Vor kurzem habe ich wieder "X-Com" (auch bekannt als "UFO: Enemy Unknown") durchgespielt.
"X-Com" ist eins der besten Videospiele, das ich jemals gespielt habe, vielleicht das Beste. Nicht schlecht für ein bald 20 Jahre altes pixeliges DOS-Spiel und einen alten Daumendrücker wie mich, der, mit dem NES angefangen, sicher hunderte Computerspiele wenigstens in Händen gehalten, wenn nicht ebenfalls durchgezockt hat.
Das Spiel lässt sich am Besten als Planetare-Verteidigung-Simulator beschreiben. Am Ende des letzten Jahrtausends bevölkern UFOs den Luftraum der Erde, und Außerirdische terrorisieren Städte und entführen Menschen. Eine multinationale Eingreiftruppe, die X-Com, wird gegründet und nimmt den Kampf gegen die Aliens auf.
In einer Geoscape genannten Ansicht der Erde platziert man X-Com-Basen, überprüft Statistiken, liest nach, was man über die Außerirdischen herausgefunden hat, und befehligt Abfangjäger im Einsatz gegen anfangs kleine, später gewaltige UFOs. Den Aufbau der Basen kann man in einer zweiten Ansicht genauso kontrollieren und ändern wie die Namen seiner aus aller Welt rekrutierten Soldaten, die Ausrüstung der Jäger und Truppentransporter, die Forschung an Alienartefakten, die Herstellung nützlicher Waffen und Rüstungen und einiges andere mehr. Dieser Teil des Spiels gleicht einer Aufbau- und Wirtschaftssimulation, mit dem zusätzlichen Thrill, dass die Aliens bei anhaltendem Erfolg der X-Com öfter ihre Basen angreifen und man sie dann bis zur letzten Granate verteidigen muss.
Doch das Herz des Spiels ist der rundenbasierte Kampfmodus, die Battlescape. Die X-Com-Soldaten fliegen zur Absturzstelle eines abgeschossenen UFOs oder zu einem gelandeten Raumschiff, in eine terrorisierte Stadt oder zu einer Außerirdischenbasis, erkunden das zu Anfang verborgene, immer wieder neu zufällig zusammengesetzte Terrain und versuchen, alle Aliens zu finden und zu töten.
Betonung, vor allem in den ersten Monaten des Spiels, auf "versuchen". Die Soldaten sind lächerlich unterbewaffnet und können selbst bei Tageslicht kein Scheunentor treffen. Die Außerirdischen sehen vor allem in der Nacht besser, schießen genauer, bewegen sich schneller und attackieren die Soldaten zum Teil mit psychischen Angriffen, die sie in Panik versetzen oder gar unter ihre Kontrolle bringen. Ich habe kaum je in einem Videospiel mehr Immersion und Angst verspürt, als auf einer nächtlichen Terrormission in Rio oder Nowosibirsk von irgendwoher beschossen zu werden, oder einen Chryssaliden zu entdecken, nicht mehr genug Bewegungspunkte zum Fliehen zu haben und zu wissen, furchtbar zu wissen, dass er beim Zug der Aliens klack-klack-klack zum nächsten X-Com-Rekruten laufen und ihn in einen Zombie verwandeln wird, in dem ein weiterer Chryssalid steckt; bin nie verzweifelter gewesen als damals, als ein psychisch schwacher Rekrut von den Außerirdischen besessen wurde und meinem monatelang gehegten und gestärkten Oberst tödlich in den Rücken schoss. Ich habe halbe Häuser mit Bergbausprengstoff eingerissen, um bessere Sicht zu erhalten, Pech für die Bewohner, besessenen Soldaten mit Tränen in den Augen Gnadenschüsse gegeben, um die Mission nicht zu gefährden, und wie Rambo gebrüllt, wenn mein letzter Soldat den letzten Mutonen getötet und so einen verloren geglaubten Einsatz und vor allem einen wertvollen Senkrechtstarter nochmal gerettet hat.
Der Weg zur letzten Mission auf dem Mars ist aus toten Rekruten gebaut. Man kämpft sich Inch für Inch durch die Einsätze, erforscht die außerirdische Technologie Stück für Stück, gibt seinen Kämpfern Stärke durch Erfahrung und gewinnt so langsam, langsam die Oberhand. Am Ende halten die Elitekrieger der X-Com ein schweres Plasmagewehr für tödlich präzise Schüsse und einen Psi-Verstärker für eigene psychische Angriffe in der Hand, sehen in ihren Flugrüstungen selbst wie Aliens aus und fliegen schneller als sie um die Welt und zuletzt nach Cydonia, um dem außerirdischen Obergehirn verdient ein Blastergeschoss in den hässlichen Pistazien-Panettonekörper zu jagen. Was für ein fantastisches, unvergessliches Spiel.
Jetzt wird es als First-Person-Shooter "reimagined".
Als ich das zum ersten Mal gehört habe, war ich, nur gering übertrieben, so erschüttert und verzweifelt, als hätte man mir gesagt, dass meine Eltern mich nie geliebt haben und gar nicht meine Eltern sind. Und dass ich unheilbaren Prostatakrebs im Endstadium habe. Während mein neuer Labradorwelpe vor meinen Augen stirbt.
Weil ein geliebtes fiktives Universum, in das man sehr reale Arbeit und Gefühle investiert hat, woran man sich wie an ein gutes Buch oder einen tollen Film gerne erinnert, zu nehmen, bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen und dabei noch wie zum Hohn völlig verzerrte Karikaturen von peripheren Elementen einzuführen, die angeblich den Kern der Geschichte darstellen, sich genauso anfühlt. Wie tiefster, hohnlachender Verrat, den man ohnmächtig mit ansehen muss.
Niemand hätte etwas gegen einen Neustart gehabt, wie ihn das unabhängige Xenonauts rührig versucht: Aktualisierte Grafik, bessere Balance, einige neue und interessante Elemente, zum Beispiel mehr Missionstypen und Terrains, Wettereffekte, vielleicht auch mehr Politik und Diplomatie mit den finanzierenden, manchmal von Aliens infiltriert werdenden Nationen. Aber ein Shooter?? Das ist, als ob das nächste "Mario Kart" ein Terrariensimulator würde, denn "Schildkrötenpanzer spielen darin eine wichtige Rolle". Und viel schlimmer noch, weil das letzte "Mario Kart" nur drei Jahre her ist, "X-Com" aber schon wahre Computerewigkeiten auf ein richtiges Update wartet. Warum so? Warum denen, denen das alte Spiel nichts sagt, nichts als einen "Mass Effect"-Klon bieten, die Fans aber auf die übelstmögliche Art vor den Kopf stoßen? Das besonders Perfide daran ist, dass wenn das neue "XCOM" floppt, die Marke erstmal verbrannt sein wird, wenn es aber Erfolg hat, weitere Shooter folgen werden. So oder so verlieren wir Liebhaber, und wir können nur fruchtlos und wütend protestieren, wie mit unseren Emotionen und Erinnerungen umgegangen wird.
Wenigstens erleichtert das.
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Obwohl ich zu meiner Schande gestehen muss, Xcom nie ganz durchgespielt zu haben, kamen mir ähnliche Gedanken als dir, als ich das PSP-Remake vom TRPG Tactics Ogre gespielt habe.
AntwortenLöschenDas zeigt nämlich ganz wunderbar, wie man das zu machen hat. Man nehme die wichtigsten Personen, die am Orginal beteiligt waren, überarbeite und modernisiere das Gameplay während man Story und Grundstruktur unangetastet lässt. Das ganze Spiel ist eigentlich eine Liebeserklärung an das Orginal und seine Fans, mit liebevoll erweitertem und komplett mit Orchester eingespielten Orginalscore, bildschirmfüllenden Portraits und noch ein paar Bonusszenarien.
So eine Herangehensweise hätte das Orginal-UFO eigentlich auch verdient, aber da liegen die Rechte wohl in den falschen Händen.
Letztlich haben Proteste wie meiner doch etwas gebracht, und die Reimagination von XCOM als First-Person-Shooter wurde zugunsten eines getreueren Updates erstmal auf die lange Bank geschoben. Wer sagt, dass Onlinemobs immer schlecht sind?
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