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29.12.2006

Notfallpraxis

Husten, der vor allem und ausgesprochen nervig kurz vor dem Einschlafen in die Lunge und die Stirnhöhle explodiert, als wäre ich neunzig Jahre alt und würde im Hafen von Batavia syphilitisch zerfressen mein Restleben rasselnd aushauchen, während mich meine achtundvierzig schwarzen und gelben Kinder beweinen und der javanische Schamane die Zukunft aus angenagten Hühnerknochen liest. Keines der üblichen Mittel, Schröpfen mit Egeln, Opfern mit Kleintieren, Sex mit Jungfrauen hilft, es kommt sogar noch ein arger Schnupfen hinzu, diese Rotzkinder von heute putzen sich auch nie die Nase, und so fahre ich vor dem Wochenende in die dramatisch klingende Notfallpraxis der Stuttgarter Ärzteschaft im Marienhospital.

Und bin augenblicklich begeistert, weil es darin genauso aussieht, wie man es sich aus Ärzte- und Polizistenserien vorstellt, genau so: verblichen lachsfarben bezogene Sitzgruppen, überdimensioniert Trost spendende Tropenpflanzen, halb indirektes Neonlicht, hetzende Ärzte, sanfte Krankenschwestern, blinkende Aufzüge, und einmal wird sogar der Weihnachtsmann zur Beinoperation vorbeigefahren, der Arme.

Aber am Besten, am Lustigsten, am Allerfarbigsten sind die Notfälle, die Patienten, das "Krankengut", wie es auf Informationstafeln zur Schwierigkeit laparoskopischer Cholezystektomien bei morbid Adipösen heißt, sie sind offenbar nicht schwerer als bei Normalgewichtigen, wenn man nur einmal fünf Pfleger gefunden hat, die das Krankengut auf den OP-Tisch wuchten. Gute Nachrichten also für die niedliche Transferempfängerfamilie auf der anderen Seite der Sitzgruppe vor mir, Babar der Elefantenkönig, Medizinball, Kind, und für den jungen, langsam ansetzenden Rocker mit Tätowierung und Totenkopfmütze, der seine wohl magenverstimmte Freundin zärtlich streichelt, der große Gleichmacher eben, auch für den Begleiter der stadtbekannten obdachlosen Punkerin, der sie, die mindestens eine Lungenentzündung zu haben scheint, am Ende rührendst auf Händen zu den Ärzten trägt, mit schlackerndem Tupac-Shirt und klingendem, riesigem Bling-Bling. Von den, Entschuldigung, aber Hunter Thompson hat auch nie gezögert, Sozialpädagogenlesben, die ihre nicht mehr gehfähige Freundin mit Galgenhumor aufmuntern, es gibt tatsächlich einen Bestatter direkt gegenüber des Krankenhauses, just-in-time delivery for the win, und dem ältlichen Ehemann, der seiner Frau ein Magazin aus dem entfernten Ständer holt, wenn auch sonst in der Ehe nichts und niemand mehr geht, gar nicht erst zu schreiben: Ich gehe höchst vergnügt und wenig hustend zur Behandlung.

Meine Ärztin ist Oma Duck. Im Kessel von Stalingrad muss sie ein wunderbarer letzter Anblick für zahllose zerfetzte Soldaten gewesen sein, das Alter hat ihrer Schönheit bis auf die üblichen Fältchen und Linien wenig anhaben können, ihr Dutt sitzt fest und doch nicht unlocker, und hätte sie ihre randlose Brille an, wäre ich mit Freuden Franz Gans, am Tag auf dem Felde schlafend Kraft sammelnd für den Abend, denn sie gehört tatsächlich noch zur Generation der abhörenden Ärzte, und der kompetenten. Vielleicht wäre ein Handkuss zur Verabschiedung besser gewesen, aber seit ich von der Masche erfahren habe, dabei mit der Zunge zwischen den Zeige- und Mittelfinger zu lecken und der Frau dann zu sagen, sie solle sich vorstellen, das seien ihre Schenkel, kann ich irgendwie nicht mehr unschuldig handküssen, und so gebe ich ihr nur die Hand und gehe zur Nachtapotheke zehn Straßen weiter, pfeifend.

In der Türjalousie der Apotheke ist tatsächlich eine Klappe, und der Apotheker hat tatsächlich einen unausgeschlafenen Zweitagebart und muss sich tatsächlich bis zum Wirbelsäulenschaden vorbeugen, um durch die Klappe sprechen zu können, nur sein nichtendenwollender Sermon, wie genau ich die Medikamente einzunehmen habe, vielleicht ist er froh, mal mit jemandem sprechen zu können, und natürlich die Mondpreise für die Zuzahlungen passen nicht ganz ins Klischee, vielleicht hätte ich zum Ausgleich mit verschwörerischer Stimme noch ein paar Noppenkondome ordern sollen, aber die letzten drei Jungfrauen hatten sich so beschwert und gleich von ihren Eltern abholen lassen.

Die Klappe geht wieder zu, und ich fahre gesundend heim. Ein schöner Abend.

28.12.2006

Barack Obama

Die "Zeit" und die "Süddeutsche" (Link nicht mehr aktuell) entdecken, weil sie beide aus dem gleichen "Time"-Artikel abschreiben, Barack Obama. Über zwei Jahre nach seiner Keynote auf dem Parteitag der Demokraten. Niedlich.

Aber apropos, ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Hussein Obama bleibt bis auf Weiteres weit wahrscheinlicher als ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Ümüt Onur Özdemir. Zu unserem Nachteil.

20 Jahre Tempo

Die selbsternannte Legende ist auf fast vierhundert Seiten für einmal zurück. Mit einem ziemlich geilen Titelbild von Kate Moss. Mit dem Anspruch, "beste Schreiber, beste Fotografen, beste Inhalte, beste Optik" zu bieten. Mit einem Who's Who des deutschen Journalismus im Impressum, Adorján, Goetz, Kiani, Schnibben, Seidl, Stuckrad-Barre, der übrigens immer noch ziemlich klasse schreiben kann, nur leider immer noch nur über ziemlich nichts, Tillmans, Timmerberg, von Uslar usw. Mit Sätzen wie

19 Penisse schnitten betrogene Frauen in den vergangenen zehn Jahren ihren treulosen Männern ab - meist während diese schliefen.

Männer, die aussehen wie Hüpfburgen und Frauen, die aussehen wie Männer, dumpfen hier gemeinsam durch den Sonntag, RTL2en ihre Lebenszeit weg, bis später dann "Bauer sucht Frau" im Fernsehen kommt; hier hat jeder Bauer seine Bäuerin, jedes Schwein seine Kuh schon gefunden.

Was so heiter und entspannt wirkt, wenn man im Prenzlauer Berg in die großen Glasfenster der Cafés schaut und dort die Web-Existenzen vor ihren Computern sieht, ist in Wahrheit so etwas wie der Blick in ein Aquarium voll von toten Fischen.

Nichts autochthoner als ein Lemberger, nichts frischer und fruchtiger als ein Sylvaner.

Vorsicht und Mittelmaß. Die Zukunft der Literatur muss diese Wörter für immer vergessen machen.

Mit Berichten über eine selbsterfundene "Deutsche Nationalakademie", die mit Hitlerzitaten gespickte Ehrendoktorantragungen an Prominente verschickt hat, 14 von 100 sagten zu, mit Michèle Roten, natürlich über Sex, überraschend über Counter-Strike, mit der halben Enthüllung, dass Frank Schirrmacher und Rebecca Casati turteln, da haben sich zwei gefunden, die einander vollumfänglich verdienen, die einander umarmen sollten wie Arthur und Mordred in "Excalibur", mit einer Erwähnung des Mapplethorpe-Fotos "Man in Polyester Suit", das wir beschämenderweise noch nicht kannten und gleich gegoogelt haben, wonach wir 14 Operationen brauchten, um unser Kinn, das auf den Boden gefallen war, wieder einzurenken, wieviel Hektoliter Blut muss der Mann in seinem Kreislauf haben, und am Ende gar mit einem Katalog von Forderungen, was alles anders werden muss, klug, dumm, nassforsch, weise, unsäglich, haarsträubend, geschwätzig, radikal und lustig.

Kurz, es ist ein Magazin, wie wir es selbst gern herausgegeben hätten.

Schade, dass es sterben musste.

Aber so ist das eben.

Der Donald disst die Rosie

Zum Totlachen.

27.12.2006

Vom Wolf

Der Beta

Wir hatten es hier ja erst zuletzt von ihm. Heute hat Vater W. eine interessante Geschichte vom Wolf erzählt.

In dem Dorf, in dem er aufwuchs, lebte ein Mann, den alle nur Farkasölõ nannten.

In dem Dorf in den Ostkarpaten.

Farkasölõ heißt Wolfstöter.

Ein Wolf fiel Farkasölõ an, von hinten, im Wald in den Karpaten. Doch Farkasölõ nahm den Wolf in den Schwitzkasten und presste ihm seine andere Faust tief, tief in den heißen Rachen. Er erstickte den Wolf und ging zurück ins Dorf, um seinen verletzten Arm vernähen zu lassen, und die Bewohner gingen in den Wald und fanden den Wolf und nannten den Mann Farkasölõ, das heißt Wolfstöter.

Sagt, in diesem Zusammenhang, Rosa von Praunheim, in einem Interview in "Zeit Campus":

Ich hätte jedes Mal kotzen können, wenn ich am Anfang eines Semesters in die satten Gesichter der Studenten geschaut habe. Die kommen alle aus bequemen, bürgerlichen Elternhäusern und haben keine Notwendigkeit, kreativ zu sein.

Sie haben einfach kein Thema. Wenn ich frage: "Was interessiert dich im Leben?", da kommt eigentlich nichts außer Privatleben.

Die meisten langweilen sich in irgendwelchen längeren Beziehungen und träumen davon, eine spießige Familie zu haben. Sie haben so wenig Leidenschaft.

Lesen wir weiter hinten im Heft von Ulrike Meinhof und ob und wie sie heute als Studentin vorstellbar wäre, und endet der Artikel mit den Worten:

50 Jahre später kann man sich die Studentin Ulrike Meinhof überraschend leicht auf einem heutigen Campus vorstellen. Die Studentin, wohlgemerkt. Die Terroristin nicht.

Und das ist der Moment, in dem wir das Heft hinschmeißen und tief grollen und die Autorin und ihren Chefredakteur und ihre ganze Generation von hinten anfallen und ihnen mit messerscharfen Raubtierzähnen den Nacken durchbeißen wollen.

Denn das ist das Problem, genau das Problem. Dass man sich die Terroristin nicht vorstellen kann. Dass man nicht verstehen kann, warum die Hochbegabte in Berlin aus dem Fenster springt und damit ihre Kinder verlässt und ihr Leben und buchstäblich in die Wüste geht. Dass man so satt und so bequem ist, dass man noch nicht eine Narbe erlitten hat, noch nicht einen Funken Leidenschaft gezündet, noch nicht einen Moment gelebt.

Noch nicht einen Moment mit dem Wolf gekämpft hat.

Und darum auch nicht weiß, dass zum Leben das Sterben gehört und das Sterben und das Töten manchmal nötig sind.

Ja, Ironie Supreme, heute morgen 82 untrainierte Kilos um den weißen Arsch, im Ikea-Drehstuhl quakend wie eine Kröte, wohlig beheizt und mit viel zuviel Freizeit, als gut für uns ist, über die verfettete Welt bloggend, mit jedem Finger, der auf die anderen zeigt, zeigen drei auf mich zurück. Und trotzdem.

Ja, die Baader-Ensslin-Bande und Meinhof haben so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte, wie Lehrbücher, und als sie in der Wüste von Jordanien nackt sonnenbadeten, im Lager der Fatah, ausgerechnet im Lager der Fatah, als Deutsche, vor den Fedajeen, die in ihrem Leben noch nie eine nackte Frau gesehen hatten, hätte der Kommandant sie erschießen lassen sollen, alle und zurecht, und danach durch den Dreck schleifen lassen, und der Welt wäre einiges erspart geblieben. Und trotzdem.

Ja, es ist gut, dass man beim Spaziergang im Wald nicht mehr vom Wolf angegriffen wird und mit ihm um sein Leben kämpfen muss und stattdessen satt und bequem werden kann, es ist gut. Und trotzdem.

Und trotzdem heißt Leben Hunger. Heißt Leben Leidenschaft. Heißt Leben Sterben.

Heißt, den Wolf nicht zu vergessen.

Den Wolf im Nacken.

24.12.2006

Frohe Weihnachten

Hier geht's zwischen den Jahren weiter.

15.12.2006

666

Seine absurde Knollennase erzählt von der endlos klirrenden Armada von Flaschen und sein zerlebtes Gesicht von der ungeschminkten Wirklichkeit. Die Last beugt sein Haupt voll wirrem Haar, und auf seiner Stirn ist klotzig und schwarz "666" eintätowiert und zwischen seinen Augen ein umgedrehtes Kreuz, rot. Er unterhält sich in gebrochener Stimme mit einem kleinen Mädchen, das sich in der vollen Bahn neben ihn gesetzt hat, über seinen Schulweg und seine Weihnachtsferien und wünscht ihm eine gute Fahrt. Ich muss fast weinen.

14.12.2006

...voi ch'intrate

Ferngesehen habe ich ja auch. Und wenn das, was auf unseren Privaten am frühen Sonntag in tantalidischer Wiederholung läuft, Comedy, also Humor sein soll, war Adolf Hitler der größte Humorist der Welt.

Lasciate ogne speranza ...

Nach langer Zeit mal wieder ferngesehen und Radio gehört.

Nach langer Zeit, weil ich keinen Fernseher habe und nie Radio höre.

Ich habe keinen Fernseher, weil darin nur Scheiße kommt. Nur Scheiße.

Und ich höre nie Radio, weil ich nach spätestens zwei Minuten Jingles, Werbung, kryptofaschistischem Pop und wieder Jingles Mordphantasien entwickle, nach denen sich jeder Abmahnanwalt seine zehn schmierigen Gierfinger lecken würde.

Darum scheinen einige Entwicklungen im Fernsehen und im Radio an mir vorübergegangen zu sein.

Es ist alles noch viel, viel schlimmer geworden.

Da macht sich der "freche" Radiomoderator zurecht, aber sehr harmlos über Chad Kroeger lustig, die Frontwitzfigur der kanadischen Pantoffelrockband Nickelback, und seine an einen seit Monaten toten, halb von Geiern aufgefressenen Löwen erinnernde "Frisur" und über seinen Auftritt bei "Wetten, dass..?", diese Sendung hat auch nochmal mindestens einen Eintrag verdient.

Und was passiert? Natürlich rufen aufgebrachte Zuhörer an und beschweren sich über die Schmähungen, was zeigt, dass es offenbar nicht nur unter Bloggern Menschen gibt, die erstens zu viel Zeit, zweitens jeden noch verbliebenen Sinn für Verhältnismäßigkeit verloren und drittens dringendst eine oder auch zweihundert zurechtrückende Kopfnüsse mit dem Vorschlaghammer verdient haben, aber das Schlimme, das wirklich Schlimme ist, dass der Moderator nach dem nächsten Werbeblock kalt schwitzend zurückrudert und hastig beteuert, dass er es doch gar nicht so gemeint habe, auch Nickelback-Fans seien lebenswertes Leben, man solle Chad Kroeger nur dann ins Gesicht spucken, wenn sein Bart brenne, und warum bleiben wir nicht einfach alle Freunde, haha.

Erbärmlich.

Und bringt mich direkt zu Hape Kerkeling, Hans Haacke und Harald Schmidt, die in drei aufeinanderfolgenden Wochen in drei aufeinanderfolgenden, ansonsten übrigens sehr lesenswerten "Zeit"-Interviews in geradezu bestürzend aufeinanderfolgender Offenheit verraten, dass sie aus Angst vor "dem Islam" keine Witze und keine Kunst über ihn machen.

Und das ist auch erbärmlich.

Denn wer, wenn nicht die, die frei sind zu tun, was sie wollen, sollen tun, was sie müssen? Wer, wenn nicht die mit der erzenen Stimme, die zu Millionen tönt, können ihr Wort gegen die erheben, die uns unsere Freiheit, unsere Welt und unser Leben nehmen wollen, in dieser Reihenfolge der Wichtigkeit ihrer Bewahrung? Wer, wenn nicht der Narr, kann dem König die Wahrheit sagen?

Sagt Vater W. in der Stimme der Weisheit, dass man niemanden zwingen könne, zum Helden zu werden. Recht, recht. Aber eben. Wer rettet uns dann, vor den europäischen Taliban und den plötzlich dänische Flaggen in ihren Kellern entdeckenden Jubelpersern und vor Hassan Nasrallah, Sayyid Hassan Nasrallah und Chad Kroeger? Wer dann?

10.12.2006

Meine Weihnachtssharia

Die früheren Teile dieser kleinen Serie hier, hier und hier.

Wer eine Nikolausmütze mit blinkenden Lichtern und/oder dem Bommel an einer "lustigen" Feder trägt, wird enthauptet.

09.12.2006

Coldplay

Ich saß auf meinem Bett und hörte Coldplay, diese lächerliche tränige gutmenschliche Knutschmusik, die nach bleichen Engländern, schlecht geheizten Lofts und fair gehandeltem Kaffee riecht, und fühlte mich wie jemand, der Coldplay hört.

Did I listen to pop music because I was miserable?
Or was I miserable because I listened to pop music?

Und da taucht er im Augenwinkel auf, mein innerer Mephistopheles, ohne den es nie geht, mein Geist, der stets verneint, mein advocatus diaboli, und bellt, und zurecht, dass ich, des vonderleyenschen Idylls mit Job, Haus, Frau, Kinder- und Hundeschar ansichtig, doch augenblicklich Anlauf nähme, um mit der größten Ramme dagegen anzurennen, und wahrscheinlich auch zurecht, aber ich entgegne ihm, dass lächerlicher als der Spießer in seiner Blase scheinbarer Seligkeit, weit lächerlicher doch ein alter Rainer Langhans ist, der tatsächlich noch andere Spießer nennt, seine Enkelinnen in der Disco begrabscht und allein sterben wird, an seinem Grab nur der Pfarrer, ausgerechnet, und Rudi aus der Eckkneipe.

Recht, ruft Mephisto, recht, die normative Kraft des Faktischen eben, der große Gleichmacher eben, in der grünen Hölle scheiden sich die Revolutionäre eben, die Buddhas, die Pol Pots, die Maos, die, die so oder so in die Erinnerung eingehen, von denen, die es nicht tun, spätestens dann, wenn es kein Bananenblatt mehr gibt, um den braunen Arsch auszuwischen, spätestens dann geht es ins Geschichtsbuch oder ins Massengrab.

Und ist es nicht das, schreit er und führt einen Stoß, was Du willst, auf die Titelseiten und die Denkmäler und die Lippen der Menschen, aber Du willst auch nicht Dein Scheißpapier weggeben, die Freude an der Uni, die Freiheit, zu lassen, was Du willst, willst Dich auch nicht mit der Hand auswischen, willst Anerkennung und Bewunderung und Liebe, ohne einen Finger zu krümmen!

Er atmet angestrengt und fährt fort, warum wertest Du Dich selbst so ab, die Arbeiter sagen Dir doch selbst, dass sie lieber länger studiert hätten, die Gesichter der Verheirateten werden von Jahr zu Jahr länger, Mao hätte die Augen von Neugeborenen ausschlürfen können und wäre nicht wesentlich unsympathischer geworden, Denkmäler baut man für Stalins und Kim Jong-Ils, Du weißt doch, Du weißt doch, dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist und nichts unbewundernswerter, nichts unliebenswerter als Heulen und Klagen und Neiden, statt zu tun, was man für richtig hält und sich selbst zu lieben, bist halt ein Langzeitstudent, so what, bist halt weltweit unbekannt, so what, kriegst halt keine acht Jahre Beziehung zustande, so what the fuck, bist trotzdem, unabhängig davon ein Mensch, ein wertvoller, warum wertest Du Dich selbst so ab und das, was Du angeblich verachtest, so auf, warum gibst Du etwas auf Ideale, die Du ablehnst, auf Meinungen, die Du bekämpfst, auf Menschen, die nichts auf Dich geben, warum eiferst Du ihnen heimlich nach, warum?

Geht doch meistens auch gut ohne, nur ab und zu muss ich Dich halt mit dem Schwert bezwingen, mit dem Lichtschwert, lass es weiter selten sein, sagt er und verschwindet.

Und er hat recht.

Und ich mache Coldplay aus und gehe schlafen.

Und im Dunkeln glüht das Schwert nach.

Und verlischt, als der Morgen kommt.

08.12.2006

Blogger Beta

Endlich Kategorien! Virtuelle Erektion.

Aber um sie in mein individualisiertes Layout einzufügen, müsste ich es komplett in Bloggers neue Layoutsprache umschreiben und noch einiges mehr ändern. Sofortige Wiedererschlaffung. Vor dem neuen Jahr wird's damit nichts mehr, und dann kann ich mir auch fast überlegen, zu einem Anbieter zu wechseln, der ein größeres Herz für digitale Phalli hat. Nur zu welchem?

Das Autoauto

Interessantes über moderne Fahrerassistenzsysteme. Der ADAC ist natürlich dagegen, weil er sich seine kindische Freude am Totrasen und Kaputtfahren nicht nehmen lassen will, aber hier ist es wie fast immer das Richtige, genau die Meinung zu haben, die der ADAC nicht hat. Lebensrettende Fahrgastzellen, Gurte, Airbags, Antiblockier- und Stabilitätssysteme akzeptiert er schließlich auch, und so wird er eines nicht allzu fernen Tages auch zuerst noch grummelnd und murrend, dann aber lachend und jubelnd akzeptieren, dass unsere Autos endlich völlig von selbst fahren werden, nicht obwohl, sondern weil das heißt, dass wir sie nicht mehr fahren werden. Denn nicht einmal der ADAC will in seinem aufgerissenen Wrack halb zermalmt und ganz eingeklemmt jämmerlich brennend krepieren. Einige Dinge bleiben eben für alle wahr.

06.12.2006

Exegesis

Als ich mich gestern nach getaner Arbeit mit vor Schweiß dampfendem Fell und vor Schaum kochendem Maul wieder hinter den Alpha eingereiht habe und weiter durch den Schnee geschnürt bin, überlegte ich, wie sich solche notwendigen Straforgien in Zukunft verhindern ließen. Weniges erschien mir dabei effektiver und effizienter als das Exerzitium der Exemplarik, das lehrbuchbeispielhafte Zeigen dessen, wie man es nicht macht, damit man es nicht macht. Freilich, die Gefahr besteht, dass sich die Novizen dann genau das falsche Vorgehen merken, aber dann war einfach nur das Exemplum nicht abschreckend genug. Wessen Ordensbruder man mit der Zange die Zunge herausgebrannt hat, wird nie mehr den Herrn in den sieben Himmeln lästern.

In diesem Sinne.

In diesem Sinne wollen wir uns noch einmal mit den Nasskämmern beschäftigen, den Nassforschen und ihren Anmachsprüchen und Videofilmen und Wichsdatenbanken. Sehen wir uns zu Anfang das Beweisstück A noch einmal an, in voller hundertsekündiger Länge und unkommentiert.

So. Und jetzt spulen wir zurück und fangen wieder von vorne an.

Das erste, was uns auffällt, ist der Titel des Werkes:

chick auf mitte party // WC

Mitte Party. Wo die Geilen und Schönen feiern, und ich bin mittendrin dabei. Filme auf dem WC, bin ein verruchterer Hund als Hunter S. Thompson, und mehr Drogen als er vertrage ich sowieso. Filme ein "Chick", Yee-Haw Baby!

Männer, die sich selbst stark hassen, nennen Frauen Fotzen und Huren. Männer, die sich selbst viel hassen und Frauen fürchten, nennen sie Göttinnen und Prinzessinnen. Männer, die sich selbst normal hassen und Frauen manchmal auch, nennen sie Weiber und Hühner. Männer, die Frauen lieben, nennen sie Frauen oder, wenn sie jünger sind, Mädchen, es gibt wenige schönere Wörter in der deutschen Sprache. Männer aber, die Frauen "Chicks" nennen, laut dem im studiVZ angegebenen Geburtstag noch fast genau einen Monat nach ihrem 26. Geburtstag, solche Männer sind nicht weniger als eine Gefahr für die gesamte Menschheit. In ihrem alles verzehrenden, durch Angst wie durch Napalm befeuerten Selbsthass. In ihrer totalitären Menschenverachtung. In ihrer fanatischen Prostitution für den Luden des Zeitgeists. Es fröstelt mich, zuinnerst.

Aber gut, vielleicht ist das der Interpretation ein klein bisschen viel. Weiter also.

Exegesis 1

Das zweite, was uns auch beim anderen Video (Link nicht mehr aktuell), um das es heute nicht gehen soll, eins ist genug, noch in der ersten Sekunde auffällt, ist, dass die von Dariani gefilmte Frau nach jedem gängigen Maßstab außergewöhnlich attraktiv aussieht. Groß und schlank, mit, wie wir später noch sehen werden, makellosen, langen und perfekt geformten Beinen, einem leicht zum Rechteckigen neigenden, aber dadurch sehr klaren ovalen Gesicht mit rosig betonten Wangenknochen, einer charaktervollen Stupsnase, halbvoll melancholischen Lippen, wie gemalten blauen Augen und auch um vier Uhr morgens noch reizvollem blondem Haar. Sie kleidet sich so elegant wie schnörkellos, wozu brauchte sie auch Schmuck, und, ihre Blicke verraten es uns, sie hat unseren smarten Startupgründer spätestens in Sekunde 15 völlig durchschaut, bis auf seine nackte, winselnde Seele, sieht sie sich doch jeden Tag, jeden einzelnen Tag mit Legionen von so unbeholfenen wie schleimigen und groben Verehrern konfrontiert, hätte sie den Krieg der Willen nicht gewonnen, wäre sie längst untergegangen, Sieg oder Tod.

Exegesis 2

Wer fährt auf solche Frauen ab? Auf Frauen, um die früher wenn nicht zehn Jahre, so doch wenigstens einige Sonnenwenden Krieg geführt worden wäre, Frauen wie Standbilder, Frauen für Standbilder, Frauen, die in ihrer vollkommenen Schönheit fast schon wieder langweilig und auch ein wenig furchterregend wirken, trübt sie doch äußerlich nicht der geringste menschliche Makel?

Offensichtlich Menschen, die selbst in Dimensionen und Epochen schweben, in denen aus Frauen Standbilder werden und aus Standbildern Frauen, mit anderen Worten, Personen, die die Welt, wie sie ist, fürchten, weil sie sie nicht kennen, weil sie sich in ihre eigene Welt flüchten, weil sie die Welt, wie sie ist, fürchten. Ja, it takes one to know one.

Instinktiv spürt Dariani, dass das Mädchen voll durch seine Kamera hindurch in den inneren Abgrund schaut, den er mit ihr doch geflissentlich zu verbergen sucht, und er reißt sie hastig hinunter, um ihr nacktes Bein zu bannen, um wieder selbst zum Beobachter zu werden, um wieder selbst die Kontrolle zu gewinnen. Für einen geschätzt 1,35 m großen, quäkig und gehetzt artikulierenden Hobbit mitten unter den Großen Leuten muss es unheimlich wichtig sein, die Kontrolle zu gewinnen, umso mehr, wenn es gilt, auf die Lichtung zu treten und Lúthien anzurufen, die tanzende Lúthien Tinúviel, halb Elbe, halb Engel, Schönste der Kinder Ilúvatars.

Mindestens dreimal, zunehmend verunsichert und ärgerlich fragt Dariani sie so, wie sie "die Party hier" findet. Doch sie sagt ihm unberührt und scharf wie ein Rapier, er solle schon machen, er solle "abschießen", im irrtümlichen Glauben, er wolle sie nur fotografieren, doch sie trifft trotzdem das genau richtige Wort für sein Tun, das rasiermessergenau richtige, natürlich.

Exegesis 3

Ehssan aber, längst völlig von ihrer Präsenz benebelt, bemerkt nicht, wie über sie ihm ist, wie absolut über, sagt sogar "Ja bitte!!1", richtig, mit zwei Ausrufezeichen und einer Eins, nachdem der zitternde Finger von der Shift-Taste geglitscht ist, als sie ihn raffiniert fragt, ob sie jetzt "was" zeigen soll und ihr zum Niederknien schönes Bein ins Magazin lädt, mit einem Streicheln und einem winzigen, teuflischen Klaps sogar. In einer Woche hätte diese Frau den kurz vor dem Abschluss stehenden Musterstudenten Dariani in einen sabbernden, psychisch, physisch und finanziell bis ans Lebensende bankrotten Penner verwandelt, wenn sie gewollt hätte, und zurecht, aber da in ihren Augen noch nicht die Verbitterung überläuft, weiß doch auch sie wohl, ihrer Jugend geschuldet, noch nicht alles von der Welt und von den Männern, erzählt sie stattdessen von den Verletzungen, die sie erfahren, von den Feiglingen, die sich ihr Begehren nicht eingestehen können, von den Würstchen und Schmierenschauspielern, die sich heute junge Männer schimpfen.

Nicht jedoch, ohne vorher Ehssan Dariani mindestens drei mammutbaumdicke Zaunpfähle hinzuwerfen, die dieser, wie alle vorherigen, natürlich übersieht, weil er viel zu beschäftigt ist, die Kontrolle nicht schon wieder zu verlieren, diesmal also, ihr seinen Namen nicht zu nennen, ach wie gut, dass niemand weiß und so weiter. Selbst als sie ihm ihr anderes Bein zeigt, um ihn endlich loszuwerden, und seine verbale ejaculatio praecox "rein, r-rein medizinisch" souverän wie eine Königin ignoriert, hört er die Salve nicht, und so bleibt ihr endlich, zum schändlichen Schluss seines Werkes nur, ganz unköniginnenhaft zu ernstaugusten.

Exegesis 4

Ein Gentleman ist jemand, der dafür sorgt, dass sich die Menschen in seiner Umgebung wohl fühlen. Dass sich die Menschen in seiner Umgebung nicht zu vergessen brauchen, weil der Gentleman sich ihrer erinnert. Ehssan Dariani, meine Wölfe und Wölfinnen, ist kein Gentleman. Was aber er ist, ist nicht so wichtig. Nur, dass Ihr nie so werdet wie er.

Weiter durch den Schnee.

05.12.2006

Laubhaufen

Ich liebe es, durch Laub zu laufen.
In Laubhaufen zu laufen, wie die Staufer oder, wie ich sage, Staufen.
Kaufen die Staufen die Haufen zum Laufen?
Schnaufen die Staufen beim Laufen in Haufen?
Saufen die Staufen das Laufen aus Traufen in Haufen?
Raufen sich Haufen von Staufen auf Traufen und schnaufen?
Laufen die Staufen zum Saufen in Haufen nach Staufen?
Oder kaufen die Staufen Haufen von Traufen zum Taufen der Staufen aus Laufen?
Ist ein Geschichtsprofessor da?

04.12.2006

Der Beta

Der Betawolf

Der Alphawolf ist der Kommandant des Rudels. Er geht voran, weil er es kann. Er zeigt den Kurs. Er zeugt die Welpen. Er ist fern, weise und mächtig und steht auf dem Hügel. Er ist der Good Cop, er bellt.

Der Beta ist sein Sekundant. Er hilft dem Alpha bei der Aufzucht. Er ist nah, wachsam und gerissen und steht zwischen den Wölfen, auf dem Boden. Er ist der Bad Cop, er beißt, beißt das Rudel auf Kurs.

Ich habe keine Ahnung, wer der Alpha des Internets ist, der Alpha der Menschheit. Nur, dass sein Kurs zum Guten führen muss, muss, sonst muss er weggebissen werden, auf der Stelle und koste es, was es wolle, und sei es das eigene Leben.

Aber ich liebe es, seinen Beta zu machen, Zähne gefletscht, Lefzen gekräuselt, grollend.

Wohlan denn.

Das studiVZ, eine Social-Networking-Site für deutschsprachige Studenten, ist seit Wochen in schlechten Schlagzeilen. Domaingrabbing, Finanzierungsfragen, Missmanagement, Performanceprobleme, Plagiarismus, Sicherheitslücken und dergleichen PR-Desaster mehr. Sieht man sich hier (Link nicht mehr aktuell) oder auch hier an, wie klebrig nassforsch, wie widerlich pseudoselbstbewusst und so auch in allem, von dem hinter dem Visier der Digitalkamera sorgfältig einstudierten, Interesse heuchelnden Anmachspruch, über die Wahl außergewöhnlich attraktiver, für ihn buchstäblich unerreichbarer Opfer, was wüsste er auch mit ihnen anzufangen, wären sie sein, bis zur allzu schnellen Pirouette, um die Mädchen noch besser aufs Bild und so in die heimische Onanierdatenbank zu bannen, wie also in allem zutiefst verräterisch verunsichert, orientierungslos und ängstlich das Aushängeschild des Verzeichnisses, der ausgerechnet im BWL- und VWL-Mekka St. Gallen studierende Ehssan Dariani agiert, muss das auch nicht mehr verwundern, mit den Nasskämmern war ja schon auf U 96 kein Krieg mehr zu führen.

Oh, habe ich jetzt auch einen bösen, bösen Naziwitz gemacht wie Dariani, der zu seinem Geburtstag im Stil einer Seite des "Völkischen Beobachters" einlud? Böser Beta, machst die Blogosphäre böse.

Ich spucke dieses Wort aus.

Ich spucke es aus, weil sein nach den Kreisen der Hölle stinkender Odem in mir unaufhaltsamen Brechreiz erregt. Nicht die Liebe zum, das Aufgehen im Hobby lässt das Wort ekel faulen, die Kürbiskompanie Köln-Kalk und die Modellbahnstandarte Rottach-Egern haben zweifelsfrei auch ihre eher engagierteren, ansonsten aber honorigen Mitglieder, aber der Kürbisvorsitzende stellt sich nicht auf den Marktplatz und verlangt, dass das Volk ihm fortan den Arsch auslutscht, der H0-König läßt sich nicht von einem Baron den Nachttopf hinterhertragen, und der Käfersammler behauptet nicht, einen Elefanten erwürgt zu haben.

In der Blogosphäre aber rubbelt man sich gegenseitig die Mikropenes rot, versichert einander und die Welt mit glühenden Wangen und verklebtem Gesicht der unbedingten, zumindest globalen, wenn nicht kosmischen, gar multiversischen Wichtigkeit, setzt, zum Antrieb seiner 2.0-Schwanzpumpe, noch einen Link (leider nicht mehr aktuell), lacht, in Mamas Keller, aus 300 Kilo schwer polterndem Leib, vor seiner "Maschine", als hätte man auch nur einen Tag mit seinen Händen gearbeitet, auch nur einen Tag, lacht, einen Wurstfinger im Hintern, um diesen Moment noch erregender zu machen, über einen weiteren Riesen, den man zu Fall gebracht habe, man, die allmächtige Blogosphäre, Kaiser und Gott, Blogger und Pharao.

Der Junge, der mit seiner Lupe Ameisen verschmort, lacht so.

In Wirklichkeit haben gerade mal sechs von zehn Haushalten in Deutschland Internet. In Wirklichkeit informiert sich fast jeder Fünfte aus der "Bild", dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommen irgendwann, irgendwann weit, weit weg, winzig wie Ameisen, die anderen Zeitungen, die jeden Zehnten erreichen. Zusammen. Fast muss man da froh sein, dass neben der außer Konkurrenz stehenden "Motorwelt", diversen Fernsehzeitschriftenbeilagen und dem Platzhirsch "Bild am Sonntag" wenigstens der Judenhasser- und Ficki-Ficki-"Stern", das Fachblatt für irrtümlich aufgezogene Nachgeburten "Focus" und der politische Bahnhofskioskporno "Spiegel" noch jeden Dritten ansprechen, aber natürlich auch nur fast. Und dann habe ich noch gar nicht von Aufmerksamkeitsspannen, der völligen Vergeblichkeit der zweiten und aller weiteren Google-Ergebnisseiten oder der geradezu fantastisch absurd narzisstischen Annahme angefangen, irgendjemand, irgend jemand würde Blogkommentare lesen, bis zum Punkt am Ende dieses Satzes haben ja schon wieder zehn Prozent der noch verbliebenen Leser weiter nach Britneys schlampig gewachster Vulva gesucht, ach Mädchen, warum auf diese Weise.

Das interessiert die Leute, das erreicht sie, Ficken, Rasen, Glotzen, das ist die Seele der Medien, für das Internet, das in den eigenen vier Wänden völlig unbeobachtet konsumierte, gänzlich unüberwacht eingesaugte Internet gilt das doppelt und x-fach, die zehn häufigsten Suchbegriffe, mit denen Besucher im November auf mein Blog fanden, "Anna Netrebko", bestimmt nicht wegen der Reinheit ihres hohen Cs, "Bumsen", "Frohe Weihnachten", einmal muss auch dafür Zeit sein, "Masturbation", dito, "Netrebko", "Veronica Ferres nackt", natürlich, "Anna-Netrebko", "Beine breit", "Veronika Ferres nackt", "Andreas Lazar nackt".

Der Junge, der mit seiner Lupe Ameisen verschmort, glaubt sich einen bösen Gott. Für einen Neunjährigen ist das mehr oder weniger normal. Für einen Fünfunddreißigjährigen, auch wenn beide ungefähr gleich oft Sex hatten, mit Onkel Paul oder der Xena aus Pappmaché zählt nicht, nicht. Für eine ganze Blogosphäre von Kaspar Hausers mit DSL 16.000 ist es nachgerade zutiefst besorgniserregend, so wie es den Beta im tierischsten Inneren besorgt, wenn seine Zähne vom vielen Beißen immer weher werden und seine Kiefer immer müder und er dennoch jeden Tag mehr knurren muss, mehr bellen, mehr beißen, jeden einzelnen Tag.

Doch es muss ja weitergehen, und so sind schließlich, nach den notgeilen Nasskämmern und den keckernden Hyänen, die Omegas dran, die zurechten Omegas, die dümmsten anzunehmenden User, also alle übrigen. Nur für Euch:

Das Internet vergisst nichts.

Das Internet ist wie der Marktplatz.

Auf dem Marktplatz läuft jeder herum.

Niemand, der noch ein letztes bisschen Verfügungsmacht über seinen Geist und sein Geschlecht besitzt, würde Fotos von seinem Busen im Bikini oder seinen Socken vorne in der Hose auf dem Marktplatz herumzeigen, weil dort jeder herumläuft. Weil. Dort. Jeder. Herumläuft. Der sympathische junge Student. Die missgünstige Oma. Die beste Freundin. Die klatschende Hausfrau. Der Manager, der an Mädchenschlüpfern riecht. Der entlassene Raubmörder. The Man.

Mind you, der Beta hat nichts gegen Bikinibilder, im Gegenteil, manchmal erlaubt der Alpha auch ihm, sich fortzupflanzen, und von ihm aus darf jeder soviel schönes kleines Nichts beinahe tragen, wie er will, und damit das einfacher möglich wird, wird er auch gerne weiter "Selbst schuld, wenn sie vergewaltigt wird"-Sagern mit der Axt eine bessere Belüftung des Schädels spendieren, aber solange es schwieriger ist, schmiert man sich nicht mit Babyrobbenblut ein, wenn man nach Haien tauchen geht, und geht nicht mit Zehn-Zentimeter-Heels und einem als Gürtel posierenden Rock in den Hochsicherheitstrakt von Alcatraz, und stellt auch nicht seine Brüste in ein Internetverzeichnis, in dem jeder alles sehen kann, weil dann jeder alles sehen kann. Die Würde ist nicht antastbar - aber wer sagt das den Haien?

Bezeichnend übrigens, dass die Genossen Darianis nach der Entdeckung des zuletzt verlinkten "Skandals" diesen nicht etwa schleunigst unterbunden, sondern untertänigst gebeten haben, daran teilhaben zu dürfen, und ebenso bezeichnend, dass die Genossen der Blogosphäre sofort mit der 50-Meter-Yacht zur Jagd auf die skandalösen Zwerghaie oder zwergskandalösen Haie geblasen haben, geht es hier doch, wenn nicht ums Rasen oder Glotzen, so doch ums Ficken, und das macht hier wie dort immer noch und für immer the world go round. Übrigens interessiert sich aus eben diesem Grunde keiner, aber auch wirklich keiner für die privaten Daten der oft so paranoid wie megalomanisch noch ihre kleinsten SMS mit 128 Bit verschlüsselnden Computerexperten unter den Bloggern, das nur als Ex-Informatiker zwischen zwei Bissen aus bluttriefendem Maul hervor.

Der müde Beta

Der Beta steht zwischen den Wölfen, seine Brust hebt und senkt sich schwer, aus müden, rotgeränderten Augen betrachtet er aufmerksam die Meute, schließlich hat er jetzt alle, alle gebissen, selbst an die 1337 roxxor Welpen hat er am Ende gedacht, die, obwohl doch angeblich schon Studenten, kaum geradeaus schreiben, geschweige denn denken können, glauben wirklich, jemand reißt ihnen den Büffel aus reiner Wolfsliebe, glauben wirklich, jemand macht ihnen eine Website aus reiner Philanthropie, glauben das wirklich, wenn man sie jetzt nicht sofort beißt, werden sie es einem einmal nicht einmal mehr danken können, und er hört schon das Jaulen:

Aber Betawolf-Blogger, haben die StudiVZ-Macher denn nicht viel falsch gemacht? Doch, alles, was man ihnen zur Last legt, und wahrscheinlich noch viel mehr, ist aber, am Ende, egal, Ameisen, Lupen und Jungen und, wie leider schon die Blogbrigade treffendst schrieb, hier bläst nicht der Weiße Wal, sondern eine Quappe, maximal, und ein Ishmael ist auch nicht an Bord, nur eine Handvoll zunehmend besessener Ahabs. Die Quappe aber bewahren eine Million Menschen in ihren Goldfischgläsern auf, die noch nie einen Ahab brüllen gehört, noch nie seine Harpune gespürt haben, wie auch, hat die kleinste Mücke doch einen längeren Rüssel.

Aber Beta, bist Du nicht auch ein Teil des Rudels, ein Teil der Bloggermeute? Kann sein, jeder braucht vielleicht seine Kürbiskompanie, und viele wollen groß und berühmt und strahlend rauskommen. Ich bilde mir aber ein, mir nicht einzubilden, es schon zu sein. Ich bilde mir ein, mir nicht einzubilden, den Boden unter meinen Pfoten nicht mehr zu spüren. Ich bilde mir ein, mir nicht einzubilden, wichtig zu sein. Noch nicht.

Aber Wolf, wetterst Du nicht immer selbst in drastischen Worten gegen die Ausforschung der Privatsphäre, warnst Du nicht immer selbst vor der "Wer nichts zu verbergen hat ..."-"Denke", sagst Du das nicht selbst? Durchaus, durchaus, Daten werden durchaus missbraucht, aber das Eine sind unfreiwillige Preisgaben, das Andere freiwillige, und das ist der ganze Unterschied, das entbindet natürlich nicht die Missbraucher von ihrer Schuld, ich sage ja auch, wer uns nicht einstellt, weil wir vor fünf Jahren unseren letzten Joint gebloggt und unsere Meinung zu laut verkündet haben, wer uns zu seinem Sklaven, seinem Haifischfutter machen will, soll alle Härte spüren, alle Härte, und wenn tausend kleine Fische sich verbünden, muss auch der größte Hai kuschen, aber wer sich mit Robbenblut einreibt, dem ist trotzdem nicht zu helfen, der ist trotzdem eine Gefahr für die Schule, eine Bedrohung für das Rudel und seinen Kurs, und der braucht Bisse vom Beta, und das waren sie, für jetzt.

Mögen es die letzten sein!