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07.01.2009

Cork, cont'd

7.1., 19 Uhr: TGV Paris-Stuttgart. Nicht nur, weil es draußen dunkel ist, reflektiere ich, was ich auf dieser Reise gefunden habe, und es ist nichts als eine einfache Wahl: Mehr schöne Länder, schöne Mädchen und schöne Kunst, am Ende das "Economist"-Titelblatt "Architect of world peace, Andreas C. Lazar PhD 1979 - 2100", oder die "Bild"-Schlagzeile "Penner erfriert mitten auf Schlossplatz, Juni 2010". Der Unterschied: Mein (nicht schlechter) Arsch bzw. ob ich mich auf ihn setze oder halt nicht. Ich denke kurz nach, stehe auf und schüttle ihn, einmal noch. 

7.1., 13 Uhr: Im Louvre. Ich glotze mir die Augen trocken und sehe doch nicht genug. 

6.1., 19 Uhr: Crêpes mit A. Süß. 

6.1., 15 Uhr: 108 Rue de Garches, Saint-Cloud. It began here. It ends here. 'Nuff said. 

6.1., 14 Uhr: Die Grande Arche verlängert, beendet und übertrifft die historische Achse vom Louvre über den Triumphbogen bis nach La Défense in beeindruckend monumentalpathetischer und ein wenig einschüchternder Weise. So sind die Franzosen halt. 

6.1., 12 Uhr: Es war bitterkalt, aber ich bin gestern trotzdem drei Stunden durch Paris gelaufen, weil es so viel zu sehen gab, vom Quartier Latin, in dem mein Hostel liegt, über das Panthéon zu Notre Dame, den sehr beeindruckenden Louvre, it's good to be the king, durch die halben Tuilerien, über die Champs-Élysées, vom Triumphbogen zum Alma-Tunnel, wo ein gar nicht unwitziger Schelm ans inoffizielle Prinzessin-Di-Denkmal "Inoubliable Ottmar Hitzfeld" geschrieben hat, und schließlich zur ultimativen wahr gewordenen Steampunkfantasie, dem Eiffelturm. Heute La Défense, meine alte Heimat Saint-Cloud, und wenn die Zeit reicht, auch Versailles. 

5.1., 18 Uhr: Paris. Es schneit. Erstmal nur 30 Minuten Internet, bevor ich in die Stadt aufbreche. Ich versuche trotzdem, wenigstens stichwortartig so viel von den letzten drei Tagen nachzutragen wie möglich, auch wenn meine Tastaturhand wie abgestorben und ganz schwarz geworden ist, seit ich meinen Koffer in die Mansarde meines Hostels tragen musste, über eine Treppe, auf der nur allein von Zigaretten und Kokain lebende französische Models elegant navigieren können. Vielleicht werde ich hier ja eins treffen? Wenn nicht, kann ich in den nächsten Tagen wenigstens mein Blog ergänzen ... 

4.1., 12 Uhr: Die WM ist aus. Es kommt uns viel billiger, noch eine Nacht in Irland zu bleiben und den Montagsflug zu nehmen statt den von heute, also downgraden wir in ein sehr preiswertes, aber trotzdem komfortables Hostel und besuchen immer noch erkältet, aber bei herrlich mildem und sonnigem Wetter das Küstendorf Kinsale mit seinen alten Forts und einer neuen Marina. Am Abend Fish and Chips und Bier. Es hat unsere ganze Zeit hier nicht einmal geregnet. 

3.1., 23 Uhr: Ich kannte das Pausenprogramm Anúna gar nicht, aber die sind ja klasse! Desgleichen die nachfolgenden irischen Steptänzer. Nach den Danksagungen und der Preisverleihung (and the winner is ... Oxford A) geht's zum Ball mit leidlichem Essen, schönen Gesprächen und wunderbarem Tanz. Lasst die WM ewig dauern! 

3.1., 16 Uhr: Das Thema des großen Finales ist Abtreibung? Really? Die Teams aus Monash, Harvard und zweimal Oxford machen einen unterschiedlich guten, aber insgesamt beeindruckenden Job. 

3.1., 9 Uhr: Der irische Supervirus, der bereits die Hälfte des Feldes dahingerafft hat, hat auch uns so fest im Griff, dass wir nicht aus dem Bett kommen und sowohl das Halbfinale darüber, ob Regierungen Häuslebauer subventionieren sollten, als auch das Englisch-als-Zweitsprache-Finale mit den Berlinern zum Thema, ob es eine Quote für einheimische Fußballspieler geben sollte, leider verpassen. Ich glaube, meine Haare kriegen einen rötlichen Stich. 

2.1., 23 Uhr: Irische Party. Paracetamol + Alkohol = nicht gut. 

2.1., 17 Uhr: Noch keine Todesdrohungen von deutschen Debattierern. 

2.1., 15:05 Uhr: Bei der diesjährigen Deutschen Debattiermeisterschaft in Berlin hatte auch ein Team aus dem englischsprachigen Club in Köln teilgenommen, der sonst nur auf internationale Turniere fährt. Und während das tatsächlich aus einem Bruder und einer Schwester bestehende Team rhetorisch zwar talentiert, aber nicht brillant war und normal, aber nicht fantastisch gebildet, hat es mit Leichtigkeit das Halbfinale erreicht und hätte in meinen Augen auch im Finale sprechen sollen. Allein der Geschwister solide Analyse, klare Logik und effektive Widerlegung auf gutem Niveau war genug, fast ganz Debattierdeutschland aus dem Feld zu schlagen, in dessen Finalrunden sich sonst sehr oft die gleichen Gesichter tummeln. Ein Zeichen, dass unser Ausbildungsniveau nicht hoch genug ist, um Talentunterschiede zu nivellieren, auch eins, dass wir mehr Kontakt zur internationalen Elite brauchen, und vielleicht auch eins, dass eine zu kleine Szene die wenige mögliche Objektivität vergiftet. Es ist viel zu unserer Verbesserung zu tun, also packen wir's an! 

2.1., 15 Uhr: Hauptviertelfinale und Englisch-als-Zweitsprache-Halbfinale zum Thema, ob der Internationale Strafgerichtshof Verbrechen gegen den demokratischen Prozess verfolgen sollte, wir unterstützen das letzte verbleibende deutsche Team aus Berlin, und ich mache mir nach fünf Minuten ein paar Gedanken über das deutsche im Vergleich zum internationalen Debattieren.

2.1., 12 Uhr: Wir ziehen endlich wieder Ausschlafen dem Achtelfinale darüber, ob zur Bekämpfung der Taliban in Afghanistan lokale Milizen eingesetzt werden sollen, vor, wachen aber trotzdem mit unseren seit Tagen schwelenden Erkältungen in voller Blüte auf, was sehr nervt. Mein Leid wird etwas gelindert, als mir ein Verkäufer in Cork ein weißes Einstecktuch schenkt. Vielleicht werde ich auch schon so wie Kinski und erschüttere die Menschen schon, wenn sie mich nur ansehen?

2.1., 1 Uhr: N. und ich machen uns einen nicht sehr originellen, aber lustigen Spaß daraus, wie es wäre, wenn unser Leben von rauhen Filmtrailersprechern begleitet würde: "One man, on a mission in a foreign land" - "Get on the boos!" usw. Leider führt das aufgrund einer seltenen meteorologischen Konstellation, bei der unsere Gedanken von der ionisierten Luft aufgenommen werden und so die Gehirnströme Dritter beeinflussen, dazu, dass mein Leben tatsächlich kurzzeitig zu einem Film wird und N. genau dann ins Hotelzimmer platzt, als ich, ähh, aktive Völkerverständigung betreibe, und nachdem ich das Mädchen verabschiedet habe und mich mit den Worten "One man, trying to have sex with his date" neben N. setze, der in der Lobby wartet, merke, dass ich viel zu laut gesprochen habe, und dass fünf Meter von uns entfernt die hübsche Australierin sitzt, die ich am ersten Debattentag kennengelernt hatte. Abspann! Abspann!! 

1.1., 21 Uhr: Zur Party. Nochmal Labello nachziehen.

1.1., 15 Uhr: Partner N. macht sich nicht darüber lustig, dass mein Koffer zwar 27 Kilo wiegt, ich aber sowohl mein Kameradatenkabel als auch meine Einstecktücher für den Abschlussball vergessen habe, weswegen wir durch Kleidergeschäfte hetzen, leider vergeblich. Morgen wieder, denke ich zurück im Bus und danke ihm stumm für seine Fairness, während die Russin V. an meiner Schulter einschläft. Was kann ein Magnet dafür, wie sich seine Elektronen drehen?

1.1., 9 Uhr: Wir haben die Finalrunden leider nicht erreicht. Wie knapp, werden wir erst in ein paar Tagen wissen, wenn auch die Ergebnisse aus den Runden ohne Feedback veröffentlicht werden, die letzten zwei Debatten zu den Themen, ob Frauen weniger Einkommensteuer zahlen (dafür) und ob politische Meinungsumfragen verboten werden sollen (dagegen), waren in meinen Augen aber unsere am Besten und Schönsten argumentierten. So oder so bin ich hauptsächlich zum Dazulernen hergekommen, und um viel Spaß zu haben und die irische Insel zu sehen. All das erfüllt sich an diesem Morgen erneut, als ich im Bus auf dem Weg zum Killarney National Park eine pausenlos redende, unglaublich sympathisch quirlige Russin kennenlerne und dann vor der Schönheit des Parks fast erstarre. Ein Rotkehlchen hüpft um meine Beine, und ich kann es kaum erwarten, die atemberaubenden Fotos des moosbedeckten Eibenwaldes hochzuladen. 

1.1., 2 Uhr: Immer noch Knutschen.

1.1., 0 Uhr: Das neue Jahr fängt mit Knutschen an. Sehr gut.

5 Kommentare:

  1. Donnerwetter, nach 2 Stunden kann man attestieren, dass N. auch seinen Spaß hatte beim Neujahrsknutschen.

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  2. Hatte er? Na dann gut :)

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  3. "One man, trying to have sex with his date" - phänomenal lustig.
    Gratuliere zur erfolgreichen Welteisterschaft! ;-D

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  4. Hach... Ich mag diesen Blog.

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