Zu manchen Themen kann ich lange nichts schreiben. Weil ich sie einfach nicht verstehe. Weil ich die Dinge, die Fakten, den Pulverdampf im Schützengraben ganz anders zu sehen, völlig verschieden wahrzunehmen scheine als die herrschende, die veröffentlichte Meinung, fast so, als würden meine Augen aufgrund eines seltenen und unheilbaren Geburtsfehlers einen an keiner Stelle überlappenden, ganz anderen Bereich des Spektrums erfassen als sagen wir, die Kai Diekmanns oder Roland Kochs. Und ich verstehe nicht.
Da schlagen zwei Jugendliche einen Rentner in München aus nichtigem Anlass fast tot. Eine sicher nicht alltägliche, aber längst nicht einzigartige Tat. Zufällig wird diese Tat aber auf Video aufgenommen, und eine bundesweite Diskussion über Jugendgewalt entbrennt, und ich verstehe nicht, warum es einen Unterschied macht, ob man über die Tat liest oder sie sieht.
Da schreibt "Bild", dass jugendliche Ausländer
"doppelt so gewalttätig wie Deutsche" seien, nennt als Quelle eine Studie des anscheinend zumindest auf diesem Gebiet kompetenten Christian Pfeiffers, und ich verstehe nicht, wie man je zu selbst einem "Bild"-Journalisten werden konnte, wenn man offensichtlich noch nicht einmal die Lesekenntnisse eines PISA-Letzten besitzt, denn wenn Pfeiffers Studie,
wie er auch selbst betont, etwas zeigt, dann, dass die "Ausländerkinder" nicht, wie "Bild" suggeriert, aufgrund ihrer ominösen Ausländerhaftigkeit mehr prügeln, sondern weil sie unter überproportional ungünstigen Umweltbedingungen leiden, die auch Deutsche in gleicher Lage eher zur Faust greifen lassen. Daher wundert es mich auch nicht, dass die größte Tageszeitung Deutschlands titelt, dass "auch Vater und Bruder" eines der Münchner Täter "brutale Schläger" wären, als wäre das in irgendeiner Weise überraschend, aber dieser traurigen Tatsache abgesehen von der puren Faktizität keine Aufmerksamkeit schenkt, ganz im Gegensatz zu in die gesamte Zeitung eingestreuten trojanischen Wörtern wie "südländisch" oder "Migrationshintergrund", es wundert mich nicht. Aber ich verstehe es nicht.
Da fordern Teile der Politik "Erziehungscamps", und ich verstehe nicht, warum "Autobahn" jetzt ein böses Wort ist, KZ aber nicht mehr. Doch vielleicht muss das so sein,
wenn die Schläger schlimmer als Hitler sind.
Da schreibt der noch amtierende hessische Ministerpräsident, wie er,
er "Deutschland anständiger machen" will, und ich spule "The Silence of the Lambs" zurück, um nachzusehen, ob Hannibal Lecter irgendwann Tips zur Tischetikette gibt, und ich verstehe wirklich nichts mehr.
Obwohl, eigentlich stimmt das nicht.
Eigentlich könnte ich nur zu gut verstehen.
Ich will nur nicht.