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15.09.2006

Das Parfum

Keine schlechte Verfilmung.

Oder doch.

Weil, wie schon von der scharfsinnigen Katja Nicodemus treffend bemerkt, Tom Tykwer der Geruchswelt des eben wiedergelesenen Romans keine entsprechende Bilderwelt entgegenzusetzen hat, bis auf einen kurzen Moment "Nuit Napolitaine". Warum sehen wir die Düfte nicht aus dem Blick des Froschmannes Grenouille, wenn's sein muss, auch in schillernden Schlieren? Warum sehen wir ihn nicht, wenn es soweit ist, als Ritter, als Engel, als strahlenden Gott? Warum hat man keine, von mir aus auch völlig unbekannten, schwerblütigen Schönheiten zum Ermorden besetzt, wie sie das Buch verlangt? Warum ist das Mirabellenmädchen, ist Laure Richis nicht schön, nicht wunder-wunderschön?

Womit wir schon beim zweiten und grundlegenden Problem des Films wären: Fünfzig Millionen Euro machen unglaublich unfrei. So unfrei, dass Grenouille einen Moment mit, zum Ausrasten, fast reuigem Blick zögert, ehe er dem Mirabellenmädchen die Kleider vom Leib und ihren Geruch in sich reißt, so unfrei, dass Laure Richis ihrem Mörder vor ihrem Tod noch in die Augen sehen darf, so unfrei, dass die geile, obszöne Orgie tierischer Sexualität zur vollständig sterilen Installation gerät, so unfrei, dass Jean-Baptiste Tränen übers schmutzige Gesicht rollen, so unglaublich unfrei gar, dass Otto Sander am letzten Ende vorliest, der Abschaum von Paris glaube, er habe "zum ersten Mal etwas aus Liebe getan".

Dabei ist es nicht Glaube, dass die Straßenmenschen Grenouille aus Liebe verschlungen haben, sondern Wissen, sondern unbedingte Absolutheit, das ist die letzte Pointe dieses an Pointen nicht armen, zwar trivialen, aber außerordentlich unterhaltsamen Buches, die chemische Seele der Gefühle. Warum kann man dies selbst hier und heute, selbst aus Tom Tykwers Regie, selbst, nein, gerade für fünfzig Millionen Euro nicht den Zuschauern zumuten? Haben wir schon solche Angst vor der Welt, sind wir schon so, so orientierungslos, dass das Kino uns solchen Zucker in den Arsch blasen muß, solches Sandmännchenpulver, damit wir den Heimweg überleben, uns nicht weinend und kreischend in eine Ecke verkriechen, in unsere Fäuste beißen und in namenloser, tierischer Angst ins Dunkle schreien, schreien bis der Schlaf kommt oder der Tod? Was hat nur solche Weicheier aus uns gemacht, was? Hat Politycki am Ende doch recht? Oh Zeiten! Oh Sitten!!

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