Internets, ruhend über meine Spitzhacke gebeugt, streichend durch meinen Bart in Gedanken, flackernd die Kerze auf meinem Helm, dachte ich, das sind doch Ausläufer einer Ader, einer einzigen Ader, glitzern immer die gleichen Quarze darin, tragen immer die gleichen Mengen Erz, führen alle ins Herz des Berges.

Graben wir uns, also, vor.

Richtig, in nie gekannter Weise exhibitionieren sich die Menschen im weltweiten Web, der letzte Beziehungsstatus, das jüngste Feierfoto, der scheinbar intimste Gedanke in Nullen und Einsen, für alle sichtbar. Richtig, auch offline öffnen die Männer und die Frauen willig ihre schmuddeligen Trenchcoats für Paybacks, Supernannies und nahtlose Bräune. Und natürlich auch richtig, der Antichrist möchte am liebsten alle bundesdeutschen Arschlöcher mehrmals am Tag bis auf den Grund durchwühlen, um darin den bösen braunen Terrormann zu finden, und ändert dafür die Gesetze, bis, ich würde wirklich nicht auf den folgenden Link klicken, wenn ich meine Arbeit, meinen Partner oder meine Katze behalten wollte, bis der Goatse-Mann der beste Musterbürger ist.

In den Händen Schäuble O'Briens, eines gründlichen Personalers, einer neidischen Nachbarin oder auch einer Frau, die ich liebe, was wird aus all dieser Information, all dieser Offenheit, all dieser Nacktheit?

Wie haben Sie den Bundesminister des Innern auf Lebenszeit gerade genannt?

Wie, Sie möchten für die EU arbeiten, die Sie mal für impotent gehalten haben?

Wie, Se hend zu meim Haus "Anne Franks Versteck" gsecht?

Wie, Du hattest mit fast 22 noch nie ein Mädchen geküsst?

Ja.

Ja und?

Ich sehe in die Höhle, die sich hinter diesem letzten Schlag meiner Spitzhacke weit aufgetan hat, und weiß nicht, was in der Dunkelheit wartet. Aber im Lichte meiner Kerze stehe ich erleuchtet, und ich weiß, dass es gut ist, wie ich bin.

Und aus der Schwärze kommt eine Brise, die nach Moos duftet, nach Stein und nach Meer. Nach Freiheit.

Denn wenn jeder mehr über jeden weiß, wird es egaler, wie jeder ist. Wenn wie nach einer Flut aus jedem Keller vermeintlicher Unrat und Tand nach oben schwemmt, wer mit Anstand wollte noch den ersten Stein werfen, aus den Fäden eines öffentlichen Lebens anderen einen Strick drehen? Und wie wollten sich selbst die mit Macht diesem Schwall entziehen?

Wenn jeder mehr über jeden weiß, gibt jeder sich weniger Illusionen hin. Und lernt vielleicht früher, hinter das Gloria der Fassade und die Verteufelung der Macken zu sehen, den Menschen zu sehen, der gut ist, wie er ist.

Wenn man wegen seiner öffentlichen Wehrhaftigkeit und Korrektheit nicht eingestellt wird, wird es gleißend klarer als zuvor, wer auf der Seite des Lebens steht und wer nicht, und gegen wen man das Schwert zischend aus der Scheide ziehen muss.

Wenn wir nicht in die angebliche Norm und die vorgebliche Form passen, müssen nicht wir uns der Form, sondern die Form sich uns angleichen, das Verlinkte ist so ziemlich der beste einzelne Comicstrip, den ich in meinem Leben je gelesen habe.

Wenn wir sind, wer wir sind, sind wir glücklicher.

Ich höre schon, wie die Stimmen sich erheben und mir, nochmal danke für die Verlinkung, Naivität vorwerfen, Idealismus, Blütenträume, die Tatsache, dass die ohne Anstand und die mit Macht immer Wege und Mittel finden werden, ihre Leichen möglichst tief und wasserfest zu verscharren, jedem anderen aber lautstark seine vermeintlichen Verfehlungen vorzuwerfen und ihn nicht einzustellen, ihm keine Wohnung zu geben, ihn nicht zu lieben. Und das stimmt, natürlich.

Aber die Frage, die einzige, ist:

Wer. Bestimmt. Mein. Leben?

Diogenes, und, mit gänzlich anderen Zielen, auch Alexander haben ihre Antwort gefunden, und es war die gleiche, rein und glasklar, wie Wahrheit ist.

Tun wir es ihnen nach.

Seien wir so frei!

Was soll ich bloggen?

First of all habe ich dafür zumindest in den nächsten Wochen aber sowas von keine Zeit, dass ich eigentlich ältere Einträge für gebrauchte Stunden einlösen müsste. Doch auch ansonsten scheint es mir, als hätte ich zu allem, was aktuell geschieht, schon ein- oder mehrmals in anderen Zusammenhängen alles Nötige gesagt, und darum konzentriere ich mich lieber auf Themen und Geschichten, zu denen hier noch nichts steht, selbst wenn das heißt, dass neue Einträge länger brauchen und etwas seltener kommen. Dafür sind sie auch länger.

Aber Andi, der Schäuble ... will Konzentrationslager errichten? Hat die Geschichte vergessen und dass Terror "Angstmache" heißt? Will auf kaum glaublich dreiste Weise seinen weißen Arsch retten und sonst nichts, wenn es zu einem Anschlag kommt? Alles schon bekannt, alles schon da gewesen.

Aber Andi, die Atomkraftwerke ... wären mit Homer Simpson als Sicherheitsinspektor noch gut bedient gewesen? Alles schon gehört, alles schon da gewesen.

Aber Andi, der Bösebush ... Zzzzzzz.

Überrasche mich wieder, Welt!

09.07.2007

Andi gegen die Fliege

Die Fliege

Hier geht es zum Verdruss meiner entomologischen und auch meiner cineastischen Leser weder um das nervige Insekt noch um den gruseligen Horrorfilm mit Jeff Goldblum, sondern um die dafür noch viel nervigere und gruseligere Fliege aus dem Fernsehen, die Fliege Jürgen.

Da war ich also im Mai auf einem Kolloquium zur "Religion und Integration in Europa" bei der Theodor-Heuss-Stiftung in Stuttgart, und nach der Begrüßung durch die Organisatoren mit klingenden Namen, Ludwig Theodor Heuss und Beatrice von Weizsäcker, sprachen zuerst die diesjährigen Theodor-Heuss-Preisträger Rita Süssmuth und der Reis-ul-ulema Mustafa Cerić, der Großmufti von Bosnien und Herzegowina, zum Publikum.

Es ist immer interessant, Prominente einmal "in Wirklichkeit" zu sehen. Außer dem kleinen, beruhigenden Schock, dass sie tatsächlich echte Menschen sind und keine Roboter oder Hologramme, ist es für mich ausgesprochen spannend, sie einmal aus der Nähe beobachten und vielleicht dahinterkommen zu können, was sie ticken lässt. In Rita Süssmuths Fall scheint es selbst (unter Helmut Kohl?) erfahrene Ausgrenzung zu sein, die sie für in anderen Zusammenhängen gleich Behandelte eintreten lässt, und der hochgebildete, bewundernswert klar denkende und sprechende Großmufti wird offenbar von einem gerüttelten Maß Sendungsbewusstseins und Eitelkeit getrieben:

I thank you for those kind words of welcome.
It is good that my wife is here with me today so she can for once hear who I am.

(Lachen)

Unübertroffen und unübertrefflich in Eitelkeit, Narzissmus und Vanitas aber ist der als nächstes das Podium enternde multimediale Tausendsassa Jürgen "Stuben" Fliege. Braungebrannt, mit öligem Lächeln und bekannt samtener Stimme setzt er zu seiner Rede an, die man über sich rauschen lassen kann wie einen sanften karibischen Wellengang am feinsten Strand im schönsten Urlaub seines Lebens.

Die Fliege aus der Nähe

Oder man kann hinhören.

Und sich die Ohren freipopeln. Und die Augen rotreiben. Und den Unterkiefer vom Boden aufsammeln und das flüchten wollende Hirn durch die Nase zurückdrängen, weil man nicht glauben kann, was dieser scheinbar harmlose Fernsehonkel da sagt.

Wir Deutschen schrecken vor Gefühlen zurück, wegen dieser braunen Nazis.

Darum trauen wir uns nicht, leidenschaftliche Gottesdienste zu feiern.

Darum gehen wir nicht mehr in die Kirche.

Darum zeugen wir zuwenige Kinder.

Weil, so Prof. Dr. Fruchtfliege, nur Gläubige Kinder zeugen.

Und darum werden wir "weggezeugt", von diesen turbantragenden Muselmanen.

Schon mehr als "50%" Braune in manchen Schulklassen!

Deutschland erwache!!

Mein Stift bricht in meiner zur Faust verkrampften Hand fast entzwei, und ich überlege noch, ob ich jetzt zuschlagen oder nur buhen soll, da geht es leider schon weiter, und ein informativer Professor Bade aus Osnabrück und der eben eingeflogene Cem Özdemir berichten aus ihren Erfahrungen, bevor es nach einer halben Fragestunde in die Pause geht.

Kuchenstreusel versprühend und Kaffeeduft verbreitend, lasse ich mich dort gegenüber der derlei Ausbrüche gewohnten, mich erstaunlicherweise aber immer noch zu mögen scheinenden Freundin S. aus, wie unglaublich es ist, dass eine solch widerwärtige Demagogin, eine solch niedere Geistesmade, eine derartig perfide Hetzerin und Aufwieglerin wie die Pferdebremse auf Jahre unbemerkt in der Glotze und zwischen Buchdeckeln ihr Unwesen treiben kann, nur weil niemand von einem evangelischen Pfarrer mit wohligem Timbre Böses erwartet. Wie kann es sein, dass keiner aufsteht und der Fernsehfigur sagt, dass ihre sogenannten Gedanken nicht nur höchst zweidimensional und schwarzweiß sind, sondern auch und besonders schädlich für die Gesundheit?

S. weiß auch keine Antwort, aber schlägt vor, dass ich das doch dem Fliegenmenschen selbst sagen soll, in jener der drei anschließenden Arbeitsgruppen, in der er sitzen wird. Aber aus Rücksicht auf mein bekannt schwaches Herz, und weil ich in der Gruppe auch wirklich arbeiten will und nicht nur nach einem unbedachten Moment vom SEK BW auf den Boden gedrückt werden, und weil ich nicht glaube, einem so in seinem eigenen Spiegelkabinett verirrten Wesen wie Musca domestica noch heraushelfen zu können, und auch, weil zwanzig tatsächliche Zuhörer weniger sind als sechs Milliarden mögliche Leser, gehe ich in die Gruppe mit den Professoren Süssmuth und Bade.

Dort kann die geschätzte ehemalige Bundestagspräsidentin zwar auch nicht die mir seit längerem eher rätselhafte Frage beantworten, warum Integration und Migration politisch nicht richtig vorankommen, wenn die Probleme doch weitestgehend bekannt und in einigen Fällen sogar bis auf die Detailursache hinab wissenschaftlich untersucht sind, meine Vermutung ist ja, dass es mal wieder an der hierzulande so beliebten Ideologie liegt, die immer meilenweit vor jeglichem Pragmatismus kommt, aber die Arbeit ist trotzdem interessant, unterhaltsam und produktiv, und Klaus Bade erzählt sogar aus dem Nähkästchen, wie Rita Süssmuth von den Schergen eines gewissen Otto-Katalog unehrenhaft aus der nach ihr benannten Zuwanderungskommission gemobbt wurde. Die große Politik ist auch nur ein kleiner Sandkasten, wie alles.

So verlasse ich nach dem Schlussplenum den Tagungsort doch noch zufrieden, und mir bleibt nur ein leichtes Unbehagen, nicht genug gegen den braungebrannten Brandstifter aus dem Nachmittagsprogramm, die Fliege Jürgen getan zu haben.

Sei dies hiermit erledigt.

Die Fliege am Ende