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04.12.2006

Der Beta

Der Betawolf

Der Alphawolf ist der Kommandant des Rudels. Er geht voran, weil er es kann. Er zeigt den Kurs. Er zeugt die Welpen. Er ist fern, weise und mächtig und steht auf dem Hügel. Er ist der Good Cop, er bellt.

Der Beta ist sein Sekundant. Er hilft dem Alpha bei der Aufzucht. Er ist nah, wachsam und gerissen und steht zwischen den Wölfen, auf dem Boden. Er ist der Bad Cop, er beißt, beißt das Rudel auf Kurs.

Ich habe keine Ahnung, wer der Alpha des Internets ist, der Alpha der Menschheit. Nur, dass sein Kurs zum Guten führen muss, muss, sonst muss er weggebissen werden, auf der Stelle und koste es, was es wolle, und sei es das eigene Leben.

Aber ich liebe es, seinen Beta zu machen, Zähne gefletscht, Lefzen gekräuselt, grollend.

Wohlan denn.

Das studiVZ, eine Social-Networking-Site für deutschsprachige Studenten, ist seit Wochen in schlechten Schlagzeilen. Domaingrabbing, Finanzierungsfragen, Missmanagement, Performanceprobleme, Plagiarismus, Sicherheitslücken und dergleichen PR-Desaster mehr. Sieht man sich hier (Link nicht mehr aktuell) oder auch hier an, wie klebrig nassforsch, wie widerlich pseudoselbstbewusst und so auch in allem, von dem hinter dem Visier der Digitalkamera sorgfältig einstudierten, Interesse heuchelnden Anmachspruch, über die Wahl außergewöhnlich attraktiver, für ihn buchstäblich unerreichbarer Opfer, was wüsste er auch mit ihnen anzufangen, wären sie sein, bis zur allzu schnellen Pirouette, um die Mädchen noch besser aufs Bild und so in die heimische Onanierdatenbank zu bannen, wie also in allem zutiefst verräterisch verunsichert, orientierungslos und ängstlich das Aushängeschild des Verzeichnisses, der ausgerechnet im BWL- und VWL-Mekka St. Gallen studierende Ehssan Dariani agiert, muss das auch nicht mehr verwundern, mit den Nasskämmern war ja schon auf U 96 kein Krieg mehr zu führen.

Oh, habe ich jetzt auch einen bösen, bösen Naziwitz gemacht wie Dariani, der zu seinem Geburtstag im Stil einer Seite des "Völkischen Beobachters" einlud? Böser Beta, machst die Blogosphäre böse.

Ich spucke dieses Wort aus.

Ich spucke es aus, weil sein nach den Kreisen der Hölle stinkender Odem in mir unaufhaltsamen Brechreiz erregt. Nicht die Liebe zum, das Aufgehen im Hobby lässt das Wort ekel faulen, die Kürbiskompanie Köln-Kalk und die Modellbahnstandarte Rottach-Egern haben zweifelsfrei auch ihre eher engagierteren, ansonsten aber honorigen Mitglieder, aber der Kürbisvorsitzende stellt sich nicht auf den Marktplatz und verlangt, dass das Volk ihm fortan den Arsch auslutscht, der H0-König läßt sich nicht von einem Baron den Nachttopf hinterhertragen, und der Käfersammler behauptet nicht, einen Elefanten erwürgt zu haben.

In der Blogosphäre aber rubbelt man sich gegenseitig die Mikropenes rot, versichert einander und die Welt mit glühenden Wangen und verklebtem Gesicht der unbedingten, zumindest globalen, wenn nicht kosmischen, gar multiversischen Wichtigkeit, setzt, zum Antrieb seiner 2.0-Schwanzpumpe, noch einen Link (leider nicht mehr aktuell), lacht, in Mamas Keller, aus 300 Kilo schwer polterndem Leib, vor seiner "Maschine", als hätte man auch nur einen Tag mit seinen Händen gearbeitet, auch nur einen Tag, lacht, einen Wurstfinger im Hintern, um diesen Moment noch erregender zu machen, über einen weiteren Riesen, den man zu Fall gebracht habe, man, die allmächtige Blogosphäre, Kaiser und Gott, Blogger und Pharao.

Der Junge, der mit seiner Lupe Ameisen verschmort, lacht so.

In Wirklichkeit haben gerade mal sechs von zehn Haushalten in Deutschland Internet. In Wirklichkeit informiert sich fast jeder Fünfte aus der "Bild", dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommt nichts, dann kommen irgendwann, irgendwann weit, weit weg, winzig wie Ameisen, die anderen Zeitungen, die jeden Zehnten erreichen. Zusammen. Fast muss man da froh sein, dass neben der außer Konkurrenz stehenden "Motorwelt", diversen Fernsehzeitschriftenbeilagen und dem Platzhirsch "Bild am Sonntag" wenigstens der Judenhasser- und Ficki-Ficki-"Stern", das Fachblatt für irrtümlich aufgezogene Nachgeburten "Focus" und der politische Bahnhofskioskporno "Spiegel" noch jeden Dritten ansprechen, aber natürlich auch nur fast. Und dann habe ich noch gar nicht von Aufmerksamkeitsspannen, der völligen Vergeblichkeit der zweiten und aller weiteren Google-Ergebnisseiten oder der geradezu fantastisch absurd narzisstischen Annahme angefangen, irgendjemand, irgend jemand würde Blogkommentare lesen, bis zum Punkt am Ende dieses Satzes haben ja schon wieder zehn Prozent der noch verbliebenen Leser weiter nach Britneys schlampig gewachster Vulva gesucht, ach Mädchen, warum auf diese Weise.

Das interessiert die Leute, das erreicht sie, Ficken, Rasen, Glotzen, das ist die Seele der Medien, für das Internet, das in den eigenen vier Wänden völlig unbeobachtet konsumierte, gänzlich unüberwacht eingesaugte Internet gilt das doppelt und x-fach, die zehn häufigsten Suchbegriffe, mit denen Besucher im November auf mein Blog fanden, "Anna Netrebko", bestimmt nicht wegen der Reinheit ihres hohen Cs, "Bumsen", "Frohe Weihnachten", einmal muss auch dafür Zeit sein, "Masturbation", dito, "Netrebko", "Veronica Ferres nackt", natürlich, "Anna-Netrebko", "Beine breit", "Veronika Ferres nackt", "Andreas Lazar nackt".

Der Junge, der mit seiner Lupe Ameisen verschmort, glaubt sich einen bösen Gott. Für einen Neunjährigen ist das mehr oder weniger normal. Für einen Fünfunddreißigjährigen, auch wenn beide ungefähr gleich oft Sex hatten, mit Onkel Paul oder der Xena aus Pappmaché zählt nicht, nicht. Für eine ganze Blogosphäre von Kaspar Hausers mit DSL 16.000 ist es nachgerade zutiefst besorgniserregend, so wie es den Beta im tierischsten Inneren besorgt, wenn seine Zähne vom vielen Beißen immer weher werden und seine Kiefer immer müder und er dennoch jeden Tag mehr knurren muss, mehr bellen, mehr beißen, jeden einzelnen Tag.

Doch es muss ja weitergehen, und so sind schließlich, nach den notgeilen Nasskämmern und den keckernden Hyänen, die Omegas dran, die zurechten Omegas, die dümmsten anzunehmenden User, also alle übrigen. Nur für Euch:

Das Internet vergisst nichts.

Das Internet ist wie der Marktplatz.

Auf dem Marktplatz läuft jeder herum.

Niemand, der noch ein letztes bisschen Verfügungsmacht über seinen Geist und sein Geschlecht besitzt, würde Fotos von seinem Busen im Bikini oder seinen Socken vorne in der Hose auf dem Marktplatz herumzeigen, weil dort jeder herumläuft. Weil. Dort. Jeder. Herumläuft. Der sympathische junge Student. Die missgünstige Oma. Die beste Freundin. Die klatschende Hausfrau. Der Manager, der an Mädchenschlüpfern riecht. Der entlassene Raubmörder. The Man.

Mind you, der Beta hat nichts gegen Bikinibilder, im Gegenteil, manchmal erlaubt der Alpha auch ihm, sich fortzupflanzen, und von ihm aus darf jeder soviel schönes kleines Nichts beinahe tragen, wie er will, und damit das einfacher möglich wird, wird er auch gerne weiter "Selbst schuld, wenn sie vergewaltigt wird"-Sagern mit der Axt eine bessere Belüftung des Schädels spendieren, aber solange es schwieriger ist, schmiert man sich nicht mit Babyrobbenblut ein, wenn man nach Haien tauchen geht, und geht nicht mit Zehn-Zentimeter-Heels und einem als Gürtel posierenden Rock in den Hochsicherheitstrakt von Alcatraz, und stellt auch nicht seine Brüste in ein Internetverzeichnis, in dem jeder alles sehen kann, weil dann jeder alles sehen kann. Die Würde ist nicht antastbar - aber wer sagt das den Haien?

Bezeichnend übrigens, dass die Genossen Darianis nach der Entdeckung des zuletzt verlinkten "Skandals" diesen nicht etwa schleunigst unterbunden, sondern untertänigst gebeten haben, daran teilhaben zu dürfen, und ebenso bezeichnend, dass die Genossen der Blogosphäre sofort mit der 50-Meter-Yacht zur Jagd auf die skandalösen Zwerghaie oder zwergskandalösen Haie geblasen haben, geht es hier doch, wenn nicht ums Rasen oder Glotzen, so doch ums Ficken, und das macht hier wie dort immer noch und für immer the world go round. Übrigens interessiert sich aus eben diesem Grunde keiner, aber auch wirklich keiner für die privaten Daten der oft so paranoid wie megalomanisch noch ihre kleinsten SMS mit 128 Bit verschlüsselnden Computerexperten unter den Bloggern, das nur als Ex-Informatiker zwischen zwei Bissen aus bluttriefendem Maul hervor.

Der müde Beta

Der Beta steht zwischen den Wölfen, seine Brust hebt und senkt sich schwer, aus müden, rotgeränderten Augen betrachtet er aufmerksam die Meute, schließlich hat er jetzt alle, alle gebissen, selbst an die 1337 roxxor Welpen hat er am Ende gedacht, die, obwohl doch angeblich schon Studenten, kaum geradeaus schreiben, geschweige denn denken können, glauben wirklich, jemand reißt ihnen den Büffel aus reiner Wolfsliebe, glauben wirklich, jemand macht ihnen eine Website aus reiner Philanthropie, glauben das wirklich, wenn man sie jetzt nicht sofort beißt, werden sie es einem einmal nicht einmal mehr danken können, und er hört schon das Jaulen:

Aber Betawolf-Blogger, haben die StudiVZ-Macher denn nicht viel falsch gemacht? Doch, alles, was man ihnen zur Last legt, und wahrscheinlich noch viel mehr, ist aber, am Ende, egal, Ameisen, Lupen und Jungen und, wie leider schon die Blogbrigade treffendst schrieb, hier bläst nicht der Weiße Wal, sondern eine Quappe, maximal, und ein Ishmael ist auch nicht an Bord, nur eine Handvoll zunehmend besessener Ahabs. Die Quappe aber bewahren eine Million Menschen in ihren Goldfischgläsern auf, die noch nie einen Ahab brüllen gehört, noch nie seine Harpune gespürt haben, wie auch, hat die kleinste Mücke doch einen längeren Rüssel.

Aber Beta, bist Du nicht auch ein Teil des Rudels, ein Teil der Bloggermeute? Kann sein, jeder braucht vielleicht seine Kürbiskompanie, und viele wollen groß und berühmt und strahlend rauskommen. Ich bilde mir aber ein, mir nicht einzubilden, es schon zu sein. Ich bilde mir ein, mir nicht einzubilden, den Boden unter meinen Pfoten nicht mehr zu spüren. Ich bilde mir ein, mir nicht einzubilden, wichtig zu sein. Noch nicht.

Aber Wolf, wetterst Du nicht immer selbst in drastischen Worten gegen die Ausforschung der Privatsphäre, warnst Du nicht immer selbst vor der "Wer nichts zu verbergen hat ..."-"Denke", sagst Du das nicht selbst? Durchaus, durchaus, Daten werden durchaus missbraucht, aber das Eine sind unfreiwillige Preisgaben, das Andere freiwillige, und das ist der ganze Unterschied, das entbindet natürlich nicht die Missbraucher von ihrer Schuld, ich sage ja auch, wer uns nicht einstellt, weil wir vor fünf Jahren unseren letzten Joint gebloggt und unsere Meinung zu laut verkündet haben, wer uns zu seinem Sklaven, seinem Haifischfutter machen will, soll alle Härte spüren, alle Härte, und wenn tausend kleine Fische sich verbünden, muss auch der größte Hai kuschen, aber wer sich mit Robbenblut einreibt, dem ist trotzdem nicht zu helfen, der ist trotzdem eine Gefahr für die Schule, eine Bedrohung für das Rudel und seinen Kurs, und der braucht Bisse vom Beta, und das waren sie, für jetzt.

Mögen es die letzten sein!

2 Kommentare:

  1. Aus, Beta, aus! Ich kann schon fast nicht mehr!

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  2. fein, WEIL. DORT. JEDER. HERUMLÄUFT. so ist es

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