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28.09.2006

Mehr Relevanz

Vor kurzem hatten wir uns ja gewünscht, mit dem "hochrelevanten" Fräulein Anna (Link leider nicht mehr aktuell) zu konkurrieren. Nun schreibt sie, ob als Reaktion, ob unabhängig davon zufällig, folgendes über "banales Zeug", wir zitieren ganz:

Gestern hat jemand zu mir gesagt, ich würde banales Zeug schreiben! Warum ich nicht mal über Politik schreiben würde!!! Das hat noch niemand gesagt und mich im ersten Moment getroffen.

Ich hab überlegt was an dem, was ich schreibe so banal ist. Aber ich konnte nichts finden. Ich schreibe so, weil das ich bin, weil das mein Leben ist.

Ich schreibe nicht um A, B, C oder sonstwas für ein Blogger zu werden, ich will auch kein Geld verdienen, nicht berühmt werden und ich kämpfe nicht darum in irgendeiner Rangliste ganz oben auf zu tauchen und jage auch keiner hohen Besucherquote hinterher.

Ich schreibe, weil ich Spaß daran habe. Weil ich Freunde und Familie, die nicht immer alles mitkriegen, auf diesem Weg an meinem Leben Anteil haben lassen kann. Ich schreibe das, was mich grad bewegt, beschäftigt, oder ärgert, Dinge über die ich mich freue, Dinge die ich andren zeigen möchte, Themen zu denen ich den ein oder andren Rat brauche.
Ich schreibe, weil es manchmal einfach gut tut sich was von der Seele zu schreiben.

Ich schreibe nicht über Politik, weil das nicht mein Ding ist und ich da gar keine Lust zu habe. Es ist mein Blogg, über mich. Und wenn mich ein politischens Thema bewegt, dann werden Sie es lesen.

Und wem das zu banal ist, der lese halt woanders.

Ihr Fräulein Anna

Und ich reue, im ersten Moment reue ich. Weil man keinen Bogen gegen Bambi spannt, auch keinen ohne Pfeil. Weil ich den zweiten und vierten Absatz selbst geschrieben haben könnte, nur besser und arroganter, natürlich. Und weil ich nicht behaupte, nie behauptet habe, durch meine zahl- und endlosen Tiraden mehr bewegen zu können als Anna, vielleicht ist auch das Gegenteil der Fall. Wer hört schon gerne, dass fast sein gesamtes Leben nur möglich, allein möglich ist, weil Millionen anderer Menschen für seine Sünden krepieren, wie wunde Tiere krepieren?

Aber ich kann doch nicht anders, als es herauszuschreiben.

Ich kann doch nicht anders, als zu hoffen, auf meine Weise etwas zu bewegen.

Ich schreibe so, weil das ich bin, weil das mein Leben ist. Weil das die Welt ist. Wollte ich, könnte auch ich rosabloggen, jeden einzelnen Tag, auch abgesehen davon, dass ich gesünder und wohlhabender lebe, als acht von zehn Menschen auf der Welt es je werden, mehr Chancen und Wege habe, als Milliarden es je werden, auch abgesehen davon und nur auf unsere kleine Käseglocke begrenzt. Könnte von Schwester A. schwärmen, der allerliebsten von allen. Vom Glück an der Uni erzählen. Über Freundin K. jubeln, die mein Herz und meinen Geist immer zu erweitern weiß, zuletzt hiermit. Den Erfolg im Job erwähnen, bin immer gut, wenn ich will. T. nennen, die Beste. Ich könnte jeden einzelnen Tag rosabloggen. Aber ich kann nicht.

Ich will nicht.

Man steigt nicht auf eine Soapbox, nimmt keine Flüstertüte in die Hand, um zu verkünden, was heute wieder für ein schöner Tag ist.

Man brüllt, bellt heraus, aus tiefstem Inneren, wie schlecht die Welt ist, wie elend die Menschen, wie schändlich ihr Treiben. Wie nahe, wie verdient, wie zurecht das Ende ist.

Und dann ...

Dann Rosasoapboxing. Würdet Ihr nur ... Wolltet Ihr nur ... Könntet Ihr nur ... Frieden auf Erden. Freiheit. Gerechtigkeit. Das Paradies. Ihr müsstet nur umkehren. Nur anhalten und umkehren. Nur das.

Aber niemand hält an, wenn man ihm Blüten vor die Füße streut.

Niemand kehrt um, wenn man ihm Zucker in den Arsch bläst.

Niemand nimmt an rosa Watte Anstoß.

Ich aber will es.

6 Kommentare:

  1. Wolle weiter!

    Aly

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  2. Wie schön auch, dass der Umgangston hier rauher und grauer ist. Dieses unterwürfige Hofschranzen-Gesäusel der Leser widert an. Kritik belebt die Sache, also immer schön die Faust hochhalten und zuschlagen.

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  3. Lange nicht mehr das Wort "Hofschranzen" gehört...

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  4. Obwohl sie Fräulein Annas Blog doch nun schon mehrere Male höchst eloquent als belanglos abgetan haben, scheinen sie ihn doch genauestens zu verfolgen.
    Warum? Schaut der Herr gern von seiner Burg herab um das Treiben des gemeinen Volkes zu belächeln? Muss jetzt jedes kleine Fräulein Anna, das lieber über Nutella und gut aussehende Saunabekanntschaften schreibt, schulmeisterlich belehrt werden? Wem sei hiermit gedient? Dem Weltfrieden? Oder eher der scheinheiligen Arroganz, die sich insgeheim auch ein paar Tausend HIV-Infizierte mehr nach Schwarzafrika wünschen würde, nur um sich noch allumfassender in der Gloria des Erretters, des Sehenden unter den Blinden, des unverstandenen Einzelkämpfers zu sonnen?
    Verstehen sie mich nicht falsch, normalerweise weiß ich ihr schreiberisches Angagement sehr zu schätzen, aber Beiträge wie dieser, in denen sie selbstgerecht unschuldige Fräulein Annas vorführen und sich dabei auch noch höchst pathetisch mit der Aura des Gerechten umgeben, machen sie unglaubwürdig.

    Mit freundlichen Grüßen,
    eine treue Leserin

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  5. Das ist die Faszination des Exemplarismus, des anscheinenden Lehrbuchbeispiels des Rosabloggens. Man, oder ich, kann den Blick so wenig abwenden wie von einer vollendeten Zicke, obwohl man ihre Mechanismen doch anscheinend lehrbuchhaft durchschaut. Oder vielleicht auch nur scheinbar. "Banales Zeug!" war nämlich der interessanteste und anregendste Eintrag, den ich je in Annas Blog gefunden habe, man fragt sich unweigerlich, was noch hinter dem pinken Template verborgen steckt.

    Und wie gesagt, ich reue meine Worte ja auch etwas, auf Fräulein Anna bin ich ursprünglich nur zufällig gestoßen, und eine vereinfachende exemplarische Betrachtung tut einem komplexen Individuum wohl immer Unrecht an. Aber der Exemplarismus an sich scheint mir doch weiter nötig.

    Übrigens nehme ich mich selber davon nicht aus. Ich bin weder Vegetarier, noch spende ich viel für Afrika oder verzichte auf meine tägliche Dusche. Man könnte an mir also wunderbar die vielfältigen eklen Deformationen eines Sesselgenerals aufzeigen, vielleicht mach ich's ja mal selbst, wenn ich Zeit habe. Entsprechend ist mein Eintrag in meinem Gefühl weit weniger selbstgerecht, als er manchem Leser vielleicht erscheinen mag. Immerhin nimmt man den Typ, der in der Fußgängerzone auf einer Kiste steht und mit sich überschlagender Stimme das Ende der Welt beschreit, auch nicht ernster als das Glücksbärchi.

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  6. P.S.: Zum vielleicht ersten Mal richtig tolle, konstruktive und kontroverse Kritik in meinem Blog, vielen Dank! Let the flamewars begin :)

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