Die Wahrheit: Nach ausschweifendem Gezeche, Gelagen und dem Gewinn und anschließenden sofortigen Verlust von 10.000 Euro und einem Goldzahn in der Spielbank, so zumindest meine undeutliche Erinnerung, zwei Stunden nach Abfahrt des Zuges mit regelmäßig hinter meinen Augen pochenden Vorschlaghämmern erwacht. Langsam berappelt, zum Bahnhof gekrochen und, Spontaneität der BahnCard 50 sei Dank, in den nächsten ICE nach Norden gestiegen.
Ich liebe ja, nicht unbedingt aber auf der ereignislosen Rennstrecke Stuttgart-Mannheim, Bahnfahren, unsere so schnellen wie eleganten und sauberen ICE und die Deutsche Bahn an sich, deren Qualität wir Deutschen, worüber noch zu schreiben sein wird, gar nicht richtig zu schätzen wissen. Das Zugheftchen "DB mobil" jubelt mit mir und versorgt mich mit interessanten Informationen über Hartmut Mehdorns weiße Flaggschiffe: 300 Stundenkilometer! 180.000 Reisende pro Tag! 300.000 verkaufte Märklin-ICE! Ganz berauscht komme ich in Mannheim an und verpasse prompt meinen Anschluss, da mein Flaggschiff zehn Minuten Verspätung hat. So bummele ich, nachdem ich, meiner viel zu spät auslösenden Mobiltelefonkamera sei Undank, vergeblich versucht habe, eine abfahrende Dampflokomotive zu fotografieren, des nächsten Zuges harrend durch den Bahnhof und halte vor der Auslage des lokalen Zeitschriftenladens, in dem eine passionierte Verkäuferin eine Reihe "Emmas" zum Venussymbol arrangiert hat. Folgender Dialog entspinnt sich:
ANDI
(skurril)
Verzeihung, wo finde ich denn die "Emmas"?
VERKÄUFERIN
(zeigt es)
Hier.
ANDI
(sucht)
Aha, hm, die, die ich suche, ist leider nicht dabei.
VERKÄUFERIN
(freundlich)
Welche hätten Sie denn gerne? Ich kann sie Ihnen
aus der Auslage holen, wenn Sie möchten.
ANDI
(schämt sich ein bißchen)
Die mit dem zu frühen Sex.
VERKÄUFERIN
(greift unbeirrt in die Auslage)
Hier die, "Zu früher Sex?"
ANDI
(leicht verlegen)
Ähm, ja genau.
VERKÄUFERIN
(nunmehr an der Kasse)
Sechs fünfzig. Möchten Sie noch eine Autogrammkarte von der Schwarzer?
ANDI
(strahlt)
Ja gerne!
Zwischen zwei dünnen Würsteln mit einem Mickerbrötchen und Senf für zwei achtzig zerrinnen die Stunden. Endlich Berlin Hauptbahnhof.
Germania Welthauptbahnhof, zum Imponieren erschaffen, nur einen Steinwurf von
Ewig nach der Juhe Mitte suchend, komme ich endlich weit nach Mitternacht an, nur um zu erfahren, dass kein Zimmer mehr frei ist. Der geschätzt über 60-jährige Herbergsvater hilft mir weiter, indem er seinem Kollegen in Tegel auf leicht beunruhigende Weise durchtelefoniert, dass gleich ein "Mann, groß, blond, blauäugig, sehr sympathisch" vorbeikomme, wofür ich schließlich aber doch noch, der Entfernung geschuldet, fast eine Stunde brauche. Todmüde falle ich bzw. quetsche mich ins Guantánamo-Kingsize-Bett und räkele mich auf seiner ganzen Halbmeterbreite, nur um vom konzertanten Schnarchen meiner mittelalten Zimmergenossen aus einer Gruppe reisender Mindersozialisierter bis zum Morgengrauen wachgehalten zu werden. That's Urlaub, Baby!
Fortsetzung folgt ...
Schon mal daran gedacht Reisejournalist zu werden?
AntwortenLöschenGefällt mir gut deine kleine Geschichte.
Aber sag, was wolltest du in Berlin oder habe ich etwas überlesen? Oder gehe ich richtig in der Annahme, dass du einfach nur so durch Deutschland tourst?
Au révoir mon ami.. (mon grand blonde, trés gentil bébé avec des yeux bleus :)
Empfehlung! Der werte Herr hat eine Homepage und ich erfahre es erst jetzt?
AntwortenLöschenWhatever, hier die URL:
http://www.henryk-broder.de/startseite/startseite.html
Mehr Erklärungen kommen im nächsten Teil der Deutschlandreise. Kanntest Du Broders Homepage echt noch nicht?
AntwortenLöschenMensch Andreas, hättest was gesagt, dann hättest sehr wahrscheinlich in Friedrichshain bei Albi unterkommen können. Andrerseits wäre dann Dein Reisebericht wohl auch nicht so amüsant.
AntwortenLöschenAh stimmt, wir haben uns vor meiner Reise ja gar nicht mehr gesprochen. Wirst ihre Ergebnisse halt in den nächsten Folgen erfahren :)
AntwortenLöschenIch unterbreche ja nur ungern (nein), aber es stimmt; ich kannte sie noch nicht.
AntwortenLöschenBin ja auch noch ein Backfisch.