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10.12.2007

Juli Zeh

Ich dachte einmal, das Problem der jüngeren deutschen Literatur, das unüberlesbar aus jeder einzelnen von ihren Protagonisten geschriebenen Seiten schwärende Problem, nämlich, dass die jüngere deutsche Literatur nichts hat, über das sie schreiben könnte, rein gar nichts, läge daran, dass es in diesem Land keine Not mehr gibt, keinen Krieg, keinen Hunger, keine Ideale, erst recht nicht für westdeutsche Kinder aus gutem Hause, und darum auch keinen Marmor mehr, aus dem sich Geschichten hauen ließen.

Aber abgesehen davon, dass dieses Denken mich in die Nähe Günther Oettingers bringen würde, schon blöd, dass kein Krieg mehr kommt, was, und dass Frieden, Freiheit und Wohlstand das sind, was bei mir einer Religion am nächsten kommt, ist es auch nachweislich falsch. Kafka war kein Krösus, aber musste nie Not leiden, wurde als Versicherungsbeamter viermal befördert und setzte sich, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus, offenbar sogar dafür ein, dass Arbeiter Schutzhelme tragen sollen. Und trotzdem schrieb er eine Geschichte über einen Mann, der sich in einen Käfer verwandelt, und an seinen Vater, dass dieser ihm gedroht habe, ihn wie einen Fisch zu zerreißen. Hemingway war der Sohn eines Arztes, sportlich und intelligent, und hätte, beim "Kansas City Star" beginnend, das ruhige Leben eines amerikanischen Journalisten führen können, und dennoch wollte er so sehr in den Weltkrieg ziehen, dass er trotz soldatischer Untauglichkeit als Ambulanzfahrer an die Front kam und mit dem roten Kreuz auf dem Rücken dahin rannte, woher die Überlebenden flohen. Und selbst Jane Austen, zu deren Zeit es für Frauen unschicklich war, zu tief einzuatmen, und die ein entsprechendes Leben führte, hat ein Werk hinterlassen, dessen Wahrheit, Wärme und Witz auch in nochmal zweihundert Jahren hell strahlen werden wie eine Nova.

Wenn es also nicht Krieg, nicht Hunger und nicht Ideale sind, die den deutschen Autoren fehlen, und um endlich zum Thema dieses Eintrags zu kommen, wenn der Grund, warum Juli Zehs Roman "Spieltrieb", kein Link, weil keine Empfehlung, so fürchterlich unsäglich, so grauenhaft grässlich, so zermürbend schlecht ist, ein anderer ist, welcher ist es?

Juli Zeh

Sie weiß nichts vom Leben.

Lassen wir dies für den Augenblick so stehen und wenden uns zuerst der Frage zu, wie ich, ein sonst akribischer Vermeider jeder Gegenwartsliteratur, und doppelt der deutschen, zu meinem Exemplar von "Spieltrieb" gekommen bin. Ganz einfach: ich war beeindruckt von diesem Interview mit der Autorin, denn ich dachte, wer den ungerechtfertigten Tod der klassischen Dramaturgie im deutschen Theater bedauert, wer sich nicht scheut, über die großen Dinge zu schreiben, statt eine Quappe im Tümpel zu bleiben, wer vom Duellieren schwärmt und wer ganz zurecht erwähnt, dass man mit 33 vor hundert Jahren Schlachtschiffe befehligt hat, während man heute im gleichen Alter als Küken gilt, den bzw. die sollte ich mal gelesen haben, es muss gut sein, was sie schreibt.

Oh, wie ich mich getäuscht habe. Oh Gott, wie ich mich getäuscht habe. So schmerzhaft getäuscht, als hätte ich meinen Penis statt in einer schönen Frau in einem Fleischwolf versenkt und drehte an der Kurbel im blutigen Irrglauben, das Ohr des Mädchens zu liebkosen.

Eklig? Geschmacklos? Katastrophal verrutschte Metapher? Nicht katastrophaler, lieber Leser, als der handwerkliche Teil von "Spieltrieb", bei dem man sich an das grausige Innenleben einer Wursterei erinnert fühlt und sich ernsthaft besorgt fragt, wie ein Teil des bundesrepublikanischen Literaturbetriebes dessen eklatante Mängel in seinen Besprechungen des Buches nicht nur übergehen, sondern sogar zu einem Qualitätsmerkmal erklären konnte, Zehs Blutwurst jetzt mit 27% mehr Knorpel und Gekröse: Figuren, die nie mehr Tiefe gewinnen als Mensch-ärgere-Dich-nicht-Kegel und auch keinem anderen Zweck dienen, ständige plumpe Beschreibungen dessen, was gerade passiert und wer was fühlt, weil die Autorin erschreckenderweise noch nie etwas vom ehernen "show, don't tell" gehört zu haben scheint, ein Plot, der sich an keiner Stelle natürlich aus der Motivation der Figuren ergibt, wie sollen hohle Kegel auch Gründe haben, sondern in den Wolf gezwungen wird, mögen Hufe und Fell ihn auch verstopfen und zerstören, und über allem eine jeden Rest von Leben zukleisternde Soße absurd schiefer Metaphern, präsentiert in unpoetischer, kalter Sprache. Guten Appetit!

Macht schon die schlechte handwerkliche Arbeit das Lesen zu einer Tortur wie das Sitzen auf einem von einem Schieler gezimmerten Stuhl, zu diesem Zeitpunkt habe ich noch fast zweihundert Seiten des Schinkens vor mir, durch die ich mich nur noch quäle, damit nachher keiner sagen kann, dass ich das Werk nicht in seiner Gesamtheit yadda yadda, und lässt überdies die Frage wie einen ziemlich, ziemlich großen Giftpilz aufkeimen, was man eigentlich auf dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig lernt, sind es doch der Wille, die Absicht und die Moral, die hinter der Wurstfabrik Zeh stehen, die den gebeutelten Leser schließlich mit grünem Gesicht und flauem Magen das Buch für immer fliehen lassen wollen.

You know, Juli Zeh ist sehr gebildet. Nietzsche, Musil, Spieltheorie, geht ihr alles leicht von der Hand und ist durchaus faktisch korrekt, und auch über Moral, Terror und den Sinn des Lebens, welchen auch immer, sollte ein mündiger Mensch mehr als einmal nachgedacht haben, und die Autorin hat es sicht- und lesbar oft.

Aber sie hat keine Ahnung.

Keine Ahnung von der Welt. Keine Ahnung von den Menschen. Keine Ahnung vom, und damit sind wir zurück beim Babyfoto, Leben. Ein winziger Fisch in einem riesigen Glas. Ein Sternenkind in einer schillernden Seifenblase. Eine gewaltige Bibliothek, aber ohne einen einzigen Sitzplatz, von so etwas wie einem Ohrensessel, einer Pfeife, einem Kaminfeuer gar nicht zu träumen.

Fast so scharf wie in "Spieltrieb" kommt diese seltsame, aber durchaus auch für ihre schreibenden Altersgenossen symptomatische Leere, diese schwer begreifliche Dummheit der Bildung, über deren Ursachen ich ein andermal nachdenken werde, für heute ist gleich Schicht im Schacht, in diesem Artikel Juli Zehs über den 11. September für die "Zeit" zum Vorschein. Da erzählt sie nicht nur, ohne sich in Grund und Boden zu schämen, dass sie bis zu ihrem f'ing 28. Lebensjahr glaubte, dass Demokratien immer gut seien, sondern nimmt dieses erschreckende Artefakt ihrer bodenlosen Naivität im Gegenteil noch zum Aufhänger eines scheinprovokanten Artikels. Mädchen, möchte man rufen, Mädchen, möchte man brüllen und sie schütteln, wach auf, wach endlich auf und öffne die Augen!

Dieselbe Reaktion, dasselbe Kopfschütteln, dieselbe Aggression ruft auch das Buch hervor, weil es nach demselben Muster funktioniert. "Menschen brauchen ..." Nein, brauchen sie nicht. "Menschen sind ..." Nein, sind sie nicht. "Terroristen sind wie David, wie König David." Gähn ... ach so, das sollte jetzt provozieren. "Lass uns unseren Lehrer erpressen, indem Du mit ihm Sex hast und ich davon Fotos mache, und das allein, weil wir spielen wollen, das ist unser Spieltrieb, verstehste, denn wir haben keine Moral mehr und keinen Glauben und erst recht keine Ideale, muhuhahahaa!" Wer glaubt, dies wäre eine unfaire Wiedergabe von Juli Zehs Dialogen, hat nicht ihre seitenlangen Ausführungen über Nihilismus und Gottes Tod gelesen, in denen all das mit dem gröbsten Fleischklopfer breitgeschlagen wird, was sich bei einem besseren, nein, einem guten Autor von selbst aus der Geschichte ergeben hätte. So sie denn in der Wirklichkeit fundiert wäre, im Gegensatz zu "Spieltrieb", das vielleicht gerade deshalb dauernd die Krücke der totalen Ausformulierung braucht. Ein gutes Werk jedenfalls ließe dem Leser auch Gelegenheit, zwischen den Zeilen selbst zu atmen, selbst zu denken und selbst zu träumen und so eine ungleich bessere, ungleich sympathischere Beziehung dazu aufzubauen als zur Zehschen Zwangsbewurstung mit Plattheiten, Pseudoprovokationen, unnötigen Auswalzungen und permanenten Falschheiten. Keiner redet so wie Ada und Alev, noch nicht mal absichtlich artifizielle Archetypen. Niemand ist so, wie es Juli Zeh behauptet. Ihre Geschichte würde selbst in der Welt ihres Romans niemals funktionieren. Und endlich erzählt "Spieltrieb" einem nichts, was man als Mensch mit wenigstens einem Zeh, haha, im großen Pool des Lebens nicht schon gewusst hätte, nicht schon besser weiß und nicht schon für immer besser wissen wird.

Zeitverschwendung.

14 Kommentare:

  1. "Manch einer mag es nicht, wenn man ihm die Bilder im Kopf schon ausmalt. Für den ist mein Stil halt nichts."

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  2. Das ist kein "Stil", sondern ein Symptom. Des Vorkauens dessen, was man nicht nur nicht essen will, sondern was auch ungenießbar ist.

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  3. zuerst war ich irritiert, dass ich von dieser angeblich so tollen Schriftstellerin (mehrere Preise gewonnen und so..), trotz Literaturstudium, noch nie was gehört hatte. Aber wenn sie tatsächlich so schlecht ist (und davon gehe ich mal aus), dann brauche ich mich nicht wundern, und diesen Umstand auch nicht bedauern...

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  4. Ist da etwa einer nur - mit viel zu vielen Worten - ...neidisch?

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  5. Neidisch? Ich? Auf eine, die nicht richtig schreiben kann? Nein :)

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  6. ..weshalb dann dieser Wortschwall und die Beachtung? Das erinnert an Karlheinz Deschner, allerdings leider, leider nicht auf (dessen) Niveau.
    Übrigens: Das Gute, sehr geehrter Herr Lazar, hat es nicht nötig, das qualitativ Schlechte (wenn Sie auch bei J. Zeh daneben liegen) zu verreißen. Wer mit einem Finger auf jemanden zeigt, auf den weisen drei zurück. Scheint Ihnen öfters zu passieren.
    Grüße
    lotaro

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  7. Sind Sie's, Frau Zeh? Fällt Ihnen wirklich kein anderer Grund als Neid ein, so viel über Ihr schlechtes Buch zu schreiben? Und daß das "Gute" es nicht nötig habe, das "Schlechte" zu verreißen, habe ich ja noch nie gehört...

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  8. ...wie sagen die Russen so einfach wie treffend: "Die getroffene Ente schnattert am lautesten".

    Ach, Herr Lazar...
    (Er glaubt wirklich, Frau Zeh würde sich mit ihm auseinandersetzen, noch dazu in einem solchen blog.)

    Belassen wir es einfach dabei. Schön ist es aber, dass auch Sie noch einmal etwas Neues in Ihrem Leben, das so voller Erfahrung ist,gehört haben.
    Hätte man bei Ihrer Allgewissenheit ja nun wirklich nicht vermutet.
    Viel Freude beim Studieren,
    Peter Zarth, ehem. FAZ (das sind die, die nicht schreiben können.)

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  9. Liebe Frau Zeh, wenn Ihnen weiter nichts als Unterstellungen und nichtssagende Sprichwörter einfallen, müssen wir es tatsächlich dabei belassen. Schade.

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  10. Sehr geehrter Herr Lazar,
    natürlich war es klar, dass Sie das letzte Wort behalten müssten. Dass Sie es aber dazu nutzen, Ihren gewünschten, wenn auch nicht vorhandenen Lesern (also nur sich selbst (pardon, vier sind es ja nun doch)), suggerieren zu wollen, die Autorin verstecke sich hinter meinem Namen, das ist nicht nur niveaulos, das ist schlicht und dumm. Zumal, da Sie mich bereits über EMail erreicht haben, was Sie tunlichst im blog Ihren Fans verschweigen.
    Ich überlasse Ihre Elogen nun dem kosmischen Hintergrundrauschen. Tira avanti.
    Peter Zarth

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  11. Überraschend, wie viel Zeit Frau Zeh (Peter Zarth?) so nebenher noch findet!

    Gut, dass sie nicht selbst darunter leidet, das letzte Wort behalten zu müssen!

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  12. ...und jetzt auch noch der Papst. Ach Gottchen.

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  13. Wirklich Frau Zeh, langsam ist das nicht mehr lustig. Es steht Ihnen gerne frei, mir und meinen vier Lesern zu zeigen, was ich Ihnen oder einem Ihrer anderen Pseudonyme jemals per E-Mail geschrieben haben soll. Bin schon gespannt...

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